Die Projektpartner zeigen sich erleichtert über den Verlauf bei der Räumung des Schlossgartens. Bis Ende Februar soll das Gelände gerodet sein.

Stuttgart - Nach dem Protest ist vor dem Protest: so lautet die Maxime, die von den Stuttgart-21-Gegnern nach der Räumung des Mittleren Schlossgartens und des Zeltdorfs am Mittwoch als vermeintlich letzter Bastion des Widerstands ausgegeben wurde. Schon am Samstag wollen sich die Projektgegner wieder zu einer größeren Kundgebung am Schlossplatz versammeln, zudem ist auch ein Protestmarsch durch die Innenstadt geplant. Der Einsatz im Schlossgarten werde zur weiteren Spaltung der Stadt und zu einem Zuwachs des Widerstands beitragen, glaubt der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Hannes Rockenbauch: „Wir rechnen mit 3000 Teilnehmern, die gegen diese Machtdemonstration protestieren.“

 

Der Einsatz selbst, der in der Nacht auf Mittwoch begonnen hatte, verlief entgegen der allgemeinen Befürchtungen friedlich und ohne den angekündigten massiven Widerstand. „Ich bin sehr erleichtert darüber, dass alles ohne nennenswerte Zwischenfälle abgelaufen ist“, erklärte Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Bei der hohen Emotionalität des Themas und der teilweise massiven verbalen Aufrüstung im Vorfeld sei damit nicht unbedingt zu rechnen gewesen. „Die deeskalierende Einsatzstrategie von Polizeipräsident Thomas Züfle hat sich bewährt“, so Schuster. Aber auch den Stuttgart-21-Gegnern sei zu danken.

Lob für beide Seiten

Innenminister Reinhold Gall als oberster Chef der Landespolizei hatte sich von vier Uhr morgens an ständig über den Verlauf des Einsatzes informieren lassen, wie der SPD-Politiker erklärte. Nach einigen Gesprächen habe er dann aber schon ziemlich beruhigt frühstücken können. Auch Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, der sich am Vormittag selbst ein Bild von der Lage im Park gemacht hatte, lobte beide Seiten gleichermaßen. Die Polizei habe die Verfügung der Stadt, das Camp zu räumen und das Baufeld der Bahn zu sichern, besonnen und ruhig umgesetzt.

In den Appellen der Landesregierung und auch des Oberbürgermeisters sieht der Bahn-Sprecher Wolfgang Dietrich einen der Gründe, weshalb der Einsatz komplett gewaltfrei verlaufen ist. „Darüber sind wir wirklich froh“, so Dietrich. Es sei aber auch deutlich sichtbar gewesen, dass sich seit der Volksabstimmung die Grundeinstellung vieler Projektgegner geändert habe. Die transparente Strategie der Polizei, auf die sich die Demonstranten emotional einstellen konnten, habe sich bewährt. Das Baugelände sei dank der Umstände erfreulich schnell geräumt worden, so Dietrich. Die Bahn sei mit den Vorbereitungen zur Einrichtung der Baustelle für den Tiefbahnhofstrog daher voll im Zeitplan.

Verwendung der Baumstämme

Dieser sieht vor, dass bis spätestens Ende Februar alle 176 Bäume gefällt und versetzt werden, die im Bereich des Baufelds stehen. Die ersten der 108 Bäume, die nach dem Urteil der Sachverständigen zu groß zum Versetzen sind und daher gefällt werden müssen, wurden bereits am Mittwochnachmittag umgelegt und abtransportiert. Die Stämme sollen nun so lange zwischengelagert werden, bis in einem Bürgerforum im April die Entscheidung gefallen ist, wofür genau sie eingesetzt werden. Angedacht ist unter anderem, das Holz für Kunstwerke, Spielgeräte oder Waldlehrpfade zu verwenden.

Bevor die ersten sieben, acht Platanen und Buchen am Nachmittag gefällt wurden, hatten die Arbeiter gegen 9 Uhr entsprechend der Auflagen des Eisenbahn-Bundesamts bereits um jene 27 Bäume am Ferdinand-Leitner-Steg einen Schutzzaun aufgestellt, in denen bei Artenschutzuntersuchungen Populationen des geschützten Juchtenkäfers entdeckt worden waren. Zudem wurden auch am ehemaligen Omnibusbahnhof gegenüber dem Südflügel, der zwischenzeitlich etwa zu einem Drittel abgerissen ist, wie von der Bahn angekündigt einige Bäume gefällt. Das Gelände wird als Baustelleneinrichtungsfläche benötigt. Laut Bahn sollen nun zunächst bis Anfang nächster Woche alle 108 Bäume gefällt werden. Gleichzeitig fahren vermutlich schon morgen die Rundspatenmaschinen vor, mit denen die übrigen 68 Bäume ausgegraben werden.

Parkschützer üben Kritik

Kritik am Einsatz der Polizei, an dem 2400 Beamten aus sechs Bundesländern beteiligt waren, wurde gestern aus dem Lager der Parkschützer geübt. Der Einsatz sei zu Beginn hektisch und eskalierend gewesen, erklärte deren Sprecher Matthias von Herrmann. Die Polizisten seien „reingerannt“ und hätten sofort ihre Schlagstöcke eingesetzt. Die Polizei selbst sprach von lediglich einem Schlagstockeinsatz. Im Laufe der Nacht habe sich die Vehemenz aber gelegt, betonte von Herrmann, gegen Ende sei die Aktion dann vertretbar abgelaufen.

Dass die Räumung des Schlossgartens ohne größere Zwischenfälle abgelaufen ist, liegt für das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 vor allem am Verhalten der rund tausend Projektgegner, die sich nach einem Protestmarsch am Abend dort mit Trillerpfeifen, Trommeln und Plakaten versammelt hatten. „Wir sind stolz drauf, dass sich alle trotz der hohen emotionalen Belastung total diszipliniert und friedlich verhalten haben“, erklärte Hannes Rockenbauch. Auch die Polizei habe offensichtlich dazugelernt, vom Beginn des Einsatzes einmal abgesehen. „Die Beamten haben sich diesmal so verhalten“, so Rockenbauch, „wie man es friedlichen Menschen gegenüber erwarten darf.“