Ein Leonberger schreibt als „L 1136“ an Regierungspräsidium. Die Behörde sagt zu, dass der abgerutschte Hang 2021 saniert wird.

Leonberg - Seit fast viereinhalb Jahren geht nichts voran. Pflanzen wachsen aus den Rissen im Straßenbelag. Eine Kameradrohne fliegt über die Straße, auf der jede Menge Warnbaken stehen und nur noch eine Spur befahrbar ist. Ein bisschen angelehnt an satirische Entlarvungen von kommunalen Schilderbürgerstreichen wird dazu ein Text vorgetragen. „Liebes RP Stuttgart, ich möchte mich einmal vorstellen: Ich bin die Landstraße 1136.“

 

So beginnt der offene Brief, den der Höfinger Johannes Markus Müller im Namen eben jener Landesstraße zwischen der Leonberger Kernstadt und Höfingen an das zuständige Regierungspräsidium geschrieben und dann auch in einem Video verarbeitet hat. „Es scheint, als hättest Du mich total vergessen“, heißt es in dem Clip, der auf Facebook zu sehen ist.

Im Mai 2016 rutscht der Hang ab

Ein kleiner Rückblick: Mitte Juni 2016 sorgt ein Starkregen dafür, dass der Hang oberhalb der Glems bei Höfingen nachgibt. Auf rund 100 Metern Länge wird dabei auch die Landesstraße 1136 in Mitleidenschaft gezogen. Seitdem zieren eine Baustellenampel und Warnbaken den Hang. Doch auch zuvor war die Strecke jahrelang als Buckelpiste verschrien und in der Sanierungsliste des Landes gerade erst nach oben gestuft worden.

Johannes Markus Müller aus Höfingen fährt die marode Strecke täglich, manchmal sogar mehrmals am Tag. „Es hat mich als Anwohner schon seit langem sehr stark frustriert, dass der ‚Status quo’ einfach so hingenommen wird, ohne dass man diesen in Frage stellt beziehungsweise der notwendige Druck ausgeübt wird“ meint er. Gerade die Stadt Leonberg und ihren Oberbürgermeister sieht er dabei in der Pflicht. Auch habe er sich schon mehrfach diesbezüglich an die Stadt und das Regierungspräsidium Stuttgart gewandt. „Es kann nicht sein, dass einfach über vier Jahre nichts passiert. Und dass sich die Natur schon die Straße zurückholt, ist ja auch mehr als Symbolik.“

Ironie statt Wut

Doch wo die meisten motzen würden, bedient sich Johannes Markus Müller anderer stilistischer Mittel. „Wenn seitens der Politik nichts passiert, muss man als Bürger halt ran und versuchen, sich Gehör zu verschaffen“, sagt Müller.

Der Ansatz, die Straße einfach zum Briefschreiber werden zu lassen und den Text mit jeder Menge Ironie statt Wut zu spicken, ist auf jeden Fall aufgegangen. „Das Feedback, das ich zu diesem Video erhalten habe, war auch durchweg positiv“, berichtet der Höfinger. Natürlich ging der offene Brief auch direkt an das Regierungspräsidium. Auf eine Antwort wartet Müller aber noch immer.

RP bestätigt Zeitplan für 2021

Auf eine Anfrage unserer Zeitung gibt es dagegen eine Reaktion. „Die Planungen für die Arbeiten sind nahezu fertiggestellt. Die vorbereitenden Arbeiten wie Rodungen sollen voraussichtlich bis Ende Februar abgeschlossen sein“, teilt eine Sprecherin mit. Die Hangsanierung beginne im Frühjahr. Zudem werde auf der gesamten Strecke zwischen Leonberg und Höfingen der Fahrbahnbelag erneuert. Alles zusammen dauere etwa sechs Monate. Dies sei allerdings vorbehaltlich der Freigabe der entsprechenden Haushaltsmittel.

Für die Pläne seien mehrere Gutachten nötig gewesen, etwa zur Beschaffenheit des Hangs oder zum Artenschutz. Es wurden Streckenführungen für Fußgänger und Radfahrer geprüft. Auch habe man – auch auf Wunsch der Kommunen – Kollisionen mit anderen Baustellen vermeiden wollen, etwa mit der Sanierung der B 295 zwischen Leonberg und Ditzingen.

Der Brief im Wortlaut

Liebes Regierungspräsidium Stuttgart,

ich möchte mich einmal vorstellen, ich bin die Landstraße 1136. Ich führe von Leonberg über Höfingen, Hemmingen und Hochdorf bis zur B 10 bei Pulverdingen. Viele Menschen befahren mich täglich, um zur Schule, zur Arbeit, zum Sport oder zu Freunden zu kommen.

Es scheint, als hättest Du mich total vergessen. Seit Mitte Juni 2016, also seit mehr als vier unfassbar langen Jahren, bin ich jetzt bereits auf einer Länge von knapp 500 Metern halbseitig gesperrt. Damals hatte es so stark geregnet, dass ich meine Stabilität verlor und seitdem auf der Hangseite nicht mehr befahren werden darf.

Seitdem warten wir alle sehnsüchtig darauf, dass ich endlich saniert werde, am Besten nicht nur der Abschnitt mit dem Hang, sondern der gesamte Abschnitt zwischen Leonberg und Höfingen. Denn da bin ich echt die reinste Buckelpiste.

Aber ich werde von dir, liebes Regierungspräsidium Stuttgart, seit Jahren auf deiner Prioritätenliste nach hinten verschoben. Bin ich dir echt so unwichtig? Das finde ich sehr schade und enttäuschend. Dann stufe mich doch am Besten gleich zur Gemeindeverbindungsstraße herab, dann darf nämlich die Stadt Leonberg selber Hand an mir anlegen. Und die machen wenigstens etwas.

Die warten übrigens auch schon seit Jahren darauf, dass ich wieder voll befahrbar bin. Denn mein Freund, die Pforzheimer Straße in Höfingen, soll auch komplett saniert werden. Das geht aber nicht, wenn sich bei mir immer die Autos stauen. Ich genieße zwar auf der einen Seite die Ruhe, die ich immer mal wieder habe, weil kein Auto vorbei fährt, aber auf der anderen Seite muss ich auch ständig husten, weil die ganzen Autos, die an den Ampeln oben und unten stehen, die Luft so verpesten. Da will ich gar nicht wissen, wie viel CO2 in den letzten Jahren nur wegen meiner Sperrung in die Luft geblasen wurde.

Mittlerweile wuchern sogar schon die Pflanzen über meine Leitplanke und feiern schon auf der Hälfte des Fahrstreifens eine Party.

Liebes RP Stuttgart, bitte vergiss mich nicht. Vielleicht hast du ja 2021 für mich Zeit.

Deine L 1136