Auch nach dem Beschluss der Produktionsverlagerung nach Portugal holpert es im Caro-Werk: Bei der Abfindung für die Belegschaft will der Konzern bis zu 13.000 Euro an Prämien nicht anrechnen.

Ludwigsburg - Seit gut einem Monat wird der Betrieb im ehemaligen Röstkaffee-Werk am Ludwigsburger Bahnhof abgewickelt. Noch rund 60 Beschäftigte arbeiten dort, im Juni sollen endgültig die Rollläden unten sein. Kurz vor Weihnachten hatten der Nestlé-Konzern, der Betriebsrat und die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) für die 107 Angestellten eine Transfergesellschaft und großzügige Abfindungen vereinbart. Doch es gibt Streit.

 

Die Fronten sind verhärtet

Die Fronten sind verhärtet. Man wird sich wohl demnächst vor dem Arbeitsgericht sehen. Umstritten ist die Höhe der Abfindung. In der Vereinbarung vom vergangenen Dezember ist als Berechnungsgrundlage das Bruttojahresgehalt 2018 festgehalten. Nestlé berechnet dabei aber nicht die Prämien und Boni ein, die seit Juli eigens gezahlt wurden, um die Mitarbeiter nach der verkündeten Schließung zu halten – und zu motivieren, bis zuletzt vollen Einsatz zu zeigen. Es geht um bis zu 13 000 Euro je Mitarbeiter, in der Summe bis zu 1,2 Millionen Euro.

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Dieses Gebaren bringt die Noch-Beschäftigten auf die Palme. Denn im Sozialplan, dessen entsprechende Passage unserer Zeitung vorliegt, steht schwarz auf weiß: „Das Jahreseffektivbruttoeinkommen besteht aus dem Bruttojahresentgelt, freiwilligen, übertariflichen und sonstigen Zulagen, Mehrarbeit- und sonstigen Zuschlägen, Prämien, den Jahressonderzuwendungen (Weihnachts- und ggf. Sommergeld), variabler Vergütung (z. B. Bonus), Urlaubsgeld sowie den geldwerten Vorteilen eines auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens.“ Es sei „beschämend für ein Unternehmen, das sich mal eben für fast sechs Milliarden Euro die Starbucks-Lizenzen unter den Nagel reißt, sich mich solchen Peanuts aufzuhalten“, sagt ein Mitarbeiter, der aus Angst um seine Jobperspektiven nicht namentlich genannt werden möchte. Nestlé-Sprecher Alexander Antonoff erklärt, die einmaligen Sonderzahlungen würden „analog der bei uns bereits für den Sozialplan eines anderen Werkes angewendeten Praxis“ bei der Berechnung der Abfindungen nicht mit einbezogen. Gemeint ist damit das Werk in Mainz, das im Jahr 2017 geschlossen wurde.

Der Konzernsprecher: „Es gibt einen Dissens“

„Konkret darüber gibt es einen Dissens zwischen den Arbeitnehmervertretern und uns, über den auch mit den Mitarbeitern bei einer Betriebsversammlung gesprochen wurde“, erklärt der Konzernsprecher. Die NGG wird nun für ihre Mitglieder – rund 60 Prozent der Belegschaft sind organisiert – den Klageweg beschreiten. „Dass Prämien und Boni für die Abfindung einberechnet werden, ist so formuliert und unterschrieben“, sagt Hartmut Zacher, der Geschäftsführer der NGG Region Stuttgart.

Ihn ärgert nicht nur, dass der Konzern davon jetzt nichts mehr wissen will. Auch so sei bei der Berechnung der Abfindung der einzelnen Mitarbeiter etliches schiefgelaufen. Mehrfach habe man nachrechnen müssen. „Es ist mir unverständlich, dass ein Konzern, der auf der ganzen Welt mit Lebensmitteln handelt, so etwas nicht hinbekommt“, kommentiert Zacher.

Frust über Gelände-Verkaufspläne

Der Nestlé-Sprecher Alexander Antonoff erklärt zu den finanziellen Streitfragen: „Wir gehen davon aus, dass letztlich die zuständigen Arbeitsgerichte zur Auslegung entsprechende Entscheidungen treffen müssen.“ An diese werde man sich halten. Nach Einschätzung des Gewerkschafters Zacher kommt den Konzern die Caro-Produktionsverlagerung nach Portugal mittlerweile so teuer, dass sie sich „aus heutiger Sicht kaum noch lohnt“.

Apropos teuer: Dass die Stadt nun ihre Fühler nach dem Nestlé-Areal ausstreckt, ärgert die Mitarbeiter obendrein. Ende November hatte Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec (Freie Wähler) ihnen auf einer Kundgebung zugesichert: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt mit Nestlé über den Ankauf des Areals verhandelt.“ Vergangene Woche, berichten Nestlé-Beschäftigte, habe eine Abordnung der Stadt das Gelände in Augenschein genommen: „Den Blick von uns Beschäftigten abgewandt.“