Der Kreis der durch die Razzia aufgeflogenen Umstürzler hatte Kontakte zur AfD. Abgeordnete fordern nun einen besseren Schutz des Bundestags.
Nach der Razzia gegen eine Reichsbürger-Gruppe, die offenbar einen gewaltsamen Umsturz plante, hatte es 25 Festnahmen gegeben. Die Bundesanwaltschaft wirft 22 von ihnen vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten den Angaben zufolge als Unterstützer. In 19 Fällen haben die zuständigen Ermittlungsrichter Untersuchungshaft angeordnet. Insgesamt soll es mindestens 54 Beschuldigte geben.
Dass mit Birgit Malsack-Winkemann nicht nur eine Richterin, sondern auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD unter den Festgenommenen ist, lenkt den Fokus der politischen Debatte auf die Rolle der AfD und die Frage, welche Bedrohung für die Sicherheit des Bundestags von ihr ausgeht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte es „einen bemerkenswerten und sehr schlimmen Vorgang“, dass unter den Beschuldigten eine ehemalige AfD-Abgeordnete des Deutschen Bundestages sei.
„Parlamentarische Schnittstelle für Hass, Hetze und Gewalt“
Die Frage ist, welche Konsequenzen aus dem „schlimmen Vorgang“ zu ziehen sind. Da gliedert sich die Diskussion in zwei Aspekte: der politische Umgang mit der Partei und die handfesten Schutzmaßnahmen im Bundestag.
Die politische Debatte führt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil an. „Die AfD gehört flächendeckend auf die Beobachtungsliste des Verfassungsschutzes und nicht in Parlamente, Gerichte oder den öffentlichen Dienst“, sagt Klingbeil. Die Razzia habe abermals eine enge Verbindung der gewaltbereiten rechtsextremen Szene mit der AfD gezeigt. „Das muss Konsequenzen haben.“ Er nannte die AfD eine „offen verfassungsfeindliche Partei“, die als „parlamentarische Schnittstelle für Hass, Hetze und Gewalt“ agiere.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sagte unserer Zeitung, die AfD habe sich „in den letzten Jahren immer stärker radikalisiert“. Da sie vom Verfassungsschutz in Gänze als Verdachtsfall geführt werde, könne sie „ damit auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden“. Entscheidend sei aber, „dass wir uns mit der AfD politisch scharf auseinandersetzen und klar aussprechen, dass diese Rechtspopulisten unser gesellschaftliches und politisches Klima vergiften. Die AfD bereitet das Klima für Hetze und Gewalt.“
Ex-AfD-Abgeordnete versorgte Umstürzler mit Ortskenntnissen
Tatsächlich ist die Mitwirkung der ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann ein Indiz für diese Radikalisierung. Die 58-Jährige soll nach Ansicht der Ermittlungsbehörden ihre Mitstreiter mit ihren Ortskenntnissen der Liegenschaften rund ums Reichstagsgebäude versorgt haben – wertvolle Informationen, da die Gruppe einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag nebst Festnahme von Politikern geplant haben soll.
Die AfD-Politikerin schaffte bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr die Rückkehr in den Bundestag. Daraufhin nahm sie ihre Tätigkeit als Zivilrichterin am Landgericht in Berlin-Moabit wieder auf. Malsack-Winkemann war durch radikale Positionen zu Flüchtlingen und zu Corona-Maßnahmen in den sozialen Medien in der Szene bekannt geworden. Sie hatte an Demonstrationen von Rechtsextremen, Reichsbürgern und Verschwörungsideologen teilgenommen.
So auch bei der großen Demonstration vor den Berliner Reichstag im August 2020. Damals wurde in Internetforen zum „Sturm auf den Reichstag“ aufgerufen. Tatsächlich hatten dann mehrere hundert Demonstrierende Sperrgitter durchbrochen und waren auf die Treppe zum Bundestag gestürmt. Viele mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen ausgerüstet. Im November 2020, als im Bundestag über das Infektionsschutzgesetz abgestimmt worden war, hatten Mitglieder der AfD-Fraktion rechte Youtuber und Querdenker als Gäste in in den Bundestag geschleust. Die stellten dann Live-Videos ins Netz, die zeigten, wie sie Politiker bedrängten und mit Beschimpfungen angingen.
Zu leichter Zugang zum Bundestag
Das Problem der Einschleusung gefährlicher, womöglich gewaltbereiter Kräfte in den Bundestag rückt jetzt in den Vordergrund. Abgeordnete können Besucher ohne Zugangsausweis anmelden, dafür müssen sie nur Namen und Geburtsdatum angeben. Sie können sogar Gäste als Begleiter ohne vorherige Anmeldung in die Bundestagsgebäude mitbringen. Malsack-Winkemann hätte jederzeit den Bundestag betreten können, denn ehemalige Abgeordnete erhalten nach ihrem Ausscheiden einen Ausweis, mit dem sie weiterhin Zugang zu den Liegenschaften des Bundestags haben.
Diese Regelung soll nun überprüft werden. Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sagte unserer Zeitung: „Durch den Fall der ehemaligen AfD-Abgeordneten Malsack-Winkemann wird deutlich, dass wir auch bei den Gästen, Praktikanten und Mitarbeitern von AfD-Abgeordneten besondere Vorsicht walten lassen müssen. Wir sollten auch darüber sprechen, Sicherheitskontrollen zu verstärken, um genau zu wissen, wer im Bundestag ein- und ausgeht. Denn Mitarbeiter und Praktikanten der AfD-Fraktion können aktuell ohne Sicherheitskontrolle die Gebäude des Bundestags betreten.“