Nachdem das Amtsgericht Bad Cannstatt einen Strafbefehl erlassen hat, will der Ex-FDP-Stadtrat und nun AfD-Fraktionssprecher Bernd Klingler mit allen Mitteln seine Unschuld beweisen. Das dürfte schwierig werden.

Stuttgart - Für den AfD-Fraktionssprecher Bernd Klingler dürfte es jetzt eng werden. Das Amtsgericht Bad Cannstatt hat gegen ihn am Freitag einen Strafbefehl wegen Untreue in zwei Fällen erlassen. Ihm wird vorgeworfen, Geld der Fraktion zu seinem Vorteil verwendet zu haben. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hat die Staatsanwaltschaft, die in der Angelegenheit seit neun Monaten ermittelt hatte, in dem Strafbefehl eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung sowie eine Geldauflage in Höhe von 5000 Euro für den früheren Chef der FDP-Gemeinderatsfraktion beantragt. Sollte der Stadtrat gemäß dem Antrag verurteilt werden, wäre er vorbestraft und zumindest moralisch beschädigt.

 

Sein Gemeinderatsmandat dürfte Klingler gleichwohl behalten, weil er sich keines Verbrechens, sondern lediglich eines Vergehens schuldig gemacht hätte. Würde er sein Mandat freiwillig zurückgeben, käme dies seiner alten Partei zu Gute mit erheblichen Auswirkungen: Die FDP hätte wieder Fraktionsstatus, die AfD wäre nur noch eine Gruppe.

Beschuldigter beteuert weiterhin seine Unschuld

Klingler äußerte sich entsetzt über die Veröffentlichung des Gerichtsbeschlusses und des Strafbefehls gegen sich. Wenn er am Montag vor dem Amtsgericht Einspruch einlegen werde, sei dies das erste Mal überhaupt, dass er seine Sicht der Dinge persönlich schildern könne. Weder er noch die ehemaligen FDP-Stadträte Hanle, Conz und Stübel, die zur Klärung der Vorwürfe ihrer Nachfolger beitragen könnten, seien zu den Vorgängen befragt worden. Sämtliche Behauptungen seien „nebulös“ und „objektiv zu widerlegen“.

Der Politiker ist überzeugt, dass die öffentliche Kritik an der Dauer der Ermittlungen die Anklagebehörde veranlasst habe, den Fall abzuschließen, ohne alle Fakten zusammen getragen zu haben. Er werde um seine Ehre kämpfen und dafür durch alle Instanzen gehen. „Beim Leben meiner Kinder“, schwört der Beklagte, „ich habe der FDP keinen finanziellen Schaden zugefügt, sondern bis zum Burnout für die Partei gearbeitet.“ Wenn er alle Leistungen addiere, dann schuldeten ihm die Liberalen sogar Geld. Er habe die Fraktionskasse mit 400 Euro übernommen und mit 46 000 Euro abgegeben. Klingler verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass er sich anders als frühere Verantwortliche bei der FDP nicht für seine Vorsitzendentätigkeit honorieren lassen habe.

Laut Anklagebehörde Fraktionsgeld zweckentfremdet

Die Staatsanwaltschaft hat zwei Sachverhalte im Visier: Der Beschuldigte soll nach Ende des Jahres 2013 eine Überweisung in Höhe von 23 500 Euro für die Herstellung eines FDP-Flyers auf das Konto einer ihm gut bekannten Werbeagentur an der Reinsburgstraße veranlasst haben, ohne dass es dafür ein Fraktionsbeschluss gegeben habe. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sei nicht nachweisbar, dass die Flugblätter tatsächlich hergestellt worden seien. Vielmehr sei das Geld offenbar weiter auf das Geschäftskonto von Klinglers Werbeagentur geflossen. Er soll den Betrag in bar abgehoben und für eigene Zwecke verwendet haben. Das bestreitet Klingler aber entschieden. Die 80 000 (!) Flyer seien gedruckt und das Geld sei im Sinne der FDP verwendet worden. Die Kollegen hätten dem Druck auch zugestimmt. Solche Zahlungen über Eck seien im Wirtschaftsleben gang und gäbe.

Der zweite gravierende Vorwurf bezieht sich auf den Sommer 2014. Seinerzeit soll der damalige Chef der FDP-Ratsfraktion in zwei Tranchen einen Betrag in Höhe von 12 500 Euro vom Fraktionsgirokonto abgehoben, über mehrere Monate im Tresor seiner Werbeagentur aufbewahrt und ebenfalls für eigene Ausgaben verwendet haben. Diesen Betrag habe er zwar Ende 2014 etappenweise in mehreren Tranchen zurückbezahlt, gleichwohl sei der Fraktion dadurch über mehrere Monate ein Vermögensschaden entstanden.

„Worin hätte der Schaden bestehen sollen?“, fragt sich Klingler. Auf dem Girokonto habe es keine Zinsen gegeben. War die Arbeit der FDP dadurch nicht eingeschränkt? „Wie denn? Nur ich hatte Zugriff. Wurde Geld gebraucht, habe ich die Rechnung aus der Fraktionskasse bezahlt.“

FDP-Sprecher nennt Strafbefehl eine „Tragödie“

Dass er die Fraktionsmittel benutzt habe, um private oder geschäftliche Rechnungen zu begleichen, streitet Klingler ab. Er betonte stattdessen einmal, er habe den FDP-Kontostand „zum Wohle der Fraktion“ niedrig halten wollen und das Geld daher in einer zweiten Kasse aufbewahrt. Im Rathaus ist die Darstellung, die Fraktion ärmer aussehen lassen zu wollen, um die Rückzahlung der sich aus Steuermitteln speisenden Unterstützung für die Sacharbeit zu verhindern, nicht gut angekommen. Ziel war offenbar, Geld für Wahlkampfzeiten zu horten. Die Verwaltung prüft nun, ob Ansprüche gegen die FDP geltend gemacht werden können. Deren Sprecher Matthias Oechsner geht fest davon aus, die 23 500 Euro zurück bezahlen zu müssen, falls das Urteil Rechtskraft erlangen sollte. In diesem Fall würde er seinen Vorgänger Klingler verklagen müssen. Zum Beschluss der Staatsanwaltschaft sagte Oechsner: „Ich finde das gut, denn das zeigt, dass wir mit der Veröffentlichung richtig lagen. Ich bin aber nicht erfreut. Für Bernd Klingler ist das eine Tragödie.“

Ans Licht gekommen waren die Vorgänge durch den überraschenden Rücktritt des Fraktionschefs. Zuvor hatte es im Team einen Aufstand gegeben. Oechsner und FDP-Neustadträtin Sibel Yüksel waren bei der Sichtung der Bücher Unregelmäßigkeiten und fehlende Rechnungsbelege aufgefallen. Sie schalteten daraufhin die Stadtverwaltung und das Rechnungsprüfungsamt ein, bevor sich die Staatswaltschaft des Falles annahm. In der Folge der Affäre erklärte der Werbefachmann im Januar dieses Jahres seinen Parteiaustritt und lief zur rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) über, der er damit zum Fraktionsstatus verhalf. Dort amtiert er neben Lothar Maier als Fraktionssprecher.