Ohne Termin in ein Stuttgarter Bürgerbüro gehen heißt oft: früh kommen und lange anstehen – wenn man eine Wartemarke kriegt. Exklusive Daten zeigen, dass die teilweise nach Minuten vergriffen sind. Doch es gibt Bürgerbüros, in denen es besser läuft.

Im Bad Cannstatter Bürgerbüro müssen die Bürger schnell sein, wenn sie bedient werden wollen. Vom morgendlichen Ausgabestart an bleibt in Stuttgarts größtem Stadtbezirk derzeit etwa eine halbe Stunde, ehe die Wartemarken für den Vormittag aus sind und man sich nicht mehr für einen neuen Pass oder Meldeschein anstellen kann. Selbst das ist schon ein Fortschritt: Im Juli waren die Marken noch deutlich schneller vergriffen, so wie in vielen anderen Stuttgarter Bürgerbüros. Das zeigt erstmals unsere Auswertung von Daten der städtischen „Echtzeit-Ampel“.

 

Das Onlineangebot richtete die Verwaltung im vergangenen Herbst ein, weil die Wartezeiten in den Bürgerbüros schier endlos schienen. Die Ampel zeigt unter anderem, wann alle Wartemarken vergeben sind. Und seitdem verschlechterte sich der Wert Monat für Monat. Im November letzten Jahres gab es im Schnitt noch drei Stunden nach Beginn der Ausgabe in so gut wie allen Bürgerbüros Wartemarken, im Juli diesen Jahres war bereits nach einer Stunde alles weg. Im September hat sich die Lage wieder gebessert.

Die Daten geben erstmals ein systematisches Bild von der Lage in den Bürgerbüros. Möglich wird das, weil Marc Höfling sie seit November 2022 ständig mitgeschnitten hat. Der 30 Jahre alte Softwareentwickler verstand das anfangs als „kleines Hobbyprojekt“, wie er erzählt.

Weil sich die Situation in den Bürgerbüros monatelang immer weiter verschlechterte, wurden seine Daten zunehmend wertvoll. Der Andrang ist nicht überall gleich stark, deshalb konnte Höfling Bekannten Empfehlungen geben: „Geh am besten morgens nach Münster, da ist meistens wenig los.“ Auch das Bürgerbüro Obertürkheim darf als Geheimtipp gelten, hier sind die Wartemarken besonders selten vergriffen.

Stadt verweist auf höheren Andrang im Sommer

Marc Höfling hat unserer Zeitung sein Datenarchiv zur Verfügung gestellt und sammelt weiter. Die Daten sind ein Pulsmesser für ein Thema, das Frank Nopper zur Chefsache erklärt hat. Der Oberbürgermeister rief 2022 eine „Taskforce“ ins Leben. „Stadt arbeitet intensiv an Verbesserungen“, war Ende August eine Pressemitteilung überschrieben. Merkt man davon etwas?

Die Stadtverwaltung verweist auf den Personalzuwachs. Man habe nach jahrelangem Rückgang nun wieder mehr Mitarbeiter zur Verfügung, einige würden noch eingelernt. Im Sommer würden „sehr viele Pass- und Ausweisdokumente nachgefragt, was viele Kapazitäten bindet“, erklärt der Stadtsprecher Oliver Hillinger. Das sei auch in den Vorjahren schon vorgekommen. Auch deshalb seien die Wartemarken so schnell vergriffen gewesen. Wer eine bekomme, der soll sicher sein, „am betreffenden Tag im Bürgeramt vorsprechen zu können“.

Dieses Bedürfnis dürften alle Bürger empfinden, die ins Bürgerbüro kommen. Deshalb sind sie teils sehr früh da, um eine Wartemarke zu ziehen – auch das bildet sich in den Daten der Echtzeit-Ampel ab. Wer sich – wie früher – erst im Lauf des Vormittags anstellt, hat oft das Nachsehen.

Dass so etwas immer wieder vorkommt, bestätigt auch die Stadt. Wie viele Wartemarken an einem Tag ausgegeben werden, hänge von der aktuellen Personalstärke, gebuchten Online-Terminen und der Dauer der Anliegen ab. Auch abhängig vom morgendlichen Andrang sei die letzte Wartemarke mal früher, mal später weg.

Entspannung nicht in allen Bürgerbüros

Im Herbst zeichnet sich bislang eine gewisse Entspannung ab. Noch im Juli waren während rund Dreiviertel der Öffnungszeit aller Bürgerbüros alle Wartemarken vergeben, wie die Datenauswertung zeigt. Im September hat sich das gedreht, nun haben Bürger insgesamt wieder etwas bessere Chancen, auch im Lauf des Tages noch eine Wartemarke zu ergattern.

Wird jetzt bei den Bürgerbüros alles gut? Noch zeichnet sich nicht überall Entspannung ab. In Botnang und Bad Cannstatt sind auch im September die Wartemarken häufig vergriffen gewesen, das Bürgerbüro Süd war zuletzt für Laufkundschaft geschlossen und soll im Oktober ganz schließen. „In diesen drei Bürgerbüros ist das Besucheraufkommen im Verhältnis zum zur Verfügung stehenden Personal sehr hoch, sodass sich Wartezeiten ergeben“, konstatiert Stadtsprecher Hillinger.

Auch im wieder eröffneten Bürgerbüro in Stuttgart-West sind Wartemarken weiterhin rar. „Ich würde vermuten, dass Daten für die Taskforce Bürgerbüros essenziell sind“, sagt Marc Höfling, „denn sie zeigen ja, dass der Bedarf größer ist als das Angebot“. Im Laufe des Herbsts werden auch die Daten zeigen, ob der Personalaufbau in den Bürgerbüros ausreicht, damit wieder das Serviceniveau aus früheren Jahren erreicht wird.

Daten zu den Bürgerbüros

Daten
Die Daten aus dem Echtzeit-Wartezeitenmodul auf der städtischen Homepage, die wir auswerten, werden wochentags automatisch alle sechs Minuten erfasst. Sie zeigen, welche Bürgerbüros als geöffnet oder geschlossen angezeigt werden, ob noch Wartemarken verfügbar sind, sowie eine Schätzung der Wartezeit.

Bürgerservice
Aktuell sind 17 von 22 Bürgerbüros in Stuttgart geöffnet. Das Bürgerbüro Süd soll ab dem 13. Oktober bis Jahresende vollständig geschlossen bleiben, das Büro in Degerloch ab Januar wieder öffnen. Wegen Personalmangel bleiben außerdem die Büros Feuerbach, Nord, Untertürkheim und Plieningen bis auf Weiteres zu.