Am Freitag entscheidet der Stuttgarter Gemeinderat, ob der Düsseldorfer Veranstalter des New Fall-Festivals mit städtischem Geld bezuschusst werden soll. Die Empörung darüber schweißt die örtliche Szene zusammen – sie hält jetzt auch die Hand auf.
Stuttgart - An diesem Freitag wird bei der dritten Lesung und Verabschiedung des Doppelhaushalts der Stadt Stuttgart für die Jahre 2018 und 2019 auch über eine heikle Investition diskutiert werden. Die Grünen-Fraktion im Gemeinderat hat beantragt, den Veranstalter des vor wenigen Wochen zum zweiten Mal in Stuttgart ausgerichteten Popmusikfestivals New Fall, die von Hamed Shahi Moghanni geführte Düsseldorfer Firma SSC Festivals, in den kommenden beiden Jahren mit einem Zuschuss von jährlich 40 000 Euro zu unterstützen.
Der Antrag hatte beträchtlichen Unmut unter anderem bei den privatwirtschaftlichen Stuttgarter Konzertveranstaltern hervorgerufen, die ohne jegliche öffentliche Subventionen am hiesigen Markt agieren. Zudem wurden Zweifel laut, ob der Düsseldorfer Veranstalter überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die an eine städtische Kulturförderung geknüpft sind. Diese schreiben unter anderem gemeinnütziges Wirken sowie eine substanzielle Einbeziehung und Unterstützung hiesiger Musiker vor.
Aufgrund der Berichterstattung unserer Zeitung hat die SPD-Gemeinderatsfraktion, die diese Irritationen „nachvollziehbar“ findet, daraufhin einen Haushaltsantrag eingebracht, in dem sie ihrer Befürchtung Ausdruck verleiht, dass „damit die Arbeit der Stuttgarter Kulturszene nachhaltig negativ beeinflusst“ werde. Sie beantragt daher, das New-Fall-Festival nicht zu fördern und die dafür vorgesehenen 40 000 Euro zweckgebunden für die Förderung der hiesigen Popmusikförderung vorzusehen. Die SPD-Fraktion schlägt in dem Antrag etwa vor, die kleinen Stuttgarter Musikclubs bedarfsgerecht zu fördern, niedrigere Tarife bei der Konzertbewerbung auf städtischen Plakatflächen zu überdenken sowie ein Fördermodell nach dem Vorbild der Stadt Hamburg einzurichten, die einen so genannten Live-Concert-Account gegründet hat, um kleinere Clubs von den teils beträchtlichen Gema-Gebühren für Konzerte zu entlasten.
Tatsächlich ist die vorgeschlagene Förderung für das New Fall Festival verglichen mit den 2017 gewährten Zuschüssen für Popmusikprojekte ziemlich hoch. Die folgende Grafik (hier klicken für eine große Ansicht) visualisiert die städtische Musikförderung in Stuttgart für Pop und Jazz. Die Beträge für Institutionen sind blau, die für Projekte violett eingefärbt – die vorgeschlagenen 40 000 Euro für das New Fall Festival rot:
Die Empörung über die Förderung für das New Fall Festival schweißt die örtliche Branche zusammen. Bei einem Podiumsgespräch am Montag beklagte Paul Woog, Geschäftsführer bei der Konzertdirektion Russ, dass Clubkonzerte kaum mehr rentabel zu veranstalten seien. Zudem eruierten Woog und Matthias Mettmann (vom Veranstalter Chimperator), welche Fördermaßnahmen man der Verwaltung vorschlagen könne, etwa – wie von der SPD favorisiert – Plakatierrabatte oder aber Auftrittsmöglichkeiten für Stuttgarter Künstler im Rahmen größerer Konzerte.
