In der Stuttgarter Wilhelma zeigt sich, was die Natur alles in Sachen Liebe hervorbringt: von Fischen, die das Geschlecht wechseln bis zu schwulen Papageien. Und wie sieht es bei den Menschenaffen aus?

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

So nah und doch so fern: Das soziale Leben im Tierreich wirkt auf Menschen berührend und skurril. Beziehungen von Tieren zu beobachten kann aufschlussreich sein. Sind wir wirklich so anders? Ein Spaziergang durch die Wilhelma offenbart: Vermenschlichen lässt sich das nicht, was man hier so sieht. Mancherorts geht es ziemlich rabiat zu. Dann, wenn Spinnenfrauen die Männer nach dem Geschlechtsakt auffressen, zum Beispiel. Doch wer zu den Menschenaffen kommt, erkennt kauziges Verhalten, das er so ähnlich vielleicht auch mal beim Ehemann bemerkt hat. Hier kommt man dem Gefühl nahe, die großen und kleinen Dramen spielen sich diesseits wie jenseits der Glasscheiben ab. Ein Streifzug.

 

Bonobos

Liboso, die fröhliche Bonobofrau, liegt auf dem Rücken, streckt die Beine aus und lässt es sich gut gehen. An der Schulter wuschelt ihr Bonobomann Kasai ganz versunken ins Fell, sie hält ihm den Arm gnädig hin. Mit der Fellpflege versucht sich Kasai bei Liboso gut zu stellen, erklärt die Tierpflegerin Melissa Fassnacht. Doch Männer müssen hier gehörig aufpassen, „die Mädels haben eine kurze Zündschnur“. Es kann sein, ihnen passt etwas nicht, und sie sind plötzlich auf 180, rennen los, trommeln schreiend ihre Freundinnen zusammen und jagen den Mann durchs Gehege. Wird er gefasst, schlagen, kratzen, beißen sie ihn wie wild.

Man hat es nicht leicht als Bonobomann! Doch diese Menschenaffen sind, anders als die Schimpansen, eigentlich friedlich, sagt Melissa Fassnacht, die seit 11 Jahren im Menschenaffenhaus arbeitet. Bonobos leben im Matriarchat. Meist genügt ein böser Blick von Chefin Kombote, und schon ist Ruhe in der Gemeinschaft aus 21 Tieren.

Wer die Affen beobachtet, merkt schnell: Obwohl Bonobomänner größer sind als die Frauen, haben sie nichts zu sagen. Wie geht das? „Die Frauen halten zusammen, zementieren so ihre Macht“, sagt die Tierpflegerin. Junge Männchen benötigen daher den besonderen Schutz ihrer Mutter. „Die Liebe und der Beschützerinstinkt der Mädels für ihre Söhne sind oft riesengroß“, sagt Melissa Fassnacht. Während die Tierpflegerin erzählt, sieht man Chimba neben ihrem Affenkind, es will an einem Seil klettern, das klappt noch nicht allein, und Chimba passt mit Argusaugen auf. Auf der anderen Seite der Scheibe hält eine Mutter das Händchen ihres Kleinkindes, es versucht eine Treppenstufe herabzukommen. Und das ist witzig, wie ähnlich beides wirkt, vor und hinter der Scheibe. Bei den Bonobos sehen manche Affenkinder gar so glatzköpfig aus wie Menschenbabys. Sie sind Opfer der übertriebenen Fellpflege ihrer Mütter.

An den kahlen Stellen erkennt man, wer bei den Bonobos beliebt ist: nämlich die Verrupftesten. Gerade die 30-jährige Chimba wirkt auch räudig, an ihr streichelt dauernd wer rum. Chimba, erzählt Melissa Fassnacht, hatte sich trotz ihrer Beliebtheit bis vor Kurzem Zeit gelassen, um sich fortzupflanzen. Es hat einfach zuvor mit keinem der Männer gepasst, vermutet die Tierpflegerin.

