Die Stadt feiert das beste Ergebnis aller Zeiten. Die Stadt könnte das erste Mal seit 70 Jahren schuldenfrei werden. OB Fritz Kuhn plant Rücklagen für Klinikum und Kultur.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart wäre nach Einschätzung der Rathausspitze Ende 2018 zum ersten Mal sei 70 Jahren schuldenfrei, sofern der Gemeinderat am 18. Juli dem Vorschlag der Rathausspitze folgen wird, die Restverbindlichkeiten von rund 19 Millionen Euro vorzeitig abzubauen. Widerspruch ist nicht zu erwarten, schließlich stehen dafür 382,7 Millionen Euro Überschuss aus dem Haushalt des vergangenen Jahres zur Verfügung.

 

Prognose war zurückhaltend

Bei der Verabschiedung der Etats für 2016 und 2017 hatten OB Fritz Kuhn (Grüne) und Kämmerer Michael Föll (CDU) lediglich einen ausgeglichenen laufenden Haushalt erwartet. Die vorzeitige Kreditkündigung kostet die Stadt 200 000 Euro – so viel, wie sie im vergangenen Jahr an Zinsen bezahlt hat. In früheren Zeiten hatte Föll die vollständige Tilgung wegen des niedrigen Zinssatzes und der Inflation nicht für sinnvoll erachtet. Heute sagt er mit Verweis auf die Nullzinssituation auf dem Geldmarkt, dieser „historische Schritt“ sei sinnvoll. Nicht berücksichtigt sind in dieser Rechnung die Schulden der städtischen Eigenbetriebe. Aber auch deren Verbindlichkeiten reduzierten sich um knapp zehn Prozent auf 395 Millionen Euro. Der größte Teil entfällt auf die Abfallwirtschaft und die Stadtentwässerung, deren Etats vom Gebührenzahler finanziert sind.

OB Kuhn ist happy

OB Kuhn sprach von einem „sehr, sehr guten Ergebnis“; Föll meinte, ein solches Resultat sei ihm in den letzten 30 Jahren nicht untergekommen. Der Rekord wäre ja noch deutlich höher ausgefallen, wären nicht auch die Ausgaben um 108 Millionen Euro gestiegen, etwa für die Sanierung der Klinikums-Bilanz. Ursächlich für den Geldsegen sei die gute Konjunktur und die damit verbundenen Steuereinnahmen. Besonders erfreulich aus städtischer Sicht: die vollständig in den Haushalt fließende Gewerbesteuer lag um 204 Millionen Euro über Plan. „Wenn es gut läuft, kommt auch noch Glück hinzu“, sagte der Kämmerer. Diverse Rechtsstreitigkeiten seien zugunsten der Stadt entschieden worden. Kuhn verweist zudem auf die „jahrelange besonnene Haushaltspolitik“. Föll verwies auch auf die Risiken, die nicht vernachlässigt werden dürften. Er nannte den Abgasskandal und die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump ebenso wie Stellenschaffungen, Tariferhöhungen und die Folgekosten von Investitionen. Dazu zählen etwa die Folgekosten für Tunnels.

Viel Geld für Neubauten

Kuhn schlägt dem Gemeinderat neben der Kredittilgung vor, 200 Millionen Euro für Neubauten auf dem Gelände des Katharinenhospitals in einer Rücklage zu deponieren. 190 Millionen Euro sollen für die Sanierung des Opernhauses sowie Neubauten des Lindenmuseums oder für eine neuen Konzertsaal reserviert werden. Dafür gibt es derzeit aber weder ein Raumprogramm noch einen Standort. Bei diesen Summen und der Vielzahl von Rücklagentöpfen (im Umfang von zwei Milliarden Euro) kann leicht der Überblick verloren gehen: Zur hälftigen Finanzierung der auf rund 400 Millionen Euro geschätzten Opernsanierung hatten Kuhn und Föll noch vergangenes Jahr maßgeblich jene 160 Millionen Euro reserviert sehen wollen, die die Stadt als Gegenleistung für die Risikoabsicherung von Schrott-Wertpapieren im Besitz der Landesbank Ende des Jahres ausbezahlt bekommen werden. Nun heißt es zurückhaltender, ob diese Mittel oder Teile davon wirklich in die Kultur fließen, sei offen. Man werde es aber dem Gemeinderat vorschlagen. Dann aber wären knapp 360 Millionen Euro für künftige Kulturinvestitionen gebunkert.

Keine Prämie fürs Personal

Eine Mehrheit des Gemeinderats hat andere Vorstellungen von der Verwendung zusätzlicher Einnahmen: im Umfang von 150 Millionen Euro sollen Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus finanziert werden. Dieses Thema haben Kuhn und sein Finanzchef ebenso ausgeklammert wie zusätzliche Investitionen in Schulbauten und Kitas. Es seien mehr Mittel dafür bereit gestellt worden, als die Bauindustrie zu verarbeiten in der Lage wäre. Einfach die Aufwendungen zu erhöhen, in dem man mehr Personal einstellt oder ihm einen Bonus zukommen lässt, lehnt das Duo ebenfalls ab. Der laufende Haushalt sehe ausreichend neue Stellen vor. Eine Prämie, wie sie etwa die Automobilfirmen gewährten, lehnt der Kämmerer mit dem Hinweis auf die Vorzüge des sicheren Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst ab. Dies wäre nichts anderes als „Rosinenpickerei“.

Grundsteuerhebesatz wird gesenkt

Eine Vorzugsbehandlung gibt es dennoch: Es gilt, die vom Gemeinderat auf Initiative der CDU beschlossene einmalige Senkung des Grundsteuerhebesatzes von 520 auf 420 Punkte umzusetzen. Die Steuerpflichtigen werden damit 2019 um rund 30 Millionen Euro entlastet. Allerdings werden nur zu einem geringen Teil private Vermieter und deren Mieter von dieser Maßnahme profitieren. Es sind vollem die großen Grundbesitzer in der Stadt wie Daimler, Porsche und Bosch. Der Haus- und Grundbesitzerverein beansprucht den Erfolg auch für sich und fordert, dass gleich für weitere Jahre Rücklagen für dieses Vorhaben gebildet werden.

Der Ausblick der Verwaltung auf 2018 ist positiv, wenn auch die Rathausspitze keine so hohen Überschusssteigerungen wie im vergangenen Jahr erwartet, weil sie bereits bei der Aufstellung des Haushalts sehr optimistisch kalkuliert habe. Die Verbesserung gegenüber dem Plan von 54,8 Millionen wird deshalb auf lediglich 76,3 Millionen Euro taxiert. Der Gewerbesteueransatz wird von 620 auf 650 Millionen Euro erhöht. Insgesamt wird ein Ergebnis von 140,6 Millionen Euro erwartet.