Ihre Ware würde jeden Bio-Supermarkt schmücken. Doch wenn völkische Siedler Umweltschutz betreiben, nennen sie das „Erhaltung des Lebensraums“. Der „Tatort“ hat diese Nazibauern nun im Schwarzwald angesiedelt. Zu recht?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Freiburg - Im Schein von Fackeln unter dunklen Schwarzwaldtannen tritt der Schwarzwaldbauer Volkmar Böttger nach vorne. Er muss seine Tochter beerdigen hier im Wald. Ein Zeitpunkt für große Worte. „Wehrbauern“ seien sie, eine „Schutzmacht für deutsches Blut und deutschen Boden“. Er sei traurig über den Tod seiner Tochter, aber auch stolz darüber, „dass sie ohne Wenn und Aber nach den Traditionen unserer Ahnen gelebt hat.“ Da erst wird dem Kommissar Friedemann Berg klar, dass sein Jugendfreund Böttger gar kein Biobauer ist, sondern ein Nazisiedler.

 

Mit dem Schwarzwald-Tatort „Sonnenwende“ hat das „Erste“ am Sonntag den Fokus auf ein kleines, aber nicht wegzudiskutierendes Phänomen gelenkt. Es geht um die Landnahme durch Rechtsextremisten in der deutschen Provinz. Rund 1000 Personen sollen bundesweit der Gruppe dieser Nazi-Siedler angehören, schätzt die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Nazibauern setzen auf streng biologischen Anbau und Nachhaltigkeit. Vordergründig erscheinen sie als harmlose alternative Aussteiger. Was sie herstellen, würde jeden Bio-Supermarkt schmücken. Doch tatsächlich dient ihnen der Naturschutz dazu, „die deutsche Volksgemeinschaft und ihren Lebensraum zu bewahren“, schreibt die Berliner Stiftung.

Der Verfassungsschutz weiß noch nichts

Bisher lag der Schwerpunkt dieser Siedler in Norddeutschland. In einer Karte markiert die Amadeu-Antonio-Stiftung etliche Gruppen rund um Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in der Lüneburger Heide, in Niedersachsen und in sechs weiteren Bundesländern. Doch wird auch „der Schwarzwald von Nazibauern unterwandert“, wie sich viele Zuschauer nach der Ausstrahlung des „Tatorts“ fragen. „Uns liegen keine Erkenntnisse darüber vor“, sagt ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz.

Der „Tatort“ sei ein fiktives Format, keine Dokumentation, sagt der Autor des Films, Patrick Bruncken. Eine solche Gruppe direkt im Schwarzwald zu verorten sei deshalb ein Stück weit eine Provokation gewesen. Sie solle „bewusst machen, dass solche Denkweisen mittlerweile an Orten und in Bereichen auftauchen, wo man sie vielleicht gar nicht erwartet.“ In seinen Recherchen sei er aber sehr wohl auch im Südwesten auf solche rechtsextremen Strukturen gestoßen.

Hinweise auf Netzwerke in Hohenlohe

Auch die Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Annette Kick, kennt solche Netzwerke. Sie verortet sie in Hohenlohe und im Allgäu – überall dort, wo die Landflucht ausgeprägt sei und die Grundstückspreise niedrig seien. In Hohenlohe existierten auch Stammtische, die der „Germanischen neuen Medizin“ des deutschen Arztes Ryke Geerd Hamer anhingen. Sie verteufelten unter anderem die Krebsbehandlung mittels Chemotherapie. Im Film wird zeitweise gegen einen Arzt ermittelt, der dem Mordopfer aus weltanschaulichen Gründen die schulmedizinische Diabetesbehandlung vorenthalten haben soll.

Bisher gebe es zu den Nazisiedlern wenig belastbare Zahlen, sagt der grüne Rechtsextremismus-Experte Alexander Maier. Der Göppinger Landtagsabgeordnete bereitet gegenwärtig eine Parlamentarische Anfrage an das Innenministerium vor. Üblicherweise bevorzugten die Nazibauern dünn besiedelte Gebiete, wo sie ihre Kinder besser vor äußeren Einflüssen schützen und das gesellschaftliche Leben schleichend unterwandern könnten. Gerade in Ostdeutschland schafften es die Siedler mitunter, sich durch ihre zupackende Art und ihr ehrenamtliches Engagement fest in den Alltagsstrukturen zu verankern.

Esoterik-Sekte im Gemeinderat

Wie schnell eine kleine Gemeinde unterwandert werden kann, erlebte vor 20 Jahren das Schwarzwald-Örtchen Ibach (Kreis Waldshut). In dem 400-Seelen-Dorf eroberten die Anhänger der dort ansässigen Sekte Fiat Lux einen Sitz im Gemeinderat. In Mecklenburg-Vorpommern ist zu beobachten, das die Rechtsextremisten ähnliches anstreben. Im Büro der Hochschwarzwald-Tourismus-Gesellschaft in Hinterzarten ist man dennoch gelassen. Er persönlich habe den „Tatort“ spannend gefunden, sagt der Sprecher Herbert Kreuz. Allerdings passe das Thema nicht wirklich zum Schwarzwald. „Ich kenne keine Nazibauern.“ Ansonsten hätte man sich natürlich ein etwas schöneres Thema für den Schwarzwald-Tatort gewünscht. Doch die Gäste könnten da differenzieren. „Es gab ja auch einige sehr schöne Luftaufnahmen.“