Der Stuttgarter Popbüro-Leiter Peter James kündigte in derselben Runde die Gründung eines Vereins im Januar an – als Interessenvertretung für die regionale Popkultur, von Künstlern über Locations und Veranstalter bis zum Publikum. Es gehe darum, örtliche Trends zu fördern, die künstlerisch wertvoll sind, sich wirtschaftlich aber (noch) nicht tragen. „Die Gemeinnützigkeit drängt sich da geradezu auf“, sagte James. Mit dem Vereinskonstrukt will er nicht nur den kulturellen Wert von Popmusik betonen, der bisher vor allem ernster Musik und Jazz zugestanden werde. Die Initiative zielt auch auf öffentliche Fördermittel – für die Gemeinnützigkeit eine Voraussetzung ist. Eine Konkurrenz zu den kommerziellen Veranstaltern sieht er darin nicht. Vielmehr seien „kommerzieller Überbau und eine funktionierende örtliche Szene aufeinander angeweisen“.
Die folgende Grafik zeigt, dass Pop und Jazz (rot) im Vergleich zu allen anderen Musikarten von der Stadt Stuttgart im relativ überschaubaren Umfang gefördert werden (hier klicken für eine große Ansicht):
James’ Vorgänger Paul Woog findet, dass vor allem kleinere Konzerte bis sechshundert Besucher gefördert gehören. Von einer Programmförderung hält er nichts. Sinnvoll seien vielmehr „Maßnahmen, die die Kosten für alle senken – etwa für die Werbung, die Betreuung der Künstler oder Gema-Gebühren“.
Die Grünen im Gemeinderat halten auf Nachfrage jedoch an ihrem Antrag fest. Das Festival in eine Förderung aufzunehmen sei „eine kulturpolitische Entscheidung, die wir getroffen haben und zu der wir auch weiter stehen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Andreas Winter. Er ist der Ansicht, dass „das zu fördernde Festival 2018 und 2019 nicht von einem kommerziellen Anbieter organisiert wird“ und es umgekehrt immer wieder Ansätze gegeben habe, im Bereich Popmusik Fördermöglichkeiten zu etablieren – wie etwa durch die von Peter James geplante Vereinsgründung. Nicht zuletzt sei mit der vor vier Jahren beschlossenen Förderung der Stuttgarter Clubs „ein Einstieg gelungen“. Winter räumt jedoch ein, dass dieser Einstieg „sicher auch weiter zu entwickeln ist“ und seine Partei „Handlungsbedarf“ sehe. Deshalb werde es Anfang des Jahres ein Gespräch mit den Stuttgarter Veranstaltern geben.
CDU und Grüne bleiben bei der Zustimmung
Jürgen Sauer, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Gemeinderatsfraktion, bleibt bei der Zustimmung seiner Fraktion für die Förderung. Er befürwortet James’ Vereinsgründungspläne, er gewinnt dem Hamburger Gema-Modell Vorzüge ab. Er ist jedoch auch weiterhin der Ansicht, dass der New-Fall-Veranstalter „unter anderem durch den vorgesehenen Nachwuchsabend für junge Musiker aus Stuttgart und der Region“ die Voraussetzungen für eine Förderung mitbringe.
Der Stuttgarter Kulturbürgermeister Fabian Mayer wies bereits vor drei Wochen gegenüber unserer Zeitung darauf hin, dass nach den gültigen städtischen Kriterien primär Stuttgarter Kultureinrichtungen und Künstler gefördert werden. Er erwarte, falls der Gemeinderat die Förderung beschließen sollte, dass der Düsseldorfer Veranstalter wie angekündigt einen gemeinnützigen Verein mit Sitz in Stuttgart gründen werde, der sich schwerpunktmäßig der Förderung Stuttgarter Bands widmet. Den Antrag der SPD halte er jedoch für einen „interessanten Ansatz, weil er auf die Förderung eines breiten Adressatenkreises abzielt und gleichzeitig die Zielsetzung einer lokalen Förderung verfolgt“. Eine Verbindung dieser beiden Wege könnte, so Mayer, „eine salomonische Lösung sein“.
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