In der ARD-Talkrunde legt der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla seine Idee von Weltoffenheit ziemlich begrenzt aus. Und erntet Widerspruch von Siemens-Manager Joe Kaeser.

Den rechtspopulistischen Vertretern der AfD ein Forum in Talkrunden zu geben, ist in der ARD ja nicht unumstritten. Sie ignorieren geht angesichts der Umfragewerte aber auch nicht, und ein Anliegen der öffentlich-rechtlichen Journalisten ist es sicher, die AfD-Argumente zu hinterfragen und zu entkräften.

 

Bei der Talkrunde von Caren Miosga am Sonntagabend mit dem AfD-Bundessprecher und Fraktionsvorsitzenden Tino Chrupalla gelang das der Moderatorin nur mittelmäßig. Wesentlich besser punktete gegen den AfD-Mann der als Experte eingeladene Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens Energy sowie von Daimler Truck.

Geld aus Moskau?

Aber zunächst einmal ging es um den Verdacht gegen zwei AfD-Politiker, sie hätten Geld aus russischen Quellen genommen und sich dadurch beeinflussen lassen: den Bundestagsabgeordneten Petr Bystron und den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Ob er da nicht alarmiert und besorgt sei und ob er da Krah ruhigen Gewissens beim Wahlkampfauftakt am Donnerstag in Donaueschingen auftreten lassen könne, wollte Caren Miosga wissen.

Natürlich sei er besorgt, so Chrupalla: „Stand heute aber stelle ich mich hinter die beiden Kollegen.“ Es fehlten Belege und Beweise für die Verdächtigungen, es gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Nur im Falle Bystron habe die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen aufgenommen. Klar sei aber auch, so der AfD-Chef, dass man den käuflichen Erwerb von Meinungen oder Positionen in der AfD nicht dulde. „Es ist nicht schön, wenn da medial vor der Europawahl etwas gegen uns gespielt wird.“ Aber natürlich könne „immer was kommen“. Korrumpierbarkeit in der Politik sei vorhanden, Personen die da mitmachten, „haben in unserer Partei keinen Platz“.

Miosga kritisiert „Frauenverachtung“

Streckenweise konfrontierte Caren Miosga den Hauptgast mit rechtsextremen Ausfällen aus dem Spektrum seiner Partei. So mit einem Plakat aus dem AfD-Landesverband Sachsen, das ein Bild einer „traditionellen Frau“ neben das einer „befreiten Feministin“ stellte, wobei letztere laut Beschriftung „mit 22 schon stolz auf ihre dritte Abtreibung ist“. So etwas sei frauenverachtend, diagnostizierte Caren Miosga: „Das können Sie nicht einfach so wegwischen.“ Chrupalla entgegnete, dies Plakat sei nicht sein Geschmack, es sei überflüssig und es gebe „Überschreitungen“ in allen Parteien.

In dieser Spur und Tonlage ging es dann in der Sendung weiter, als Chrupalla mehrfach mit Statements von Maximilian Krah oder Passagen dessen Buches „Politik von Rechts“ konfrontiert wurde. Da ging es einmal um die „andere Intelligenz“ von Frauen, die es verhindere, dass sie genauso oft wie Männer unter Dax-Vorstandsmitgliedern, Mathe-Professoren oder Nobelpreisträgern zu finden seien. Ein anderes mal um gewisse Kulturen, die zu dumm seien, sich in einem Flughafenterminal in Europa zurecht zu finden, und ein drittes Mal um eine von der Deutschlandradio-Journalistin Nadine Lindner zitierte Buchpassage über einen „Angriff auf das deutsche Sozialsystem“. „Wollen Sie hier jetzt einen Buchclub machen?“ stoppte Chrupalla dann entnervt den Vortrag. Er wisse ja nicht mal, ob Krah das Buch selbst geschrieben habe. Fragen zu dessen Inhalten solle man dem Autor direkt stellen.

