Die Ostsee ist schon seit langem nicht im allerbesten Zustand. Trotz zahlreicher Maßnahmen in den vergangenen Jahren wird die ökologische Situation des Binnenmeeres zunehmend kritischer, wie eine neue Studie zeigt. Ein Überblick über die drängendsten Umweltprobleme des „Mare Balticum“.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die Ostsee ist das Lieblingsmeer der Deutschen und eines der Hauptreiseziele von Urlaubern aus Deutschland und den Anrainerstaaten. Doch das Baltische Meer, wie es international nach seinem lateinischen Namen „Mare Balticum“ genannt wird, befindet sich in einem sehr kritischen Zustand.

 

Der Zustand des Binnenmeeres hat sich in den vergangenen Jahren kaum bis gar nicht verbessert. Das zeigt ein am Dienstag (31. Oktober) veröffentlichter Bericht der Kommission für den Schutz der Meeresumwelt der Ostsee – auch bekannt als Helsinki-Kommission (Helcom).

Demnach stehe das Ökosystem der Ostsee durch den Verlust der Artenvielfalt sowie durch menschliche Einflüsse unter enormem Druck. Aus dem Bericht, der den Zustand der Ostsee im Zeitraum von 2016 bis 2021 beleuchtet, geht aber auch hervor, dass regionale Maßnahmen Wirkung zeigen könnten.

Kaskade an Kipppunkten

Zu den größten Gefahren für das Ökosystem der Ostsee zählen dem Bericht zufolge Überfischung, Verschmutzung sowie die Anreicherung von Nährstoffen, zum Beispiel aus Abwässern oder von stark gedüngten landwirtschaftlichen Flächen. Auch der Klimawandel wirke sich zunehmend auf die Ostseeregion aus, heißt es weiter. Er führe zu steigenden Wassertemperaturen, einer geringeren Eisbedeckung und einer Zunahme extremer Wetterereignisse.

In einigen Teilen der Ostsee sei die Verschmutzung des Meeres dank regionaler Absprachen reduziert worden, in den meisten Regionen habe sich aber kaum etwas verbessert. Vor der deutschen Ostseeküste beispielsweise haben es einige Tierarten dem Bericht zufolge schwer. So sei die Situation für Wasservögel in der Kieler Bucht und in der Mecklenburger Bucht sowie im Arkona-Becken, in dem die Insel Rügen liegt, sehr schlecht. Im Arkona-Becken steht demnach auch die Schweinswal-Population unter Druck.

Ist die Ostsee noch zu retten?

Auch deutsche Forscher waren an dem Helcom-Bericht beteiligt, unter anderem Jan Dierking vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Viele Spezies sind Mehrfach-Stress durch den Klimawandel und andere menschliche Einflüsse ausgesetzt“, erklärt der Meeresökologe. „Nur eine Kombination von Maßnahmen kann helfen, marine Lebensräume zu verbessern und die einzigartige Biodiversität dieser Region zu schützen, auf die viele Menschen angewiesen sind.“

Einer Studie des Stockholm Resilience Centre (SRC) der schwedischen Stockholm University zufolge schneidet das Binnenmeer recht gut beim küstennahen Fischbestand sowie bei den Lebensgrundlagen und wirtschaftlichen Bedingungen der Anrainer ab.

Deutlich schlechter sieht es dagegen bei der Verunreinigung mit Schadstoffen, den Schutzgebieten, der Eutrophierung sowie Biodiversität und Kohlenstoffsenken aus.

Nachbesserungsbedarf sieht der Meeresbiologe Thorsten Blenckner vom SRC vor allem bei neuen Giftstoffen. Während die Situation bei alten Schadstoffen wie etwa Dioxin langsam besser werde, würden neuere teils noch gar nicht gemessen.

Wie hoch ist die Belastung durch Schadstoffe?

Laut Nitratbericht 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist die sogenannte Eutrophierung – also die menschengemachte Anreicherung von Nährstoffen im Meer – weiterhin eines „der größten ökologischen Probleme für die Meeresumwelt der deutschen Ostseegewässer“. In der Ostsee seien die Nitratkonzentrationen küstennah und insbesondere in der Nähe der Flussmündungen am höchsten.

Wie steht es um die Artenvielfalt in der Ostsee?

Die Helsinki-Kommission warnt zudem, dass die Biodiversität der Ostsee besorgniserregend ist: kein guter Zustand für die Lebensräume des Freiwassers und des Meeresbodens, kein guter Zustand für die meisten kommerziellen Fischbestände und die Wasservögel, kein guter Zustand für Robben und Schweinswale. Von 173 untersuchten Arten sind der Kommission zufolge 100 in die höchsten Gefährdungsklassen eingeordnet.

Info: Ostsee

Größe
Die Ostsee hat – inklusive Kattegat – eine Fläche von 412 500 Quadratkilometern (ohne Kattegat 390 000 Quadratkilometern). Die maximale Tiefe beträgt 459 Meter, die mittlere Tiefe 52 Meter.

Entstehung
Das Binnenmeer entstand am Ende der letzten Eiszeit – der sogenannten Weichsel-Kaltzeit – vor etwa 12000 Jahren nach dem Abschmelzen der riesigen Gletschermassen.

Salzgehalt
Der Salzgehalt der Ostsee nimmt von West nach Ost ab. Er schwankt im Westen zwischen 3 Prozent und 1,9 Prozent,. Im nordöstlichen Teil beträgt er nur noch zwischen 0,5 bis 0,3 Prozent. Der Salzgehalt an der Ostküste Schleswig-Holsteins beträgt 1,5 bis 1,9 Prozent. Zum Vergleich: Der Salzgehalt der Nordsee liegt bei 3,5 Prozent.

Ostsee-Länder
Zu den sieben Anrainer-Staaten der Ostsee zählen Deutschland, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden.

Tourismus
Laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts im Jahr 2022 unter der deutschsprachigen Bevölkerung fahren pro Jahr etwa sechs Millionen Menschen mindestens einmal innerhalb von zwölf Monaten an die Ostsee, um dort Urlaub zu machen.