Die CDU gewinnt zwar die Landtagswahl in Sachsen, verliert aber Stimmen. Die AfD zieht mit einem unerwartet guten Ergebnis erstmals in einen Landtag ein. Damit erwächst der CDU Konkurrenz, meint der StZ-Redakteur Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Sachsen ist das Musterland des Ostens: Seit Jahren kommt der Freistaat ohne neue Schulden aus. Das Schulsystem schneidet bei Pisa & Co. immer bestens ab. Manche reden schon von „bayerischen Verhältnissen“ – als ob das ein Kompliment wäre. Nach dem Vorbild der CSU haben sich die Christdemokraten als einzig wahre Macht etabliert. Seit die Sachsen wieder frei wählen dürfen, wird ihr Land schwarz regiert. Das wird auch so bleiben. Doch der Wahlsonntag verlief für die CDU nicht durchweg mustergültig.

 

Von absoluten Mehrheiten, auf die sie früher abonniert waren, sind die konservativen Dauerregenten inzwischen weit entfernt. Stanislaw Tillichs Wahlsieg hat drei weitere Schönheitsfehler. Erstens: das Desinteresse einer Mehrheit des Wahlvolks unterhöhlt die Demokratie in Sachsen. Dafür ist die Staatspartei CDU mitverantwortlich. Sie hat die Wahl bewusst auf den letzten Ferientag verlegt und so dem Land einen schlechten Dienst erwiesen. Zweitens hat es die CDU auch nicht zu verhindern vermocht, dass ihr auf der rechten Flanke Konkurrenz erwächst. Die Populisten von der AfD sind jetzt nicht mehr außerparlamentarische Opposition, sie haben nun auch in Deutschland eine offizielle Bühne. Sie wildern im Revier der Union, dürfen sich nun tatsächlich als „Alternative“ für frustrierte Konservative und allerlei Unzufriedene fühlen. Die Eroberung der Landtage, die in Sachsen begonnen hat, ist für sie wichtiger als der Einzug ins Europaparlament. Dort fristet Parteichef Lucke ein wenig beachtetes Nischendasein. Die CDU hat ihren Alleinvertretungsanspruch für das eher traditionsbewusste Bürgertum eingebüßt. Und sie muss sich – drittens – einen neuen Koalitionspartner suchen.

Ein weiterer Sargnagel für die FDP

Nach der Pleite der FDP steht das Regierungsmodell Schwarz-Gelb auf der Liste der aussterbenden Spezies – und die Liberalen selbst können sich gleich mit einreihen. Der Verlust ihrer Regierungsmacht und der parlamentarischen Existenz in Sachsen bedeutet zwar nicht automatisch, dass auch die Bundespartei sofort den Insolvenzverwalter bestellen muss, das katastrophale Ergebnis von Sachsen ist jedoch ein weiterer Sargnagel für die FDP. Wenn sie Anfang 2015 auch in Hamburg vom Wähler eine Abfuhr bekommt, nützen Parteichef Christian Lindner alle famosen Ideen nichts mehr. Den Liberalismus des 21. Jahrhunderts wird das einschlägig interessierte Politpublikum dann nicht mehr unter dem Markenzeichen FDP suchen.

Von den Verwerfungen im Umfeld der Union konnte Tillich nicht profitieren. Die CDU hat mit Schwarz-Gelb ihre bevorzugte Machtoption verloren. Doch wen wird sie auf den Beifahrersitz der sächsischen Staatskarosse bitten? Die Populisten von der AfD gewiss nicht – auch wenn Tillich bis zuletzt den Eindruck erweckte, als wolle er das nicht ausschließen. Eine Koalition mit den Emporkömmlingen kann er nicht ernsthaft in Erwägung ziehen: Sie wäre viel zu riskant, weil die neue Partei politisch noch nicht recht zu verorten ist und keiner weiß, ob sie über regierungstaugliches Personal verfügt. Tillich würde Angela Merkel und die Bundes-CDU brüskieren, wenn er die AfD durch Koalitionsgespräche adelt. Ein CDU-Mann verbündet sich mit Eurorebellen – was wäre das für ein Signal in Europa? Tillich braucht die AfD nur als Drohpotenzial für seinen künftigen Juniorpartner. Als solcher kommen die SPD und eventuell die Grünen infrage. Tillich hat den Vorteil, dass ihm die Wahl bleibt.

Das erfreulichste Ergebnis dieses Sonntags ist das Scheitern der NPD. Die sächsichen Wähler haben die Rechtsextremisten endlich des Plenarsaals verwiesen. Im Landtag von Dresden wird es künftig wieder zivilisiert und weniger pöbelhaft zugehen. Neonazis dürfen dort keine hetzerischen Reden mehr schwingen. Somit kann Sachsen sich auch in demokratischer Hinsicht wieder als Musterland fühlen.