Das Einstimmenwahlrecht für den Landtag ist überholt. Eine Reform wäre angebracht, kommentiert StZ-Autor Reiner Ruf

Stuttgart - Nein, es ist keine Störung der Totenruhe, wenn unterschiedlichste politische Kräfte das Thema Landtagswahlrecht auf der Tagesordnung halten. Es handelt sich beim Wahlrecht keineswegs, wie etliche Abgeordnete behaupten, um die ureigenste Angelegenheit des Parlaments (womit sie regelmäßig sich selbst im Sinn haben und ihre Aussichten auf eine Wiederwahl), sondern um das zentrale demokratische Recht der Bürger.

 

Bisher gilt in Baden-Württemberg das Einstimmenwahlrecht. Entgegen der Behauptung, dabei handle es sich um ein besonders bürgernahes Wahlrecht, verhält es sich doch so: Ausschlaggebend für die Wahlentscheidung in der Stimmkabine sind die Parteipräferenz und die Attraktivität der Spitzenkandidaten. Auf deren Ticket rutschen die Wahlkreiskandidaten in den Landtag. Nur so kann man verstehen, wie es in der Vergangenheit manchem Kandidaten überhaupt erst gelingen konnte, ins Parlament zu kommen. Allein ein Zweitstimmenwahlrecht ermöglicht es den Wählern, die Arbeit der einzelnen Abgeordneten zu würdigen, weil über Wahlkreis und Partei getrennt befunden werden kann. Allerdings will Grün-Schwarz kein neues Wahlrecht: Die CDU ist sich uneins, der Streit gefährdet die Koalition. Das ist der verständliche, aber keineswegs hinreichende Grund fürs Nichtstun.