Der Koalitionspartner CDU verlangt von Kretschmann ein Ja zur Einstufung der Maghrebstaaten als sichere Herkunftsländer. Ein nachhaltiges Zerwürfnis mit den Grünen im Bund ist auch im Fall einer Zustimmung des Südwestens kaum zu erwarten.

Stuttgart - Wird Baden-Württemberg am Freitag im Bundesrat der Einstufung der Maghrebstaaten als sichere Herkunftsländer zustimmen oder nicht? Diese Frage hat zur ersten ernsthaften Auseinandersetzung in der jungen grün-schwarzen Koalition geführt. Die Antwort will Winfried Kretschmann (Grüne) kurzfristig geben. Aller Voraussicht nach, wird es auf ein Ja hinauslaufen. Diese Erwartung bekräftigt indirekt Cem Özdemir, der Bundesparteichef der Grünen. Er lässt sich mit der Einschätzung zitieren, er rechne mit einer Einigung im Stuttgarter Koalitionsstreit.

 

Am Montagnachmittag kamen Kretschmann und der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl (CDU) zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammen. Strobl war erkennbar bemüht, Druck aus der koalitionsinternen Debatte zu nehmen. Kurz vor dem Gespräch mochte der CDU-Landesvorsitzende öffentlich nicht einmal mehr seine Erwartungen an das Treffen formulieren. „Die CDU hat eine klare Position, die Erwartungen sind hinreichend beschrieben“, war alles, was Strobl zu der bevorstehenden Unterredung sagte.

Strobl erwartet Treue zum Koalitionsvertrag

Schon vor Tagen hat der Innenminister aber keine Zweifel daran gelassen, was die CDU wünscht: „Der Koalitionsvertrag ist kaum vier Wochen alt und die Tinte ist praktisch noch feucht – da gehe ich schon davon aus, dass alle vertragstreu sind“, hatte Strobl vergangene Woche gesagt. Grüne und CDU haben sich im Koalitionsvertrag festgelegt. Darin heißt es, dass Baden-Württemberg zustimmen werde, die Staaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, „falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“.

Kretschmann hat lange gezögert, sich intensiv informiert. Er sei im ständigen Gespräch mit Beratern, habe auch weitere Informationen des Auswärtigen Amtes eingeholt, hieß es an diesem Montag aus dem Staatsministerium. Für Wolfgang Reinhart, den Chef der Landtags-CDU sind die Grünen „verpflichtet, im Bundesrat zuzustimmen“. Er betont, „es existieren keine Hürden, die ein Verweigern rechtfertigen“. Die Haltung der Bundesregierung, die Staaten als sicher einzustufen, sehen die Befürworter gedeckt durch die verfassungsmäßigen Vorgaben.

Probleme für Homosexuelle

Das sehen viele Grüne anders. Menschenrechtsverletzungen, besonders der Umgang mit Homosexuellen in den Maghreb-Staaten steht ganz oben auf der Liste der Bedenken. Dennoch ist der Druck auf Baden-Württemberg von den Bundesgrünen dieses Mal bei weitem nicht so hoch, wie bei der ersten Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Im Jahr 2014 stimmte Kretschmann zu, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien für sicher zu erklären. Die Zustimmung Baden-Württembergs reichte damals zu einer Mehrheit, die Grünen waren empört. Dieses Mal ist eine Mehrheit im Bundesrat zumindest gegenwärtig nicht zu erwarten, unabhängig davon, wie Baden-Württemberg entscheidet. Inzwischen sind die Grünen an zehn der 16 Landesregierungen beteiligt. Um eine Mehrheit zu erreichen, müssten mindestens drei dieser Länder für das Vorhaben der Bundesregierung stimmen. Im Moment sieht es nicht danach aus, als könnte dieser Fall eintreten. Außer, die Bundesregierung könnte bis Freitag noch einzelne Länder zur Zustimmung bewegen. Dabei könnte hilfreich sein, Homosexuellen ein gesichertes Anhörungsverfahren zu garantieren. Dann würde es wohl auch Kretschmann leichter fallen, im Interesse des grün-schwarzen Koalitionsfriedens zu entscheiden. Gleichzeitig nimmt es in der Grünen-Partei Baden-Württemberg aus dem Fokus.

Anhaltendes Zerwürfnis nicht zu erwarten

Aufruhr bei den Grünen ist im Falle einer Zustimmung Kretschmanns nicht ausgeschlossen. Doch ist ein anhaltendes Zerwürfnis dieses Mal nicht zu erwarten. Vor zwei Jahren wetterte die Bundespartei, Bundeskanzleramt und Stuttgarter Staatskanzlei hätten geradezu gekungelt. Kretschmann habe die eigenen Reihen im Stich gelassen. Dieses Mal zeigen sich auch Berliner Skeptiker zufrieden mit der inhaltlichen Auseinandersetzung. Kretschmann habe sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt und die Argumentation auf Plausibilität geprüft. Das könnte zur weiteren Beschwichtigung beitragen.

Außerdem betonen Gegner wie Befürworter des Gesetzentwurfs, dass auch jeder Migrant aus einem sicheren Herkunftsstaat Anspruch auf eine Prüfung seines Asylantrags hat. Gerade bei Homosexuellen aus den Maghrebstaaten kann das entscheidend sein. Ablehnungen könnten lediglich leichter begründet werden. Schon jetzt werden zum Teil weniger als ein Prozent der Flüchtlinge aus Marokko, Algerien und Tunesien als Asylbewerber anerkannt.