Das zentrale Problem, ein notwendiger Flächentausch mit den Murgschiffern, ist gelöst. Der Weg zur Erweiterung des Nationalparks Schwarzwald um bis zu ein Drittel der Fläche dürfte nun frei sein. Doch was kostet dieser Deal das Land?

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Lange sah es nicht nach einem Durchbruch aus, aber womöglich könnte der Zusammenschluss der beiden Teile des Nationalparks Schwarzwald doch noch in dieser Legislaturperiode erfolgen, die im März 2026 endet. Das war immer das Ziel von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) gewesen. Denn das Land und die private Genossenschaft der Murgschifferschaft, der der Wald zwischen den beiden Parkflächen gehört, haben sich jetzt auf einen Flächentausch geeinigt. Aber viele Fragen sind weiter offen. Kritik wird auch bereits laut.

 

Zwei zentrale Punkte enthält die Vereinbarung. Erstens überlassen die Murgschiffer, die derzeit 5500 Hektar an Wald besitzen, dem Land 2900 Hektar rund um die Gemeinde Hundsbach; das ist die Fläche zwischen den beiden Nationalpark-Teilen. Der Nationalpark selbst umfasst derzeit 10 000 Hektar. Im Gegenzug erhält die Genossenschaft „wertgleiche“ Flächen in der Nähe ihres weiteren Besitzes; das dürfte weiter östlich rund um das Enztal sein, sagt Walter Dürr, der Betriebsleiter der Murgschiffer.

Wertgleich bedeutet mit Sicherheit nicht flächengleich

Doch welche Flächen das genau sein werden und was „wertgleich“ bedeutet, muss erst über ein Gutachten geklärt werden. Es könnte bis zum Sommer vorliegen. Dafür muss zum Beispiel bewertet werden, welcher Holzvorrat in den jeweiligen Flächen vorhanden ist, wie viel Pacht aus Windrädern fließt, ob Immobilien zu berücksichtigen sind oder auch, welche Anteile unter Naturschutz stehen und nur eingeschränkt wirtschaftlich genutzt werden können. Ein wertgleicher Tausch sei deshalb mit Sicherheit kein flächengleicher Tausch, so Dürr. Er geht aber von maximal 20 Prozent mehr oder weniger Fläche aus, die das Land im Tausch abgibt.

Der Naturschutz sei dabei kein größeres Problem, denn auch in den Wäldern der Murgschiffer sei etwa schon jetzt mehr als die Hälfte Vogelschutzgebiet – das dürfte im Staatswald nicht viel anders sein. Johannes Enssle, der Chef des Landesnaturschutzverbandes, sieht das ebenso: „Der Mehrwert für die Natur durch die Vergrößerung des Nationalparks überwiegt sowieso.“

Der zweite zentrale Punkt in der Vereinbarung lautet: das Land wird seine Anteile von 55 Prozent an der Murgschifferschaft verkaufen. Die Murgschifferschaft bietet die Anteile dann ihren übrigen 117 Eignern an; wie genau das intern abläuft, entscheidet die Genossenschaft selbst. Laut einem Gutachten des Landes liegt der Marktwert für die 54 000 Rechte deutlich höher als der Buchwert, der laut dem Beteiligungsbericht des Landes 31 Millionen Euro beträgt. Trotzdem dürfte der Verkaufspreis, der allerdings noch nicht endgültig verhandelt ist, letztlich klar unter dem Marktwert liegen. Dadurch wird der Handel für die Murgschiffer erst lukrativ.

Das Land hat in dem Gutachten rechtlich klären lassen, ob ein solcher Preis zulässig ist oder ob damit unzulässigerweise auf öffentliche Einnahmen verzichtet wird. Die Gutachter sehen keine Bedenken gegen dieses Entgegenkommen, da man mit der Erweiterung des Nationalparks einen großen immateriellen Gewinn für den Naturschutz erziele. Walter Dürr betont zudem, dass die Murgschifferschaft zusätzliche Kosten für die Umstellung habe, die über den vergünstigten Preis abgedeckt seien. Kolportiert wurde, dass die Anteile dem Land bisher jährlich ein bis zwei Millionen Euro an Ausschüttungen gebracht hätten. Diese Summe sei viel zu hoch, betont Dürr; in manchen Jahren handle es sich gerade mal um ein Zehntel davon.

Kritik an der Vereinbarung kommt von der CDU. Sie hatte der Erweiterung im grün-schwarzen Koalitionsprogramm von 2021 zwar grundsätzlich zugestimmt. Doch es sei problematisch, die Anteile unter Wert zu verkaufen und die Preise schon vor Abschluss der Verhandlungen quasi öffentlich zu machen, rügt der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser die Umweltministerin. Forstminister Peter Hauk (CDU), der immer vehement gegen die Erweiterung war, hat sich jüngst aber nicht mehr zu Wort gemeldet. Es gab wohl ein neuerliches Machtwort aus dem Staatsministerium.

Ob die gesamten 2900 Hektar dem Nationalpark zugeschlagen werden, sei völlig offen, betont Steffen Becker, der Sprecher des Umweltministeriums. Das müsse jetzt erst in Gesprächen mit allen Beteiligten und in einem politischen Prozess geklärt werden. Am Ende braucht es eine Mehrheit im Landtag.

Einwohner von Hundsbach sind zunehmend frustriert

Zu den Beteiligten gehören auch die Einwohner von Hundsbach, das künftig fast ganz vom Nationalpark umschlossen sein könnte. Michael Frank, der Sprecher der dortigen Bürgerinitiative, ist allerdings zunehmend enttäuscht von der Entwicklung. Zum einen habe man der Bürgerinitiative bis vor kurzem nicht gesagt, dass eine Einigung mit der Murgschifferschaft in greifbarer Nähe liege – Frank spricht von einem „verlogenen Spiel“.

Zum anderen hat man den Bürgern zwar versprochen, dass sie auch weiterhin viele Wege im Nationalpark begehen oder etwa Pilze suchen dürften. Aber noch immer gebe es keinerlei belastbaren Entscheidungen, sagt Frank. Als es vor kurzem um einen erlaubten Spazierweg für die Hundsbacher gegangen sei, habe die Parkleitung lediglich die kleinste Route mit gerade mal 2,8 Kilometern Länge in Aussicht gestellt. „Wir sind frustriert, weil wir immer nur reden und reden und nichts beschließen“, so Frank. Viele in Hundsbach befürchteten mittlerweile, alles laufe wie bei der Gründung des Nationalparks vor zehn Jahren, als die Politik viel versprochen und wenig gehalten habe.