Die Projektkritiker wollen am Mittwoch neue Zahlen zu Ausstiegskosten vorlegen. Die Bahn-Aufseher diskutieren das jüngste Gutachten, das Kostensteigerungen und Terminverzug prognostiziert.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Wenn am Mittwoch der Bahn-Aufsichtsrat zusammentritt, um über steigende Kosten und sich nach hinten verschiebende Fertigstellungstermine für Stuttgart 21 zu diskutieren, werden die Gegner des Milliardenvorhabens vor Ort sein. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 kündigt eine Kundgebung vor dem Berliner Bahn-Tower an.

 

Von 10 Uhr an werden die Aufseher im Hochhaus am Potsdamer Platz über die von einem Gutachten zutage geförderten Zahlen beraten. Ein Beschluss wird nicht erwartet. Vielmehr wird sich der Aufsichtsrat wohl auf eine außerordentliche Zusammenkunft Ende Januar verständigen, bei der Entscheidungen zum weiteren Vorgehen am neuen Stuttgarter Bahnknoten fallen sollen. Der wird wie berichtet mindestens 7,6 Milliarden Euro kosten und erst 2024 in Betrieb gehen. Damit würde das Projekt nochmals mehr als eine Milliarde Euro teurer und drei Jahre später als zuletzt anvisiert fertig werden.

Die zehn wichtigsten Fakten zum Bauprojekt S21 sehen Sie im Video:

Stuttgart-21-Kritiker wollen eigene Zahlen vorlegen

Für Projektgegner ist damit aber noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Debatte würde „durch Informationshäppchen aus einem nicht veröffentlichten Gutachten von PwC/Emch & Berger gespeist, demzufolge der Kostensprung nur 1,1 Mrd. € betrage“, schreibt das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Den kursierenden Zahlen wollen die Stuttgart-21-Kritiker am Mittwoch in Berlin ihre eigenen entgegensetzen.

Dazu stelle Martin Vieregg vom Münchner Beratungsbüro Vieregg-Rössler „aktualisierte, auf einer empirischen Methodik basierende Kostenvergleichsrechnung zwischen den Optionen Ausstieg und Umstieg 21 vor“. Der Betriebswirt hatte zuletzt im Jahr 2015 die Kosten für Stuttgart 21 auf knapp zehn Milliarden Euro taxiert und wenig später erklärt, der Umstieg auf ein Alternativkonzept könne angesichts dieser Summe um mehr als sieben Milliarden Euro günstiger sein als der Weiterbau. Derzeit werde versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, ein Ausstieg aus Stuttgart 21 oder ein Umstieg auf „andere Varianten sei nicht mehr möglich“, so der Vorwurf des Aktionsbündnisses.

Der Abschnitt am Flughafen im Fokus

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erinnert unterdessen an seine bereits im Zuge der letzten Kostenexplosion im März 2013 ausgesprochenen Warnung, dass das Projekt nochmals deutlich teurer werden könnte. Damals hatten sich die Kosten von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro erhöht. „Weiterhin richtig ist auch unsere damalige Forderung, das Projekt in einzeln realisierbare Teilabschnitte zu zerlegen“, sagt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb. Für ihn rückt daher der Abschnitt rund um den Flughafen in den Fokus, wo es bislang nur geringen Baufortschritt gibt oder sich das Genehmigungsverfahren noch am Anfang befindet. Dort stiegen die Kosten weiter. Dies sei „der Grund für die Überlegungen der DB zu einem Halt an der Fernbahn“, so Lieb.

Über entsprechende Gedankenspiele wollte die Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU) eigentlich dieser Tage mit den Projektpartnern sprechen. „Die PSU hatte zunächst für den 11. Dezember eingeladen. Sie bittet die Projektpartner aber um Verständnis, dass ein Treffen zu Fragen der Flughafenanbindung erst nach der Sitzung des Aufsichtsrats stattfinden kann“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage. Am Manfred-Rommel-Airport geht man aber offensichtlich von einem bald sichtbarem Baufortschritt aus. „Die Bauarbeiten zum Fernbahnhof am Flughafen nehmen Fahrt auf“, heißt es in der dieser Tage verschickten Einladung zum Neujahrsempfang der Flughafengesellschaft Stuttgart.

Abspecken an der S-Bahn?

Sparpotenzial sieht der VCD auch im S-Bahnabschnitt in der Innenstadt, der im Zuge von Stuttgart 21 gebaut wird. „Auch zwischen Mittnachtstraße und Hauptbahnhof könnte man sich statt des Tunnels eine Führung über die heute schon bestehende Rampe vorstellen – das spart auch gleich über 100 Millionen Euro ein. Dann könnte der Abschnitt der S-Bahn über die Mittnachtstraße früher in Betrieb gehen“, so Lieb. In diesem Bereich klagt die Stadt gegen eine Baugenehmigung vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.