Einst war Marine Le Pen das Gesicht der rechtsradikalen Front National. Nun bekommt ihre Tochter bei den Parlamentswahlen einen aussichtsreichen Wahlbezirk.

Paris - Die Familie muss zusammenhalten. Bei den Le Pens ist das gelebte Wirklichkeit. Im Januar 2011 hatte Jean-Marie Le Pen, der greise Gründer des Front National, seiner Tochter Marine unter dem Beifall der Delegierten die Parteiführung vermacht. Anderthalb Jahre später wird nun auch die Enkelin bedacht. Die 22-jährige Jurastudentin Marion Le Pen bekommt bei den anstehenden Parlamentswahlen den besten Wahlkreis, den die Rechtspopulisten zu vergeben haben. Im südfranzösischen Carpentras darf sie antreten, wo die fremden- und europafeindlichen Botschaften des FN auf ganz besonders fruchtbaren Boden fallen.

 

Großvater Jean-Marie hatte sie dort einst auf äußerst derbe Art unters Volk gebracht. Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Aufrufs zum Rassenhass waren die Folge. Als auf dem jüdischen Friedhof der Stadt 1990 Gräber geschändet wurden, stand der Patriarch als geistiger Urheber des Verbrechens am Pranger. Marine Le Pen verpasste den hässlichen Tiraden des Vaters ein ansehnlicheres Gewand. Wenn sie gegen den Islam zu Felde zieht, warnt sie nicht vor muslimischen Eroberern, die Frankreich mit Minaretten bestückten. Sie bekundet ihre Sorge, der Islamismus könne die weltliche Verfassung des Landes aushöhlen. In Carpentras bekam die FN-Chefin bei den Präsidentschaftswahlen 31,5 Prozent der Stimmen.

Fremdenfeindlichkeit hübsch verpackt

Die hübsche Marion verpackt die Fremdenfeindlichkeit nun noch gefälliger. Die Tochter von Marines älterer Schwester Yann klagt über wachsende Kriminalität und schlecht integrierte Immigranten. Der Wähler versteht wohl auch so, was gemeint ist. Sorge macht der Kandidatin allein, dass die am 10. Juni an die Urnen gerufenen Mitbürger einer politischen Anfängerin womöglich nicht zutrauen, Frankreich auf rechten Kurs zu bringen. Wie Großvater und Tante sieht sich auch der jüngste Spross der Le-Pen-Dynastie Anfeindungen ausgesetzt. „In der Schule hat man mich bespuckt und in die Toilette eingesperrt“, erzählt die angehende Juristin. An der Pariser Universität pflegten sich Professoren in vielsagenden Andeutungen zu ergehen.

Aber das schweißt die Familie zusammen. Das Parteiprogramm kennt die aufstrebende Frontpolitikerin bereits aus dem Effeff. Der Vater, Samuel Maréchal, hat es ihr erläutert, als sie noch ein kleines Mädchen war. Als Jugendleiter des FN sah er sich hierzu berufen. Mit 20 Jahren machte Marion Le Pen erstmals auf sich aufmerksam. Sie kandidierte im Großraum Paris bei den Regionalwahlen – und verlor. Ein Probelauf war das gewesen. Nun folgt der Ernstfall. Diesmal hat sie beste Erfolgsaussichten. Wenn sie gewinne, sagt sie, werde sie die befleckte Ehre des als Friedhofsschänder von Carpentras in Verruf gebrachten Großvaters reinwaschen. Die Le Pens halten eben zusammen.