In der „Trauzeugen-Affäre“ ist Wirtschaftsminister Habeck und sein Architekt der Energiewende befragt worden. Einige Fragen bleiben offen.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Ausschusssitzungen des Bundestags sorgen in der Regel nicht für großes Aufsehen. Anders am Mittwoch. Dort wurde der Fall verhandelt, der inzwischen unter dem Namen „Trauzeugen-Affäre“ bekannt geworden ist. Der Vorwurf: Als ein neuer Chef der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (dena) gesucht wurde, hat Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und Teil der Findungskommission für die Position, nicht erwähnt, dass ein aussichtsreicher Bewerber sein Trauzeuge war. Dieser Michael Schäfer setzte sich auch durch. Inzwischen ist klar, er wird den Posten nicht antreten. Der Auswahlprozess beginnt erneut.

 

Die Frage bleibt: Hat Graichen seinen Freund unfair bevorteilt, als es um den lukrativen Posten ging? Und: Was wusste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)? Das Ministerium sagt, Graichen habe Habeck erst am 24. April über die enge Freundschaft zu Schäfer informiert. Drei Tage, nachdem der Vertrag unterzeichnet worden war.

Opposition fordert Rücktritt

Für die Opposition liegt der Fall klar. CDU-Chef Friedrich Merz und Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderten den Rücktritt von Graichen oder sogar den Habeck, wenn dieser Graichen nicht entlasse. Bei den Grünen ist man durchaus nervös, schließlich ist Graichen nicht irgendwer. Er soll das zentrale Vorhaben der Partei in dieser Regierung umsetzen: die Energiewende. Sollte er im Zuge der Affäre fallen, wäre das ein schwerer Schlag für Habeck.

Bevor es zum Showdown im Ausschuss kam, ging es erstmal um Verfahrensfragen. Was langweilig klingt, kann entscheidend sein. Die Obleute der Koalition entschieden vorab, dass der Ausschuss für Klimaschutz und Energie und der Wirtschaftsausschuss gemeinsam tagen. Dort sollten Habeck und Graichen gemeinsam befragt werden. Man habe Angst gehabt, dass sich Minister und Staatssekretär widersprechen, wenn sie getrennt befragt würden, hieß es von der Union. Sie protestierte und stimmte dagegen, konnte daran aber nichts ändern. Weil der ursprüngliche Sitzungssaal zwei Ausschüssen nicht genug Platz bot, wählte man einen ungewöhnlichen Tagungsort, den Fraktionssaal der SPD.

Zu Beginn der Befragung sprach sich Habeck dafür aus, dass öffentlich getagt werden soll: „Hätte mich gefreut, wenn Öffentlichkeit hätte teilhaben können“, sagte er. Diesem Wunsch nach Transparenz folgte aber offenbar ausgerechnet die Ampel-Koalition nicht und stimmte dagegen. Ein komplettes Wortlautprotokoll soll aber in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.

Im Ausschuss zeichnete sich laut Teilnehmern folgende Verteidigungslinie ab: Es sei ein Fehler passiert, der aber rechtzeitig erkannt wurde und nun „geheilt“ werde, wie Habeck es ausdrückt. Graichen selbst schrieb nach der Sitzung auf Twitter: „Ich habe bei dem Besetzungsverfahren der dena-Geschäftsführung einen Fehler gemacht, den ich sehr bedaure und bereue.“ Er hätte sich aufgrund von Schäfers Kandidatur aus der Findungskommission zurückziehen müssen.

Außerdem versuchten die Grünen, die Angriffe gegen Graichen so darzustellen, als handele es sich um einen generellen Angriff auf seinen Kurs in der Klimapolitik. Ein Strohmann-Argument, das mit den Vorwürfen der Vetternwirtschaft gegen Graichen im Kern nichts zu tun hat. Tatsächlich argumentierte auch Julia Klöckner (CDU), wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, ähnlich: Sie kritisierte die engen Beziehungen zwischen Think-Tanks und Entscheidern im Ministerium.

Habeck stellt sich hinter Graichen

Hat dieser Tag über die Zukunft von Graichen entschieden? Minister Habeck stellte sich nach der Ausschusssitzung jedenfalls hinter seinen Staatssekretär. „Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss“, sagte er. Allerdings sagte er auch, dass es eine beamtenrechtliche Prüfung im Ministerium geben werde, ob Graichen gegen Compliance-Vorgaben verstoßen hat. In der anschließenden Debatte im Plenum zu dem Thema, stellten sich auch einige Abgeordnete von SPD und FDP auf die Seite von Habeck.

Offene Fragen gibt es allerdings weiterhin: Offenbar ist der bereits unterschriebene Vertrag der dena mit Schäfer derzeit noch in Kraft. Unklar ist also auch, ob der Anspruch auf Entschädigung hat, weil er seine Stelle nicht antreten kann. Ungeklärt ist auch noch, wie explizit sich Graichen für in den verschiedenen Stufen des Bewerbungsverfahrens aussprach. Die Union kündigte an, es solle eine weitere Sitzung geben, dann in aller Öffentlichkeit.