Um Stress abzubauen, reiben Bonobos ihre Genitalien aneinander, das sieht man in den Gehegen immer wieder. Es geht aber so schnell, dass man sich fragt: War das schon Sex? Vielleicht nicht immer, wie der Mensch es sich vorstellt. Bonobos reiben sich auch mal aus wonniger Aufregung darüber, dass es gleich Essen gibt, aneinander. Sex macht ihnen einfach Spaß. Meist schnappt sich ein Weibchen ein Männchen und legt es sich zwischen die Beine. Bonobofrauen sind für die Männer recht gut an ihrer eindrücklichen rosa-wulstigen Genitalschwellung zu erkennen. Das imponiert den Bonobomännern, es trifft ihren Geschmack.

Gelbbrustaras

Bei Pedro und Theo hat es Zoom gemacht. Die bunt gefederten Gelbbrustaras sind beide Männchen, und sie lieben sich über alles. Deshalb leben sie monogam. Ständig pflegen sie einander eifrig das Gefieder mit ihren Schnäbeln, füttern sich gegenseitig und schlafen gemeinsam in ihrer Bruthöhle. „Papageien sind sehr wählerisch, was ihre Partner angeht“, sagt Tierpflegerin Christina Schwab, deshalb gebe es sogar Partnerbörsen, bei denen die Papageien einander aussuchen dürften. Auch homosexuelle Liebe wie bei Pedro und Theo kommt vor.

Passt es zwischen zwei Papageien nicht, wird höchstens gekuschelt, das war’s. Wenn sie den Richtigen aber erst einmal gefunden haben, sagt die Tierpflegerin, lebten viele Arten monogam. Stirbt der Partner irgendwann, suchen sie sich keinen Neuen, es wirkt, als trauerten sie. „Für Papageien ist es extrem wichtig, dass der Kopf gesund bleibt, also mental“, sagt Christina Schwab. „Dazu gehört auch eine gute Paarbeziehung.“

Keas

Tekao ist eine kleine Diva, die grün gefiederte Keadame hüpft aufmerksamkeitsheischend hinter Nelson her: Er soll sie gefälligst beachten! Meist stört es die Papageienfrau gewaltig, wenn er etwas hat, etwa eine Nuss oder wie gerade einen Pappkarton, was sie auch gerne hätte. Dann überlässt er es ihr schnell und kampflos. Wenn sie wieder in ihrer Art so angehüpft kommt, weiß er ja: Die gibt sonst keine Ruhe. Christina Schwab hat das schon öfter beobachtet, allerdings sagt sie: „Nelson ist selbst auch nicht der perfekte Ehemann.“ Das Keamännchen ist total kindisch verspielt und oft egoistisch.

Nelson hat sich eine Strategie überlegt, wie er ein köstliches Frühstücksei an seiner Partnerin vorbeischmuggeln und es dann ganz allein verspeisen kann. Mit dem Ei haut er frühmorgens schnell und leise nach draußen ab, wenn sie gerade nicht herguckt. Keas leben polygam oder – wie im Fall von Tekao und Nelson – monogam.

Anemonenfische

Sie haben ein kurioses Geschlechtsleben: Anemonenfische leben in den Korallenriffen des Indopazifiks. Sie werden alle als Männchen geboren – und manche von ihnen entwickeln sich später zu Weibchen. Das älteste Tier in einer kleinen Gruppe ist immer weiblich. Stirbt es, beginnt beim nächstälteren Männchen rapide eine Geschlechtsumwandlung, die nach wenigen Tagen abgeschlossen und unumkehrbar ist. „So ist gesichert, dass immer Fortpflanzung stattfinden kann“, erklärt Tierpfleger Philipp Bronner.

Eine Variante, die es bei anderen Fischarten, wie den Lippfischen, auch umgekehrt gibt: Weibchen werden zu Männchen. Manche Arten können sogar öfter hin- und herwechseln. „Gerade bei Meerestieren hat sich die Natur die verrücktesten Modelle ausgedacht – Gründe dafür gibt es viele, aber einer ist ein entscheidender Faktor“, sagt Bronner.

„In den Tiefen des Meeres mit Felsspalten, Abgründen und unendlichen dunklen Weiten treffen manche Tiere nur selten auf Artgenossen.“ Wenn doch, dann ist es sehr praktisch, sich mit diesem Erstbesten direkt fortpflanzen zu können.