Der 13. März hat es in sich. Nicht nur Angela Merkel blickt gebannt auf den kommenden Sonntag. Das Wählervotum in drei Bundesländern könnte die politische Landschaft erschüttern.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Was am Sonntag bevorsteht, würden Amerikaner wohl „mid-term elections“ nennen. Das sind Kongresswahlen zur Halbzeit der vierjährigen Amtsperiode eines Präsidenten. Für Angela Merkel ist der 13. März so etwas wie ein „Super-Sunday“. Seit sie sich 2013 erneut als Kanzlerin behauptet hat, wurde nur im Osten sowie in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen gewählt. Die anstehenden drei Landtagswahlen gelten somit als wichtiger Stimmungstest anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl. Manche stilisieren sie zu einer Art Volksabstimmung über Merkels Flüchtlingspolitik. Immerhin hat gut ein Fünftel der Wahlberechtigten bundesweit jetzt die Gelegenheit, ein Votum abzugeben. Die Ergebnisse werden tiefe Spuren in der politischen Landschaft hinterlassen. Sie bergen erhebliches Eruptionspotenzial, soweit sich das aus den Umfragen schon erkennen lässt. Wir spekulieren über die wichtigsten Veränderungen, die sich abzeichnen.

 

Lässt die Union rechts zu viel Platz?

Von dem CSU-Patriarchen ist eine politische Weisheit überliefert, die zum Eckpfeiler für die Stabilität der Bundesrepublik wurde. Rechts der Union, so Strauß, dürfe es keinen Platz geben für eine demokratisch legitimierte Partei. Zumindest die CSU hat sich stets an dem Ratschlag orientiert. Über lange Jahre galt er auch als Richtschnur der großen Schwesterpartei CDU. Im Bundestag gab es seit Ende der fünfziger Jahre keinen Platz mehr rechts der Union. Das könnte sich 2017 ändern. Die AfD scheint sich auch im Westen der Republik zu etablieren. Sie kann damit rechnen, in die Landtage von Stuttgart und Mainz einzuziehen.

In Sachsen-Anhalt werden die Rechtspopulisten wohl stärker als die SPD. Die Demoskopen sehen sie zwischen 17 und 19 Prozent. Die Fraktionen links und rechts der demokratischen Mitte verfügen unter Umständen fast schon über eine Verhinderungsmehrheit im Magdeburger Landtag. Der erwartete AfD-Triumph speist sich aus dem Protestpotenzial gegen Merkels Flüchtlingspolitik. Zudem ist die CDU unter Merkel wirtschafts- und gesellschaftspolitisch nach links gerückt – und hat heimatlose Konservative hinterlassen.

Wird Grün das neue Schwarz?

Ungeachtet der Frage, wer künftig regiert in Baden-Württemberg, steht fest: Mit Winfried Kretschmann an der Spitze haben die Grünen das Format einer Volkspartei erreicht. Der Wahlerfolg 2011 war offenbar nicht nur ein Betriebsunfall nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Die CDU muss sich darauf einrichten, dass Kretschmanns Grüne ihr etliche Wahlkreise abjagen werden, die bisher in schwarzer Hand waren. Ein Stammland der CDU färbt sich grün. Dieser Farbenwechsel reicht weit über die Universitätsstädte hinaus, die früher die einzigen Hochburgen der Grünen waren. Kretschmann genießt Sympathien bis weit in konservative Kreise. Auch die Wirtschaft sieht seine Partei nicht mehr als Schreckgespenst. Wenn die Grünen am Sonntagabend sogar vor der CDU liegen sollten, so wäre dies eine Epochenwende in der politischen Geschichte der Bundesrepublik.

Allerdings verdanken die Grünen diese Sonderkonjunktur in Baden-Württemberg vor allem der Popularität ihres Ministerpräsidenten. In Sachsen-Anhalt dümpeln sie an der parlamentarischen Existenzgrenze. In Rheinland-Pfalz ist der zweistellige Fukushima-Erfolg von 2011 regelrecht implodiert. Solange Kretschmann bei den Grünen bundesweit aber ein Exot bleibt, ist die Vision von einer ökologischen Volkspartei nur ein Wunschtraum.

