Der Fall Edathy schwächt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und damit auch die weitere Regierungsarbeit. Die politischen Verwerfungen werden noch lange nachwirken.

Berlin - Die große Koalitionskrise ist abgeblasen, auch deshalb, weil die Parteispitzen von Union und SPD mittlerweile ihre wichtigsten Offensivkräfte zurück gepfiffen haben. Aber die politischen Verwerfungen, die der Fall Edathy und der Rücktritt des CSU-Agrarministers Hans-Peter Friedrich verursachten, werden noch lange nachwirken. Vor allem Thomas Oppermann, der SPD-Fraktionschef, wird es schwer haben, wieder Tritt zu fassen; die Fraktionsführung der Union hat kein großes Vertrauen mehr in die Zuverlässigkeit des Genossen.

 

Das hat auch, aber nicht nur mit der oft als arrogant und herablassend empfundenen Art des Auftritts Oppermanns zu tun, der es sich auf dem Höhepunkt der Krise erlaubte, sich aus Unionssicht aufreizend spöttisch als „Stabilitätsanker“ der Koalition zu bezeichnen. Der ehemalige Richter leistet sich auch bei der Aufarbeitung der Krise weitere Fehler. Es tauchen immer wieder Widersprüche auf, die zwar die Regierung nicht gefährden, wohl aber die Bereitschaft, vertrauliche Absprachen zu treffen. Einmal mehr geht es um die Erklärung Oppermanns, mit der er den Tipp Friedrichs an SPD-Chef Sigmar Gabriel offenbarte, dass Edathy wegen des Kinderporno-Verdachts ins Visier der Strafverfolgung geraten sei.

Bei einer Umfrage fordern 53 Prozent Oppermanns Rücktritt

Vor dem Innenausschuss hatte Oppermann erklärt, er habe vor der Veröffentlichung seiner Erklärung, die letztlich den Rücktritt von Friedrich zur Folge hatte, Unions-Fraktionschef Volker Kauder informiert. Der ließ dies prompt dementieren und erneut musste sich Oppermann korrigieren. „Durch ein Büroversehen“, sei das Schreiben nicht zugestellt worden, ließ Oppermann wissen. Bereits vergangene Woche musste er zurückrudern, weil er anfangs behauptet hatte, er habe sich den Verdacht gegen Edathy vom Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, im Oktober bestätigen lassen. Der dementierte, Oppermann korrigierte sich. Nicht nur bei der Union schütteln sie wegen dieser handwerklichen Fehler die Köpfe. Auch in der SPD fühlen sich jene bestätigt, die schon immer Zweifel hatten an der Eignung Oppermanns, die Fraktion zu führen. Und auch die Bevölkerung sieht ihn kritisch: Beim ZDF-Politbarometer haben sich 53 Prozent der Befragten für einen Rücktritt Oppermanns ausgesprochen.

Auch der Umstand, dass die SPD-Spitze Sebastian Edathy trotz der Hinweise auf ein mögliches Vergehen bei den Koalitionsverhandlungen in die Unterarbeitsgruppe „Integration und Migration“ vordringen ließ, hebt die Stimmung in der Koalition nicht. Denn dies widerspricht der Behauptung, die Weitergabe der nur an SPD-Chef Sigmar Gabriel gerichteten Information sei notwendig gewesen, um Edathy bei der Regierungsbildung von wichtigen Positionen fern zu halten. Sprecher von Fraktion und Partei erklärten, die Co-Chefin der Arbeitsgruppe Migration, SPD-Vizechefin Aydan Özoguz, habe „eigenständig“ Edathy gebeten, den Platz einzunehmen.

Kritik am geplanten Parteirauswurf Edathys

In der SPD wiederum sorgt der Vorstoß Gabriels für Unruhe, Edathy die SPD-Mitgliedschaft entziehen zu wollen. Am Montag hatten Präsidium und Vorstand auf Betreiben Gabriels zunächst beschlossen, Edathys Mitgliedschaft ruhen zu lassen. In der Partei wird darauf verwiesen, dass ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Parteiausschlusses laut Satzung die logische Konsequenz wäre. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte aber davor, über das Ziel hinaus zu schießen. Er halte „nicht viel davon, erst einmal mit Vorschlägen hervor zu treten und sich dann erst anzuschauen, ob diese notwendig sind“. In der SPD erinnern viele an den vergeblichen Versuch, Thilo Sarrazin wegen dessen umstrittener Thesen zur Migration aus der Partei zu werfen. In der Sitzung des Fraktionsvorstands am Dienstag wurde auch geäußert, man mache sich Sorgen um Edathy, wenn man ihn zu sehr in die Ecke treibe.