Zahlreiche Energieunternehmen bewerben ihre Produkte als „klimaneutral“. Oft stecken dahinter zweifelhafte Projekte. Die Deutsche Umwelthilfe geht nun gegen Gasversorger vor.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

An diesem Dienstag erhalten 15 Gasversorger Post von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit der Forderung, das von ihnen vertriebene Erdgas nicht länger als „klimaneutral“ oder ähnlich zu bewerben. Alle Versorger, darunter Eon, Lekker und Logo Energie, behaupten, die beim Verbrennen von Gas entstehenden Emissionen mit Waldschutz- und Kochofenprojekten zu kompensieren – also andernorts auf der Welt CO2 einzusparen. „Wir können belegen, dass diese Projekte nicht die behauptete Kompensationsleistung erbringen“, sagt ein DUH-Sprecher.

 

Seit Februar 2022 geht der Verein mit Sitz in Hannover und Geschäftsstelle in Radolfzell (Kreis Konstanz) gegen dieses sogenannte Greenwashing vor. „Das Werbeversprechen der Klimaneutralität ist vielfach Verbrauchertäuschung“, sagte der Geschäftsführer Jürgen Resch damals. Seither wurden Gerichtsverfahren gewonnen (gegen Total Energies) und Unterlassungserklärungen unterzeichnet, etwa von den Drogerieketten Rossmann und dm, dem Fußballverein 1. FC Köln oder dem Büromaterialhersteller Faber-Castell.

Demnächst auch gegen Südwest-Versorger

Nun hat sich die DUH Gasversorger vorgenommen. Der Sprecher zeigt sich optimistisch: „In unseren Klimaklagen gegen falsche Klimaneutralitätsversprechen bestätigen uns Gerichte immer wieder, dass Waldschutzprojekte schon wegen ihrer kurzen Laufzeit nicht geeignet sind, eine tatsächliche Kompensation zu erreichen – zuletzt gegen Eurowings.“ Die Fluggesellschaft erklärt seither nicht mehr, dass bei ihr „klimaneutrales“ Fliegen möglich sei. Die jetzt abgemahnten Gasversorger werben ebenfalls mit Klimaneutralität für ihre Gastarife – noch.

DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch kündigt für Mai weitere Verfahren gegen Versorger auch aus Baden-Württemberg an – unter anderem gegen solche, die CO2 -Gutschriften aus dem Wasserkraftprojekt im nordindischen Malana bezogen und zugleich „klimaneutrale“ Erdgastarife beworben haben. „Nur in dieser Kombination können wir rechtlich dagegen vorgehen“, sagt Resch.

Welche Unternehmen sich auf Post von der DUH einstellen müssen, verrät er nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass sie zu jenen rund 100 Anbietern gehören, deren Praktiken das Recherchenetzwerk Correctiv unter die Lupe genommen hat. Unabhängig von etwaigen Rechtsverstößen halte die DUH „jegliche Werbung mit angeblichen Klimakompensationen bei dem benannten Wasserkraftwerk für verwerflich“, sagt Jürgen Resch.

EU ist bereits aktiv

Der Kampf gegen „grüne“ Werbung wird nicht nur vor Gerichten und in Abmahnschreiben ausgefochten, sondern auch auf europäischer Ebene. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission ergab 2020, dass 80 von 150 untersuchten Produkten mit vagen, irreführenden oder unbegründeten Aussagen zu den Umwelteigenschaften versehen waren. Darauf reagierte die EU mit der im Februar unterzeichneten Richtlinie gegen Greenwashing.

Daran knüpft die derzeit in der Abstimmung befindliche weitere „Green Claims“-Richtlinie an, die solche bislang unregulierten umweltbezogenen Werbeaussagen mit verbindlichen Kriterien regeln soll. Unternehmen sollen künftig wissenschaftliche Erkenntnisse beachten und Werbeslogans daran anpassen müssen. Auch ein in der EU einheitliches Umweltzeichen ist vorgesehen. Heftige Strafen drohen Unternehmen, die gegen die neuen Regeln verstoßen, und Verbraucherschützer sollen rechtlich dagegen vorgehen dürfen. Es wird eng für die Behauptung vom „klimaneutralen“ Gas.