Marco Akuzun hat ins Top Air am Flughafen zur Küchenparty geladen. Zusammen mit Martin Öxle, der einst den ersten Stern für das Restaurant am Airport erkochte, ließ er Klassik auf Moderne treffen.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Küchenpartys in Sternerestaurants sind generell eine gute Gelegenheit, um die komplizierten Abläufe in einem Spitzenbetrieb begutachten zu können. Am Samstag im Top Air hatte zwanzig Gäste zudem die Möglichkeit, zwei Stile zu vergleichen: Klassik und Moderne. Marco Akuzun, Geschäftsführer und Küchenchef des Top Air, hat jenen Koch eingeladen, der vor 22 Jahren erstmals einen Michelin-Stern für ein Flughafenrestaurant geholt hatte: Martin Öxle, der sich später seinen Traum von einem Schlossrestaurant erfüllte und in der Speisemeisterei mit zwei Sternen gekrönt wurde. Das ist in der Region Stuttgart keinem vor ihm und keinem nach ihm gelungen.

 

Wenn man aber den ehrgeizigen Akuzun bei der Arbeit beobachtet, dann scheint sein erklärtes Ziel, den zweiten Stern zu erkochen, gar nicht so unrealistisch. Auch der Altmeister Öxle, der sich Ende 2007 aus der Speisemeisterei verabschiedet hat und nun die Gastronomie für die Spielbank Stuttgart verantwortet, muss dem Top-Air-Chef Respekt zollen: „Sehr modern, extrem aufwendig.“ Lässt Öxle für den Abend seine Klassiker aus der Speisemeisterei noch einmal aufblitzen, die meist mit drei, vier Komponenten auskommen – Steinbuttfilet und Hummerschaum im Gemüsemantel mit Morchelrisotto; Rehrücken mit Selleriepüree, Urkarotte und Wiesenkopfkraut-Schupfnudeln –, so geht Akuzun in die Vollen. Schon seine Amuse gueules bestehen aus einem Dutzend Komponenten.

Beim Arrangieren sind bis zu 14 Hände im Einsatz

Akuzuns Hauptgericht für die Küchenparty liest sich so: „Australisches Roastbeef Premium / Ochsenschwanz / weißer Sesam / Pak Choi / Tapioka / fermentierte Zitrone / Erdnuss / White Fungus / Radieschen / Tofu / Daikonkresse / Crosne“. Wird das Gericht „abgerufen“, so kommt das sanft garende Roastbeef aus dem Ofen und werden die vorbereiteten Komponenten kurz erhitzt, ehe sie am „Passe“ unter Wärmelampen auf die Teller arrangiert werden. Von zwei Seiten sind 14 Hände im Einsatz, unter Anweisungen des Chefs: „Wer zu langsam legt, fliegt“ und „sofort ist zu spät“.

Das mit dem Fliegen ist auch am Flughafen nicht ganz ernst zu nehmen, und Pfannen dienen längst nicht mehr als Wurfgeschosse. Aber Disziplin und Präzision sind nach wie vor oberste Gebote in der Sterneküche. „Keine Kompromisse“, sagt Akuzun, und Öxle ergänzt: „Richtig oder gar nicht.“ Dennoch herrsche heute eine anderer Ton als vor 50 Jahren, als Martin Öxle anno 1964 im Ochsen in Überlingen seine Lehre begann; Marco Akuzun, der mit 32 Jahren halb so alt ist, startete seine Laufbahn 1998 nur wenige Kilometer entfernt im Storchen. „Heute muss man den Mitarbeitern erklären, warum etwas so gemacht wird und kann nicht nur rausbrüllen: ,Weil ich der Chef bin!’“, sagt Öxle. Akuzun bekräftigt: „Man muss den Gemeinschaftssinn fördern.“ Deswegen lade er seine sechs Jungs auch zu Grillabenden ein.

Der Chef feiert seine Hochzeit im eigenen Restaurant

Im Top Air kommt fast jedes Stück Fleisch nach dem Anbraten in den Ofen. Bereit stehen: ein vollelektronischer Allrounder, in dem Öxle seinen in Klarsicht- und Alufolie gewickelten Steinbutt gart, ein Heißofen mit 227 Grad „zum Anschießen“, ein „Kaltofen“ mit 124 Grad, ein Holdomat zum Ruhen lassen bei 68 Grad oder ein Sous-Vide-Garer für Vakuumbeutel und noch niedrigere Temperaturen. Die neueste Errungenschaft ist ein Destillator, mit dem die Olivenölperlen des Desserts hergestellt werden. Bei solch einer Ausstattung ist klar, dass Akuzuns Hochzeitsfeier – im Juni heiratet er die stellvertretende Restaurantleiterin Nadine Koch – im Top Air ausgerichtet wird. „Da weiß ich, was ich bekomme“ – eine Qualität, die in Stuttgart nur schwer zu toppen ist.