Wunsch nach homogener Gesellschaft

Aber Krah sei immerhin „sein“ EU-Spitzenkandidat, bemerkte Nadine Lindner daraufhin: „Sie kommen da nicht raus.“ Es sei ein rhetorisches Muster der AfD-Spitzenkräfte, dass sie bei radikalen Äußerungen von Parteifreunden sich damit herausredeten, sie hätte da mit nichts zu tun. Bei einem Zitat, das Lindner dann brachte, wollte Chrupalla aber gar nicht auf Distanz gehen: „Deutschland muss deutsch bleiben“ hatte die Gruppe der ostdeutschen AfD-Fraktionsvorsitzenden postuliert. Für Lindner ein klarer Fall von Wunsch nach einer gleichförmigen und homogenen Gesellschaft, die sich gegen Vielfalt sperre und Weltoffenheit ausschließe. Für Chrupalla ist der Satz aber ganz in Ordnung: „Wir sind Deutschland. Unsere Identität und Kultur sollen natürlich deutsch bleiben.“

Englisch als Werksprache

Die Weltoffenheit sieht der AfD-Mann sogar in seiner Partei, man habe auch viele Migranten als Wähler. Zuwanderer aus dem europäischen Raum seien „herzlich willkommen“, sofern sie Deutsch lernten, denn die Sprache sei ja eine Vorbedingung für gelingende Integration. Vom Wirtschaftsmann Kaeser kam da Widerspruch, der argumentativ so eng war, dass Chrupalla dann minutenlang geduldig zuhörte. Die Erfolgsformel des deutschen Wohlstandes seien begründet im Export, seien Fachkräften, der Innovation und der gesellschaftlichen Stabilität, so Kaeser.

Zwingend sei es, den Fachkräftemangel zu beheben, sonst drohe ein Wohlstandsverlust. Schon jetzt gebe es 1,7 Millionen offene Stellen, 80 Prozent davon entfielen auf Fachkräfte. Bis 2032 sollen laut Statistik sieben Millionen Menschen in Deutschland in Rente gehen. Mit einer Anhebung der Geburtenrate – wie die AfD es will – ist diese Lücke nicht zu schließen, so Kaeser: „Mehr Kinder kriegen, liebe Frauen“, wie die AfD es vorschlage, das reiche nicht. Ein weltoffenes Deutschland müsse Fachkräfte anlocken. Das Deutsch bei den Fachkräften aus dem Ausland unabdingbar sei, das sieht Kaeser nicht so, Mobilität sei wichtiger: „Bei uns wird in weiten Teilen Englisch gesprochen.“ Auch im Siemens-Werk von Görlitz – wo Chrupallas Wahlkreis ist – sei die Betriebssprache Englisch. Von 31 dort gebauten Turbinen sei übrigens nur eine einzige in Deutschland verkauft worden, der Rest gehe ins Ausland, ein knappes Drittel in die EU – die von der AfD als gescheitertes Projekt kritisiert wird. „Das Ausland guckt auf uns, Herr Chrupalla, zeigen Sie Weltoffenheit!“ Auf Auslandsreisen werde er manchmal von Geschäftspartnern gefragt, ob Magdeburg beispielsweise noch ein „safe place“ sei. Wenn eine Alice Weidel im Bundestag Ausländer als „Kopftuchmädel“ und „Taugenichtse“ verunglimpfe, dann zeichne sie ein Bild von Deutschland, dass man nicht haben wolle. Ein Vertriebsmitarbeiter werde es schwer haben, in der Welt dann ein deutsches Produkt zu verkaufen und internationale Fachkräfte lassen sich so auch nicht gewinnen.

„Migration ins Bürgergeld“

Chrupalla stellte fest, dass die deutsche Wirtschaft gerade „abschmiert“ und eine De-Industrialisierung im Gange sei. Die Migration seit 2015 habe ja kaum Fachkräfte gebracht, meint Chrupalla, die Weltoffenheit Deutschlands werde ausgenutzt für eine „Migration ins Bürgergeld“. In seinem Wahlkreis Görlitz hat der Malermeister Chrupalla zweimal das Direktmandat gewonnen. Nach der Landtagswahl in Sachsen sei es das oberste Ziel, dass „ohne AfD in Sachsen keine Politik gemacht wird.“ Gefragt von Caren Miosga, ob er selbst Ministerpräsidenten-Träume hege und anstelle des sächsischen AfD-Landesvorsitzenden Jörg Urban das Amt anstrebe, beantwortete er ausweichend. Das werde man sehen, wenn es soweit sei. Am Selbstbewusstsein mangelt es dem 49-Jährigen nicht: Er habe einen großen Freundeskreis, auch in anderen Parteien: „Wer mich kennt, der schätzt mich.“