Wie wirkt sich die Resolution „Ehe für alle“ des Bundesrats auf die Debatte zur Gleichberechtigung aus? Was wird sich ändern? Christoph Michl, Mitglied des CSD-Vorstands in Stuttgart, kann die Ängste gegenüber der Homo-Ehe nicht verstehen. "Regenbogenfamilien zu schützen heißt doch nicht, die traditionelle Ehe abzuwerten."

Stuttgart - Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, homosexuelle Partnerschaften komplett mit der Ehe gleichzustellen. Das bedeute auch ein volles gemeinschaftliches Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die Länderkammer verabschiedete am Freitag mit ihrer rot-rot-grünen Mehrheit eine entsprechende Resolution „Ehe für alle - Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren“. Einen Gesetzentwurf, der die große Koalition von Union und SPD im Bundestag zwingen würde, über eine Abstimmung Stellung zu beziehen, wurde in die Ausschüsse überwiesen. Wie es hieß, hätte dies die SPD zu sehr unter Druck gesetzt, da eine Zustimmung der Union derzeit nicht zu erwarten ist.

 

Die Forderung nach der Gleichbehandlung von gleichschlechtlichen Partnerschaften gehört auch in diesem Jahr zu den klassischen Themen des Christopher Street Day Stuttgart (CSD). Christoph Michl, Mitglied des Vorstands des Stuttgarter CSD, spricht im Interview über Signalwirkung der Bundestagsresolution und gesellschaftlichen Wandel.

Was bringt die heutige Resolution des Bundesrates zur Durchsetzung der Rechte gleichgeschlechtlicher Paare?
Die Entscheidung ist ein richtiges und wichtiges Signal. Durch die Entschließung des Bundesrates muss sich der Bundestag mit der Thematik beschäftigen. Aber das Ringen unter den Abgeordneten, die Ehe zu öffnen, geht weiter. Das wirkliche Signal für die Gleichberechtigung muss aus dem Bundestag kommen. Doch dazu ist vor allem die CDU bisher nicht bereit, weil die Ehe angeblich „geschützt“ werden muss.
Was ist denn so falsch daran, die Ehe zu schützen?
Wichtig ist, dass die Debatte wegkommt von dieser hochemotionalen Attitüde, wie dem „Bauchgefühl“ der Kanzlerin oder den nicht näher erläuterten Ängsten einiger CDU-Abgeordneter. Es ist doch klar, dass die Gesellschaft die Rechte von Familien mit Kindern schützen will. Ich verstehe aber nicht, wie die Eheöffnung für Lesben und Schwule diesen Schutz aushebeln soll. Was wird denn heterosexuellen Paaren durch die Erweiterung des Ehebegriffs für lesbische und Schwule Partnerschaften weggenommen? Wenn sich die Ehe öffnet, wird es weder einen Run auf die Homosexualität geben, noch werden keine Hetero-Ehen mehr geschlossen oder keine Kinder mehr geboren. In Baden-Württemberg leben 7.910 Lebensgemeinschaften mit Kindern, bei denen die Partner gleichgeschlechtlich sind. Das sind Gemeinschaften, die füreinander einstehen und nicht eine homosexuelle Beziehung führen, weil es gerade „hip“ ist. Diese Regenbogenfamilien zu schützen heißt doch nicht, die traditionelle Ehe abzuwerten.
74 Prozent der Deutschen fänden es gut, wenn die Lebenspartnerschaften von Gleichgeschlechtlichen die gleichen Rechte wie eine Ehe erhalten würden. Das geht aus einer Forsa-Umfrage für den Stern hervor. Wie schätzen Sie diese Einstellung der Mehrheit der Deutschen ein?
Die gesellschaftliche Realität hat sich geändert. Das Grundgesetz wurde vor sechzig Jahren verabschiedet. Viele gleichgeschlechtliche Partnerschaften erbringen seitdem verantwortungsvoll ihren Beitrag für die Gesellschaft. Wenn der Staat die Gemeinschaft fördern möchte, dann sollte er alle, die ihren Beitrag leisten, auch gleich behandeln. Die Frage ist, wie wollen wir, Heteros und Homosexuelle, in unserer Gesellschaft heute zusammenleben? Wir müssen wegkommen von dem Schubladen-Denken von „gut“ und „böse“, sondern eine Diskussion führen, die uns weiterhilft.