Mehr als zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen. Auch das Wetter spielt dabei eine Rolle. Medikamente stellen die klassische Behandlungsmethode dar, aber auch eine kombinierte Therapie ist oft sinnvoll.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Manchester - Es scheint mehr zu sein als ein volkstümlicher Glaube: Einer Studie zufolge kann schlechtes Wetter das Schmerzempfinden von Menschen mit chronischen Schmerzerkrankungen wie Arthritis verstärken. Das erklären Forscher aus Großbritannien in einer am Donnerstag im Fachmagazin „npj Digital Medicine“ veröffentlichten Studie.

 

Demnach berichteten Studienteilnehmer an Tagen mit höherer Luftfeuchtigkeit, niedrigerem Luftdruck und heftigem Wind von stärkeren Schmerzen. Der Zusammenhang blieb auch bestehen, wenn die Forscher weitere Faktoren wie die Gemütslage und körperliche Aktivität der Teilnehmer berücksichtigten.

Wetter-Prognosen für Schmerzpatienten

Über einen Zeitraum von ein bis 15 Monaten hielten rund 2600 Teilnehmer aus ganz Großbritannien mittels einer App die Intensität ihrer Schmerzen fest. Durch die GPS-Ortungsfunktion der Handys wurden die örtlichen Wetterdaten ermittelt. Den größten messbaren Effekt hatte demnach die relative Luftfeuchtigkeit.

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Trotz zahlreicher Studien dazu, ob und inwiefern eine Beziehung zwischen Wetter und Schmerzen besteht, gebe es bislang keinen Konsens zu dem Thema, erklärte das Team um William Dixon von der University of Manchester. Gründe dafür seien unter anderem kleine Stichprobengrößen oder die kurze Dauer der bisherigen Studien.

Dank der neuen Erkenntnisse könnte es in der Zukunft möglich sein, auf der Basis von Wettervorhersagen „Schmerzprognosen“ für Betroffene zu erstellen, so die Forscher. Dies könne es den Patienten helfen, ihre Pläne entsprechend zu gestalten und anzupassen.

Zwölf Millionen chronische Schmerzpatienten in Deutschland

Nach Angaben der Deutschen Schmerzgesellschaft leiden in Deutschland schätzungsweise zwölf Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen.

„Sie berichten über so häufige und anhaltende Schmerzen über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten, dass sie nach der Definition der Internationalen Schmerzgesellschaft zur Gruppe der Patienten mit chronischen Schmerzen gehören“, erklärt der Neurologe Thomas R. Tölle, der Geschäftsführender Oberarzt des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerztherapie am Klinikum rechts der Isar in München ist.

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Schmerzen haben eine wichtige Warn- und Signalfunktion: Sie machen aufmerksam auf vorübergehende Gesundheitsstörungen. Wenn akute Schmerzen immer wiederkehren und über längere Zeit andauern, handelt es sich um chronische Schmerzzustände. Wie Schmerzen behandelt werden, zeigt die folgende Übersicht:

Pharmakotherapie

Arzneimittel stellen die klassische Behandlungsmethode bei Schmerzen dar. Medikamente gegen Schmerzen bezeichnet man auch als Analgetika. Dabei werden verschiedene Substanzklassen mit unterschiedlichem Wirkgrad und Nebenwirkungen eingesetzt:

Nicht-Opioid-Analgetika

Hierzu gehören beispielsweise Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Paracetamol oder Ibuprofen (wirkt schmerzdämpfend, entzündungshemmend und fiebersenkend).

Opioid-Analgetika

Diese werden in stark wirksame Mittel (beispielsweise Oxycodon, Pethidin, Hydromorphon, Fentanyl, Buprenorphin, Morphin oder Piritramid) und schwach wirksame Opioide ( wie etwa Tramadol, Tilidin oder Codein) unterschieden.

Adjuvante Analgetika

Diese „Hilfsmedikamente“ werden bei einer Schmerztherapie begleitend und ergänzend eingesetzt und sollen die Schmerzursache beeinflussen.

Hierzu gehören Antidepressiva (wie etwa Amitriptylin), Neuroleptika (Psychopharmaka, die eine sedierende – das heißt beruhigende und dämpfende – sowie antipsychotische – also den Realitätsverlust bekämpfende – Wirkung besitzen) und Antikonvulsiva (Arzneimittel zur Behandlung von epileptischen Anfällen wie zum Beispiel Pregabalin – Handelsname Lyrica – sowie Carbamazepin oder Gabapentin).

WHO-Stufenschema

Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) in Genf hat ursprünglich für die Tumortherapie ein dreistufiges Stufenschema entwickelt, nach dem Ärzte chronische Schmerzen behandeln sollen. Es unterscheidet zwischen leichten, mittelstarken und starken bis sehr starken Schmerzen.

Der behandelnde Arzt muss die Schmerzstärke vor Therapiebeginn richtig einschätzen. Dafür gibt es sogenannte Schmerzskalen – wie die Visuelle Analog Skala (VAS) –, welche zur Erfassung und Dokumentation von Schmerzen dienen. Der Patient kann sein Schmerzempfinden mit Hilfe einer Richterskala von 0 bis 10 0 (0 = keine Schmerzen; 10 = stärkste vorstellbare Schmerzen) selbst messen.

Wichtig ist zudem die regelmäßige Kontrolle, um die Medikamentendosis optimal anzupassen. Der Patient erhält die Arzneien nach einem festen Zeitschema, um so für einen gleichmäßigen Blutspiegel und eine kontinuierliche Schmerzfreiheit zu sorgen. Die Therapie baut auf drei Stufen auf:

Stufe 1: Bei leichten Schmerzen Einsatz von nicht-opioiden Analgetika und Hilfsmedikamenten.

Stufe 2: Bei mittelstarken Schmerzen Einsatz schwacher Opioide, eventuell zusätzlich Nicht-Opioid-Analgetika und Hilfsmedikamente.

Stufe 3: Bei starken Schmerzen Einsatz von starken Opioiden, zusätzlich eventuell Nicht-Opioid-Analgetika und Hilfsmedikamente.

Nach Aussage von Schmerzmedizinern macht die Einnahme von Opioiden nicht zwangsläufig süchtig. Bei richtiger Anwendung und Dosierung sei eine Opioid-Abhängigkeit nahezu ausgeschlossen. Am Ende der Behandlung wird die Dosis ausgeschlichen und langsam verringert, damit sich der Organismus an die Umstellung gewöhnen kann.

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Multimodale Therapie

Bei der multimodalen Schmerztherapie – einem kombinierten Behandlungskonzept – wird ein chronischer Schmerzpatient über einen Zeitraum von mehreren Wochen interdisziplinär behandelt. Medizinische, physiotherapeutische und psychologische Behandlungsmethoden werden hierbei miteinander kombiniert. Experten aus verschiedenen Fachdisziplinen wie Ärzte, Physiotherapeuten, Psychologen und Pflegekräfte arbeiten unter ärztlicher Leitung nach einem standardisierten Behandlungsplan zusammen.