Wieso droht die SPD zu verzwergen?

In Rheinland-Pfalz dürfen die Sozialdemokraten weiterhin hoffen, die Staatskanzlei verteidigen zu können. In Sachsen-Anhaltdrohen sich auf den vierten Platz abzurutschen, noch hinter die AfD. Und in Baden-Württemberg müssen sie befürchten, den Status als Volkspartei einzubüßen: Mit einem Wahlergebnis, das näher an zehn als an zwanzig Prozent liegt, wäre ein solches Etikett kaum noch zu rechtfertigen. Die Südwest-SPD erleidet unter Umständen das gleiche Schicksal wie es Genossen bei Wahlen in anderen Bundesländern beschieden war, wo die Sozialdemokraten eine Art Sandwichposition innehatten: eingeklemmt zwischen den eigentlichen Alternativen. Die heißen hierzulande Kretschmann oder CDU-Renaissance.

Ähnlich war es 2014 in Thüringen, wo es darum ging, ob die CDU sich noch einmal würde behaupten können oder die Linken erstmals den Ministerpräsidenten stellen. In Sachsen wurden die Sozialdemokraten nur als Anhängsel einer von der CDU dominierten großen Koalition wahrgenommen. Bundesweit vertreten sie beim wichtigsten Thema dieser Wahlkämpfe, der Flüchtlingspolitik, keine markant eigenständige Position. Der Zickzackkurs des SPD-Chefs Sigmar Gabriel ist allenfalls geeignet, die Anhänger seiner Partei zu verwirren.

Sind die großen Koalitionen noch groß genug?

Bisher war es üblich, Regierungsbündnisse der Volksparteien CDU und SPD „große Koalitionen“ zu nennen. Weil beide aber schmelzen wie Gletscher in Zeiten des Klimawandels, könnte es sein, dass weder in Sachsen-Anhalt noch in Baden-Württemberg eine große Koalition groß genug zum Regieren wäre. Unter Umständen beginnt mit dem 13. März das Zeitalter der Dreierbündnisse. Nach Lage der Umfragen wäre im Südwesten eine so genannte Deutschlandkoalition aus CDU (schwarz), SPD (rot) und Liberalen (gelb) denkbar. In Mainz könnte Malu Dreyer zu einer Ampelkoalition gezwungen sein, um zu verhindern, dass Julia Klöckner sie aus dem höchsten Regierungsamt verdrängt. Und in Magdeburg dürfte Ministerpräsident Reiner Haseloff dringend auf zwei Partner angewiesen sein, um gegen Linke und AfD regieren zu können. Auch im Bund werden solche Konstellationen wahrscheinlicher, sofern mit AfD und FDP im künftigen Parlament sechs Fraktionen sitzen. Der politischen Stabilität dient das nicht.

Hilft Merkel nur der Konkurrenz?

Wenn die CDU-Kandidaten Wolf und Klöckner am Sonntag unterliegen, dann werden Merkel-Freunde das Erklärungsmuster verbreiten, dies sei deren Wahlkampftaktik geschuldet. Sie hätten nicht von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin abrücken dürfen. Der Grüne Kretschmann und die SPD-Frau Dreyer bekannten sich hingegen zu Merkels Kurs. Wenn man den letzten Umfragen vor der Wahl glauben darf, hat sich das für beide bezahlt gemacht. Die CDU schrumpft bundesweit, seit die Anfangseuphorie über Merkels Willkommenspolitik nachgelassen hat. Unter diesem generellen Trend hatten Wolf und Klöckner schon zu leiden, noch bevor sie auf Distanz zur Kanzlerin gegangen sind. Ihre Werte bröckeln seit Ende 2015. Der Plan A2, der einen Kontrapunkt zur Linie der CDU-Chefin setzen sollte, wurde aber erst im Januar erfunden. Profiteur des Unmuts über Merkels Kurs ist die AfD.