Seit einigen Jahren sind sie auch an den Stuttgarter Gewässern heimisch und vermehren sich munter: Nilgänse. Ein Gänsemanagement soll nun klären, ob die Ausbreitung andere Tiere gefährdet und ob die Nilganspopulation ausgedünnt werden muss.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Wo Wasser ist, sind auch die Nilgänse nicht weit. Ob am Max-Eyth-See, im Hohenheimer Park oder am Rosentalsee und Feuersee in Stuttgart-Vaihingen. Die Grünflächen am Ufer sind nur noch schwer als solche zu erkennen. „Kaum wächst ein junger Halm, wird er abgefressen“, berichtet Hans-Ulrich Schiel. Der Vaihinger lebt nahe der Seen und beobachtet die Nilgänse, die immer wieder in großer Zahl im Rosental auftauchten. Aktuell auch mit Jungtieren. Bis zu acht Gössel – so werden die jungen Gänse genannt – scharten sich um ein Muttertier, sagt Schiel. Die flauschigen Jungtiere lockten freilich viele an, die sie fotografierten. „Sie sind ganz entzückend“, findet auch Schiel. Dennoch, sagt er, es seien zu viele. Er spricht von einer Nilgans-Plage.

 

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Auch vor dem Freibad machen die Tiere nicht halt. Sie weiden am satten Grün und schwimmen sogar in den Becken – ganz gleich, ob Badegäste darin sind oder nicht. Und wo die Tiere fressen, hinterlassen sie Kot. Dort, wo sie das Gras abweiden, entstünden nach Regen regelrechte Schlammwüsten, sagt Schiel. „Das macht das Betreten der Flächen unmöglich.“ Zwar seien auch Stockenten an den Seen im Rosental, doch in denen sieht der Vaihinger weniger ein Problem, sie seien vor allem im Wasser. „Die Nilgänse sind viel invasiver im Gelände“, sagt Schiel. Wie viele Gänse es aktuell sind, lasse sich schwer abschätzen. „Mal sind sie in großer Zahl da, dann fliegen sie wieder davon.“

Die Nilgänse vermehren sich munter

Die Tiere vermehrten sich rasant. „Das Problem wächst sich aus“, sagt Schiel. Das sieht auch die Stadt Stuttgart so und will ein Gänsemanagement einführen. Gespräche laufen zwischen Regierungspräsidium Stuttgart (RP), Landesjagdverband Baden-Württemberg, Stadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz, Veterinärbehörde und Kreisjagdamt. Allerdings steht das Gänsemanagement noch „ganz am Anfang“, sagt Josephine Palatzky, eine Sprecherin des Regierungspräsidiums.

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Dem Vaihinger Anwohner dauert die Abstimmung zwischen den zuständigen Behörden und Ämtern zu lang. Er fürchtet, dass das Problem auf die lange Bank geschoben wird, „und da bleibt, bis es sich alleine erledigt. Aber das wird hier nicht passieren“, sagt Schiel.

Geschossen werden dürfen Tiere in befriedeten Bereichen nicht

Das RP bestätigt, dass die Nilgans zu den invasiven Arten zähle. „Allerdings ist die Art bereits weit verbreitet, und wann Maßnahmen ergriffen werden, ist stets im Einzelfall abzuwägen“, sagt Palatzky. Von Seiten der höheren Naturschutzbehörde, die unter anderem für invasive Arten zuständig ist, sei ein Eingreifen nur dann erforderlich, wenn Beeinträchtigungen der heimischen Biodiversität festgestellt würden. Eine Bejagung mit Schusswaffen sei innerorts in befriedeten Bereichen grundsätzlich nicht möglich. „Aufgrund der speziellen Lebensweise der Nilgänse sind Maßnahmen, die bei anderen Gänsearten effektiv wären, nicht umsetzbar. Die Bekämpfung der Nilgänse wird daher sehr zeit- und kostenaufwendig werden“, so die Sprecherin.

Das RP erklärt, dass Gänse anderer Arten meist einmal im Jahr brüteten, und innerhalb der Gänsekolonien Brut- und Mauserzeit aufeinander abgestimmt seien. Die Vögel zögen etwa zeitgleich ihre Gössel auf und wechselten anschließend ihr Federkleid. „Während der Vollmauser sind die Tiere flugunfähig und können daher leicht gefangen werden. Bei heimischen Arten wird dies zum Beispiel genutzt, um die Vögel zu beringen“, sagt Palatzky. Nilgänse hingegen hätten keine aufeinander abgestimmte Brut- und Mauserzeit, die Tiere seien also zu unterschiedlichen Zeiten flugunfähig und fangbar. Zudem legten sie ihre Nester nicht nur am Boden an wie andere Gänse, sondern zum Beispiel auch in Erdlöchern, auf Bäumen sowie in und auf Gebäuden. „Ein Zugriff auf die Nester ist daher kaum möglich.“

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Um Ressourcen zu schonen und gezielt einzusetzen, werde in einem ersten Schritt zunächst geprüft, wie groß der negative Einfluss der Nilgänse auf die heimische Biodiversität ist und wo sich die größten Probleme durch die Art ergeben. „Je nach Ergebnis folgt daraus in einem zweiten Schritt die Erarbeitung einer Managementkonzeption. Zum jetzigen Zeitpunkt steht allerdings noch nicht fest, ob überhaupt Maßnahmen ergriffen werden und wenn ja, welche“, betont Palatzky.

Beringung der Gänse dient der Erforschung

Hans-Ulrich Schiel hat beobachtet, dass einige der ausgewachsenen Gänse beringt sind, also schon einmal gefangen worden sind. „Ich verstehe nicht, warum man sie dann nicht einbehält“, sagt der Vaihinger. Die Beringung von Wildvögeln diene Forschungszwecken, erklärt das RP. Die Populationsverbreitungen könnten so nachvollzogen werden. „Die Beringung von Nilgänsen dient damit dem Kenntnisgewinn darüber, wo die Tiere vorkommen, wie weit sie fliegen und wie schnell sie sich verbreiten. Diese Informationen dienen dazu, die Gefährdung durch diese Art einschätzen zu können und sind gerade für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen gegen eine Ausbreitung der Nilgans als geeignet und erforderlich in Betracht kommen, von hoher Relevanz“, sagt Palatzky.