Mehr Geld für Millionen Bedürftige: Das Bürgergeld soll im kommenden Jahr spürbar angehoben werden. Rund 60 Euro mehr für Alleinstehende stehen in Aussicht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die mehr als fünf Millionen Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld sollen im kommenden Jahr spürbar höhere Leistungen erhalten.

 

So sollen Alleinstehende von Anfang 2024 an 563 Euro statt wie heute 502 Euro pro Monat bekommen. Das gab Bundessozialminister Hubertus Heil am Dienstag (29. August) in Berlin bekannt.

Heil sprach von einem erheblichen Schritt. Insgesamt handele es sich um eine Erhöhung von gut 12 Prozent, sagte der SPD-Politiker. „Gerade in der Krise und in Krisenzeiten und Umbrüchen muss man sich auf den Sozialstaat verlassen können.“

Wie stark soll das Bürgergeld steigen?

Mit der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Bürgergeld-Reform sollten die Sätze schneller als in der Vergangenheit an die Inflation angepasst werden. Für Jugendliche vom 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre sollen künftig 471 statt 420 Euro fließen.

Für Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres werden 390 statt 348 Euro gezahlt. Für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres sollen 357 statt 318 Euro fließen.

Derzeit beziehen 5,5 Millionen Bedürftige Bürgergeld, darunter 1,68 Millionen Arbeitslose. Im Januar hatte das Bürgergeld als zentrale Sozialreform der Ampel-Regierung Hartz IV in seiner früheren Form abgelöst. Die Regelsätze waren bereits zu Jahresbeginn um rund 50 Euro gestiegen.

Wird das Bürgergeldkünftig schneller erhöht?

Durch die Reform wird die Höhe der Leistungen schneller als früher an die Preisentwicklung angepasst. Zuvor war die Inflation nur sehr zeitverzögert berücksichtigt worden. Nun wird das Lohn- und Inflationsniveau für die Regelsätze des Folgejahres bis zum zweiten Quartal des aktuellen Jahres berücksichtigt.

Der Paritätische Gesamtverband hatte das Bürgergeld wiederholt als nicht ausreichend kritisiert. Auch 2023 decke der Satz bei Bürgergeld, Altersgrundsicherung und bei Erwerbsminderung den Mindestbedarf nicht, heißt es im Armutsbericht des Verbandes. Dafür müsste er bei 725 Euro liegen, wie der Verband unter Berufung auf eigene Berechnungen sagt.

Was gilt innerhalb der Karenzzeit?

Das Bürgergeld war nach monatelangen Verhandlungen in der Ampel-Koalition eingeführt worden. Seit Anfang des Jahres gilt eine 12-monatige Karenzzeit: Während dieser Karenzzeit werden die bisherigen Kosten der Wohnung übernommen und das Vermögen wird nur berücksichtigt wird, wenn es bestimmte Schwellen übersteigt.

Auch Freibeträge für Erwerbstätige wurden inzwischen verbessert. Kernziele der Bürgergeld-Reform sind die Stärkung der individuellen Betreuung von Betroffenen im Jobcenter - und mehr Weiterbildung und Qualifizierung für Jobs.

Was sagen die Sozialverbände zu der geplanten Erhöhung?

Im Juli lag die Inflationsrate in Deutschland bei 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, im Juni bei 6,4 Prozent. Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier sagte, angesichts der Entwicklung dürfe die Politik auch Menschen mit einem Einkommen knapp über dem Grundsicherungsniveau nicht aus dem Blick verlieren. Sie litten „extrem“ unter der Preisexplosion.

Im bisherigen Hartz-IV-System war die Grundsicherung in vielen Jahren nur um magere Beträge gestiegen. So gab es 2022 eine Erhöhung um drei auf 449 Euro für alleinstehende Erwachsene – als „kümmerlich“ kritisierte dies damals etwa das Deutsche Kinderhilfswerk. 2021 hatte das Plus 14 Euro und in den Jahren davor zwei Mal 8 Euro betragen.

Wie hoch sind die aktuellen Regelsätze des Bürgergeldes?

Wie hoch die Regelsätze beim Bürgergeld sind, zeigt die folgende Übersicht:

• 502 Euro: für Alleinstehende

• 451 Euro: für eheliche oder nichteheliche Partner einer Lebensgemeinschaft

• 420 Euro: für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren

• 348 Euro: für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren

• 318 Euro: für Kinder bis einschließlich 5 Jahren

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?

Das Bürgergeld-Gesetz sieht vor, dass der Anspruch auf Bürgergeld besteht:

• bei Bedürftigkeit

• bei grundsätzlicher Erwerbsfähigkeit

• oft im Anschluss an Leistungen auf das Arbeitslosengeld I

• Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte, wird künftig einen Anspruch auf Bürgergeld haben. Dafür müssen keine neuen Anträge gestellt werden. Infrage kommt das Bürgergeld auch für Menschen, deren Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt reicht.

Werden Vermögen und Wohnung beim Bürgergeld angerechnet?

Ja. Die Angemessenheit der Wohnung wird erst nach einer Karenzzeit von zwölf Monaten geprüft. Bis dahin werden die tatsächlichen Kosten der Wohnung übernommen. Die Karenzzeit gilt nicht für Heizkosten, die von Beginn an in „angemessenem Umfang“ gewährt werden.

In den ersten 12 Monaten bleibt zudem Vermögen bis zu 40 000 Euro für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft geschützt. Für jede weitere Person der Gemeinschaft erhöht sich dieser Freibetrag um jeweils 15 000 Euro.

Info: Was ist das Bürgergeld?

Hartz IV und Bürgergeld
18 Jahre nach dem Start von Hartz IV soll das Bürgergeld im neuen Jahr die bisherigen Regeln für Arbeitslose in Deutschland ablösen. Im November beschlossen Bundestag und Bundesrat nach langem Ringen das Gesetz, das als wichtigste Sozialreform der Ampelkoalition gilt.

Bürgergeld-Gesetz
Mit dem sogenannten Bürgergeld-Gesetz („Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz“) vom 16. Dezember 2022 ist das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) geändert worden. Das Bürgergeld hat damit die bisherigen Hartz-IV-Regelungen abgelöst.

Arbeitslosengeld II
Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 ist schließlich die im SGB II geregelte Grundsicherung für Arbeitsuchende – also Arbeitslosengeld II und Sozialgeld– in Bürgergeld umbenannt worden.