Der Ex-Ausschusschef Ulrich Müller berichtet über seine Kontakte zu Stefan Mappus und dessen Banker – und erntet Erstaunen und Kopfschütteln. Unrechtsbewusstsein zeigte er nur eingeschränkt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ulrich Müller reagierte umso ungehaltener, je länger seine Befragung durch den EnBW-Ausschuss des Landtags dauerte. Es spiele ja wohl keine Rolle, beschwerte sich der frühere Vorsitzende des Gremiums, unter welchen Umständen im Detail er Dokumente an den einstigen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (beide CDU) übergeben habe. Doch seine früheren Kollegen wollten das ganz genau wissen. Er hätte sich nicht vorstellen können, dass ein ehemaliger Minister und ein einstiger Regierungschef sich dazu nachts auf einem Parkplatz träfen, bekannte der SPD-Obmann Sascha Binder.

 

Doch eine solche „Nacht-und-Nebel-Aktion“ (Binder) war es, bei der Mappus vom vermeintlichen Chefaufklärer Müller offizielle Unterlagen des Ausschusses erhielt. Ob ein oder zwei Versionen des zunächst vertraulichen Regierungsberichtes zum EnBW-Deal in dem Umschlag steckten, vermochte der 68-Jährige nicht mit Sicherheit zu sagen. Überhaupt erinnerte er sich nur zögernd und bruchstückhaft an den Vorgang, der in den Fasnetsferien durch Akten aus der Razzia bei Mappus aufflog und zu seinem Rücktritt als Vorsitzender führte. Warum es überhaupt eine direkte Übergabe gab? Er habe vielleicht das Porto von 1,45 Euro sparen wollen, witzelte Müller. Den Termin konnte er nur grob eingrenzen: Es müsse im Februar 2012 an einem Tag gewesen sein, an dem er mit dem Auto in Stuttgart gewesen sei.

Nicht nur das Parkplatz-Treffen sorgte für Kopfschütteln

Jedenfalls hätten er und Mappus vereinbart, sich mit den Wagen entgegenzufahren. Man habe sich auf „einem Parkplatz“ getroffen, der keine Autobahnraststätte gewesen sei – mehr wusste Müller angeblich nicht mehr. Mühsam mussten ihm die Abgeordneten Näheres aus der Nase ziehen: Obwohl eigentlich auf der Heimfahrt nach Ravensburg, sei er in Richtung von Mappus’ Wohnort Pforzheim gefahren. Nach der Übergabe habe man sich noch im Auto unterhalten, vielleicht eine halbe Stunde. Dritte seien nicht dabei gewesen.

Die konspirativen Umstände, folgerten Regierungsabgeordnete, seien wohl Ausdruck seines Unrechtsbewusstseins gewesen. Doch ein solches zeigte Müller vor dem Ausschuss nur eingeschränkt. Gewiss sei es falsch gewesen, Mappus diese und weitere Dokumente zu übermitteln. Doch das Gesetz verbiete eigentlich nur die Weitergabe an die Öffentlichkeit, nicht an Zeugen. Ihm sei es um „Fairness“ gegangen, weil Mappus den gleichen Wissensstand wie die Medien haben sollte, die aus dem Ausschuss heraus regelmäßig gefüttert worden seien: „Löchrig wie ein Schweizer Käse“ sei das Gremium gewesen.

Nicht nur das Parkplatz-Treffen sorgte für Kopfschütteln bei der zehnstündigen Marathon-Sitzung des EnBW-Ausschusses. Mit Erstaunen erfuhren die Abgeordneten auch, dass Müller neben seiner offiziellen Rolle „Parallelermittlungen“ (so der Grünen-Obmann Ulrich Sckerl) geführt hatte. Wie ein „Radarschirm“ habe er nach allen Seiten Ausschau gehalten, erläuterte der CDU-Mann. Auch den Kontakt zum Investmentbanker Dirk Notheis, der ihm gegenüber einen „vorwurfsvollen Unterton“ anschlug, habe er zur Recherche genutzt: Ob Notheis ihm nicht zu der Schiedsklage verhelfen könne, mit der das Land einen Teil des Kaufpreises von der EdF zurückfordert? Einige Wochen später sei die Klageschrift ohne Absender in seinem privaten Briefkasten gelegen.

Müller hat schon im Dezember gebeichtet

Für die Frage, ob Mappus zu viel bezahlt habe, gab sie nach seiner Einschätzung nichts her – deshalb sei der Ausschuss nicht informiert worden. Anonym spielte Müller das Dokument an die CDU-Fraktion weiter, die es vorsorglich von Anwälten auf seine Echtheit prüfen ließ. Erst viel später erfuhren die Kollegen, wer ihnen die Klageschrift wie verschafft hatte. Im Meinungskampf gegen die Regierung, versicherten sie, habe man sie aber nicht eingesetzt.

Die Weitergabe der Unterlagen selbst war für Müller übrigens kein Rücktrittsgrund. Deshalb habe er nicht schon Konsequenzen gezogen, als es im vorigen Sommer die Durchsuchung bei Mappus gab – und auch die verräterischen Dokumente gefunden wurden. Er habe nur den „falschen Anschein“ vermeiden wollen, in seiner Aufklärungsarbeit beeinträchtigt zu sein – und der sei erst mit dem Bekanntwerden des Vorgangs aufgekommen. Vom Lob, das er für seine Arbeit erhalten habe, sei nichts zurückzunehmen.

Schon im Dezember hatte Müller dem CDU-Fraktionschef Peter Hauk übrigens gebeichtet, Vermerke der Fraktion an Mappus weitergeleitet zu haben. Der war nach eigenem Bekunden zwar nicht amüsiert, sah darin aber noch keinen Rücktrittsgrund. Als Hauk an Aschermittwoch erfuhr, dass auch Ausschussdokumente weitergereicht worden waren, war das Maß für ihn voll – er empfahl Müller abzutreten. Die gleiche Konsequenz zog der CDU-Obmann Volker Schebesta, der Mappus ebenfalls Unterlagen übermittelt hatte und mit ihm mehrfach per SMS korrespondierte.