In seiner ersten Regierungsbefragung wirbt der Kanzler als Abgeordneter für eine unbürokratisch umgesetzte Impfpflicht, vermeidet aber weiter eine Festlegung für seine in dieser Frage uneinige Koalition. Wer den neuen Corona-Pflegebonus erhält, soll noch im Januar geklärt sein.

Berlin - An seinem 35. Tag im Amt kommt es zu einer weiteren Premiere. An diesem Mittwoch steht der neue Kanzler erstmals dem Bundestag Rede und Antwort. Die traditionelle 100-Tage-Schonfrist ist also noch lang nicht abgelaufen, in diesen so ernsten wie hysterischen Zeiten fühlt es sich aber danach an. Vor allem die Union wirft Olaf Scholz Arbeitsverweigerung vor, da seine Regierung keinen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht vorlegt, sondern die Ampelkoalition absprachegemäß eine Entscheidung aus dem Parlament heraus anstrebt. „Deutschlands neue Nichtregierungsorganisation“, lästert die CSU im Netz und zeigt dazu ein Bild der Kabinettsriege oder einen müden Scholz. „Schluss mit ausruhen“ steht darunter. Der frühere Verkehrsminister Andreas Scheuer hat allen Ernstes sogar schon verlangt, der neue Regierungschef müsse im Parlament die Vertrauensfrage stellen.

 

Olaf Scholz tut natürlich nichts dergleichen, den Gegenwind aus der Opposition hat er aber wohl vernommen. Also nutzt der Kanzler seine einleitenden Worte dazu, um die Beschlüsse der jüngsten Zeit und auch das parlamentarische Vorgehen in Bezug auf die Impfpflicht zu verteidigen. Er als Abgeordneter halte sie für „notwendig“ und werde sich auch „aktiv dafür einsetzen“.

Die Christdemokraten wollen ihn damit nicht davonkommen lassen. Günter Krings, ihr rechtspolitischer Sprecher, weist darauf hin, dass nicht der Parlamentarier Scholz vor dem Parlament steht, sondern der höchste Vertreter des „Verfassungsorgans Bundesregierung“. Deren eindeutige Positionierung liefert Scholz trotzdem nicht, weil seine SPD, die Grünen und die FDP in der Frage uneins sind, mutmaßlich keine eigene Mehrheit für eine allgemeine Impfpflicht haben und auch aus Verlegenheit den Weg fraktionsübergreifender Gruppenanträge gehen wollen.

„Impfpflicht für alle Erwachsenen und möglichst unbürokratisch“

Der Kanzler nimmt dennoch für sich in Anspruch, er habe bereits im November „der Debatte in Deutschland eine Richtung gegeben, die vorher so nicht zu erkennen war“. Erneut begründet Scholz aus seiner Sicht, warum die gesellschaftlichen Folgen einer zu niedrigen freiwilligen Impfquote seine Meinung geändert haben. Er präzisiert zudem, für welche Art von Impfpflicht er sich ausspricht, nämlich „für alle Erwachsenen“ und in Umsetzung und Vollzug „möglichst unbürokratisch“. Dies sei, so Scholz, „der richtige Weg für demokratisches Leadership“. Das soll signalisieren, dass sein Credo aus dem Herbst, wonach Führung bekomme, wer sie bei ihm bestelle, noch gilt.

Thorsten Frei, Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, verlangt grundsätzlich Auskunft darüber, warum die Einführung einer Impfpflicht für alle eine Gewissensentscheidung sein soll, während das beim Beschluss zum verpflichtenden Immunisierungszwang in Pflege- und Medizinberufen Anfang Dezember noch anders war. Für den Kanzler liegt der Unterschied darin, dass es bei der allgemeinen Pflicht „um eine ganz andere Dimension“ gehe – was ihm die Nachfrage einhandelt, ob die Grundrechte von Pflegerinnen und Pflegern weniger wert seien, was Scholz natürlich verneint.

„Der Pflegebonus wird noch im Laufe dieses Monats vorgestellt“

Die Frage des Berliner Linken-Abgeordneten Pascal Meiser zielt darauf ab, wer von den verdienten Pflegekräften denn nun den finanziellen Bonus erhalten soll, für den die Ampelkoalition insgesamt eine Milliarde Euro bereitstellen will. Scholz’ Gesundheitsminister und Parteifreund Karl Lauterbach hat unlängst zu verstehen gegeben, dass sich die finanzielle Gratifikation auf den Kreis der auf Corona-Intensivstationen Tätigen beschränken soll – was Meiser kritisiert. Der Kanzler kündigt eine gerechte Lösung an, die von Lauterbach noch als Pflegebonus „im Laufe dieses Monats vorgestellt“ werde.

Es geht auch um die G-7-Präsidentschaft, Weiterbildung, Minijobs oder die hohen Energiepreise – Scholz antwortet mit den Vorhaben des Koalitionsvertrags. Meist aber dreht es sich um die Pandemie, etwa als Martin Sichert (AfD) den Kanzler fragt, ob er die Zahl festgestellter Nebenwirkungen kenne. Scholz bedankt sich auch hier für die Frage, aber „nicht für die Intention, die dahintersteckt“. Mit der von Sichert später genannten Zahl von rund 26 000 Fällen verwirre die AfD bewusst die Öffentlichkeit. Weltweit seien Milliarden von Impfungen „gut gegangen“, die Ständige Impfkommission prüfe so streng wie sonst nirgends auf der Welt.

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