Der Fahrer eines Schulbusses gesteht vor Gericht erst mit Verzögerung, zwei Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Die zweijährige Haftstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart/Ludwigsburg - Es gibt Gerichtsverfahren, in denen schon vor dem Urteil festzustehen scheint, dass es keinen Sieger geben wird, sondern in erster Linie nur Verlierer zurückbleiben. Einer dieser bedrückenden Fälle ist am Donnerstag vor der 4. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts verhandelt worden. Da wäre der Angeklagte, hoch verschuldet, mit 59 Jahren nach einem Schlaganfall bereits verrentet und mit der Ehefrau zurzeit in der Wohnung seines jüngsten Sohnes wohnend.

 

Dem ehemaligen LKW-Fahrer wurde zur Last gelegt, als minijobbender Schulbus-Lenker in den Jahren 2017 und 2019 ein acht- und ein neunjähriges Mädchen insgesamt achtmal sexuell missbraucht zu haben. Diese Vorwürfe bezeichnete der Angeklagte am Vormittag noch als Lüge“, die er sich so gar nicht erklären könne.

Am Nachmittag dann die überraschende Wende. Der nicht vorbestrafte Mann räumte die Taten mit Verzögerung im vollem Umfang ein und wurde im Anschluss daran zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt ist. Damit entsprach die Kammer der Forderung von Staatsanwalt Sven Reiss. Der hatte unmittelbar vor der Unterbrechung unmissverständlich darauf hingewiesen, dass von seiner Seite aus mit keiner Milde mehr zu rechnen sei, wenn die Kinder vor Gericht aussagen müssten. Dieser schwere Gang wurde den beiden Mädchen und ihren Müttern, die sich schon auf der Fahrt zum Landgericht befanden, durch das Geständnis am Ende doch noch erspart.

Ein Geständnis, aber keine Entschuldigung

„Um Gottes Willen“, sagte der Angeklagte zunächst immer wieder, wenn die Sprache auf die ihm vorgeworfenen Taten kam, aber auch bei anderer Gelegenheit zur Äußerung, die ihm die Vorsitzende Richterin Monika Lamberti einräumte. Der Mann stritt die Vorwürfe zunächst auch mit dem Hinweis vehement ab, dass in seiner Kultur – er ist Türke – ein solches Verhalten völlig undenkbar sei.

Undenkbar und doch geschehen: der Täter hatte die Mädchen auf den Fahrten von einer Sprachförderschule in Ludwigsburg zurück nach Hause auf den Beifahrersitz gelockt, eine Jacke als Sichtschutz über die Lehne gehängt und seine Hand in die Hose der Mädchen gesteckt. Eines von ihnen streichelte er auch im Intimbereich. Diese Vorwürfe, die sich jetzt als der Wahrheit entsprechend herausgestellt haben, waren der Grund dafür, dass dem Mann 2019 von seinem Arbeitgeber gekündigt worden war.

Die Frage, warum er gegen diese Kündigung nicht juristisch vorgegangen sei, könnte – neben der klaren Ansage des Staatsanwalts – die Wende im Verfahren eingeleitet haben. Die Antwort dürfte nämlich auch dem Rechtsanwalt des Täters nicht besonders einleuchtend erschienen sein: Sie lautete: „Ich habe mich in Absprache mit meiner Familie dagegen entschieden, weil das sowieso nichts bringt.“ Vermutlich hat in der Verhandlungspause sein Anwalt Boris Schmitz auf ein Geständnis hingewirkt und damit auf ein milderes Urteil. Eine Entschuldigung war seinem Mandanten, der infolge der Ermittlungen zwei Wochen in Untersuchsuchungshaft verbracht hatte, allerdings nicht zu entlocken.

Die Folgen der Taten sind ganz unterschiedlich. Während ein Kind offenbar keine Probleme mit der Bewältigung hat, ist das andere, das schwerer sexuell missbrauchte, traumatisiert, leidet unter Angstzuständen. Außerdem hatten ihre Leistungen in der Schule zwischenzeitlich stark nachgelassen. Dazu kommt, dass dieses Mädchen schon vor der Tat unter dem Tod ihres Vaters zu leiden hatte.