Nach dem Unentschieden keimt Hoffnung auf beim VfB Stuttgart. Die Mannschaft hat sich wieder als Einheit auf dem Platz präsentiert.

Stuttgart - Die letzte Forderung des Trainers hat Fredi Bobic nicht erfüllen können. Drei Finger hob Bruno Labbadia in die Höhe, als er sich in den Katakomben der Leverkusener Arena verabschiedete, drei Treffer verlangte er vom Manager an der Torwand des "Aktuellen Sportstudios". Bobic jedoch traf genau nullmal, was nichts daran änderte, dass es ein sehr lustiger Samstagabend am Mainzer Lerchenberg wurde. Gemeinsam mit Giovane Elber und Krassimir Balakov trat er auf, sieplauderten über alte Zeiten und leerten hinterher viele Gläser.

 

Und ganz bestimmt wird es der ausgelassenen Stimmung zuträglich gewesen sein, dass der VfB zuvor in Leverkusen nicht verloren hatte. Das 2:2 (1:1) bei Bayer jedenfalls hat dem Lager der Stuttgarter gewaltige Erleichterung verschafft. Es war der erste Punktgewinn nach zuletzt vier Niederlagen in Serie. Und es war das erste Mal seit Wochen, dass die Mannschaft wieder so aufgetreten ist, wie man es von ihr erwarten darf. "Leidenschaft, Einsatz, Wille - es war alles da, was uns zuletzt gefehlt hat", sagt der Mittelfeldspieler Christian Gentner.

Natürlich ist es nur ein Pünktchen gewesen, das wenig daran ändert, dass der Tabellenkeller auch weiterhin viel näher ist als die Spitze; und natürlich ist jetzt nicht plötzlich alles gut, was bisher schlecht gewesen ist. Auch in Leverkusen offenbarte der VfB Mängel im Spielaufbau, erspielte sich zu wenige Torchancen und agierte nach dem Platzverweis von Michal Kadlec in Überzahl bisweilen zu überhastet und zu ideenlos. Kurzum: rein fußballerisch betrachtet hinkt das Team seinen eigenen Ansprüchen nach wie vor deutlich hinterher.

"Wir haben zu alter Geschlossenheit zurückgefunden"

Wichtiger jedoch war diesmal die Erkenntnis, dass sich die Stuttgarter erstmals seit Langem wieder als Mannschaft präsentierten. Sie steckten einen frühen Rückstand und einen zumindest umstrittenen Foulelfmeter weg und fielen nicht auseinander, als das Spiel drohte, erneut verloren zu gehen. Der späte Ausgleich durch Martin Harniks "Stochertor" (Bayer-Trainer Robin Dutt) war der verdiente Lohn für die Mühen. "Dieser Zusammenhalt ist die Basis für eine erfolgreiche Zukunft", sagt Bobic. Und Labbadia erklärt: "Wir haben zu alter Geschlossenheit zurückgefunden."

Ohne Trainer und ohne Manager hatten sich die Profis am Tag vor dem Spiel zusammengesetzt, sie hatten sich über jene Dinge unterhalten, die zuletzt schiefgelaufen waren, und dabei den Mannschaftsgeist beschworen. Reinigende Wirkung habe das gehabt, sagen sie jetzt - was durchaus im Sinne der sportlichen Leitung ist. Keine Krisensitzung sei es gewesen, sagt Bobic, man habe sich dadurch auch nicht übergangen gefühlt - im Gegenteil: "Es ist in unserem Sinne, wenn die Spieler eigenverantwortlich die Dinge aufarbeiten."

Dadurch komme ein Prozess in Gang, der auch dazu beitragen soll, dass sich wieder so etwas wie eine Hierarchie innerhalb der Mannschaft herausbildet. "Ein Anfang" sei der Punktgewinn, sagt Labbadia, und das gilt nicht nur dafür, "dass wir jetzt wieder auf dem Weg sind, von dem wir uns gegen Ende der Vorrunde haben abbringen lassen".

"Gegen die Bayern haben wir jetzt ein Bonusspiel"

Ein (Neu-)Anfang war es auch für einige Spieler: für Vedad Ibisevic etwa, der in seinem zweiten Einsatz angedeutet hat, dass er allein wegen seiner Wucht im Zweikampf der Mannschaft vermutlich mehr helfen kann als der grußlos verabschiedete Pawel Pogrebnjak; für Cacau, der in Ibisevic' Rücken erstmals seit Monaten wieder seine Stärken in Erinnerung brachte; oder für Julian Schieber, der nach seiner Rückkehr aus Nürnberg sein erstes Tor geschossen hat.

Auch der Trainer selbst entschied sich für so etwas wie einen Neustart. Ihm war, auch intern, lange Zeit vorgeworfen worden, er halte immer an den gleichen Spielern fest und ersticke damit jeglichen Konkurrenzkampf. In Leverkusen veränderte Labbadia sein Team dann gleich auf fünf Positionen - und war "selbst überrascht, als ich mir vor dem Spiel noch einmal die Aufstellung angeschaut habe". Spätestens als sein Joker Harnik ins Tor traf, durfte er sich bestätigt sehen und musste sich nur noch darüber ärgern, dass Cristian Molinaro in der Nachspielzeit die Rote Karte sah.

Die brachte, auch weil sein Vertreter Arthur Boka beim Africacup ist, zwar auch Fredi Bobic kurzeitig auf die Palme ("Der Kinhöfer hat mit den Karten nur noch so herumgewedelt"), doch ließ er am Ende ungewohnte Milde walten, weil der Punktgewinn dem VfB vor dem Pokalduell am Mittwoch gegen München etwas Ruhe verschafft hat: "Gegen die Bayern haben wir jetzt ein Bonusspiel", sagt der Manager, "da können wir nur gewinnen."