Seit zehn Jahren fördert Baden-Württemberg die Mikrosystemtechnik. Zum Jubiläum zeigt der Fachverband, in dem sich Unternehmen und Hochschulen zusammengefunden haben, seine Leistungen: kleine Roboter und Sensoren.

Stuttgart - Die bionische Ameise durfte natürlich nicht fehlen bei der Veranstaltung in der Stuttgarter Liederhalle, mit welcher der Fachverband Mikrosystemtechnik Baden-Württemberg (MST BW) jetzt sein zehnjähriges Bestehen feierte (siehe 2. Seite). Schließlich ist der in Esslingen ansässige Roboterhersteller Festo von Anfang an Mitglied des Vereins. Mit seiner Bionic ANT hat das Unternehmen kürzlich auf der Hannover Messe Aufsehen erregt: die Miniroboter arbeiten wie Ameisen zusammen, um etwa ein für ein einzelnes Gerät viel zu großes Objekt zu bewegen.

 

Doch nicht nur die Programmierung samt den zugrunde liegenden Algorithmen, sondern auch die Hardware selbst demonstriert eindrucksvoll, was heute in der Mikrosystemtechnik möglich ist. So werden die Bewegungen der sechs Beine sowie der beiden Greifzangen am Kopf durch sogenannte piezokeramische Biegewandler bewerkstelligt. Dazu müssen die 8,4 Volt der beiden Lithiumionenakkus – sie halten bis zu 40 Minuten – auf 300 Volt transformiert werden. Legt man Strom an, wird das Piezoelement verformt. So kann man die Roboterameise krabbeln lassen: Verformt sich der oben liegende Biegewandler, hebt sich das Bein. Das darunter liegende Element bewirkt, dass sich das Bein nach vorne und hinten auslenken lässt. Sensoren am Bauch und eine dreidimensionale Kamera am Kopf erlauben der Ameise, sich im Raum zu orientieren.

Die Bionic ANT – wobei ANT für englisch Ameise wie auch für Autonomus Networking Technologies steht – ist allerdings nur ein wenngleich sehr anschauliches Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Mikrosystemtechnik in Baden-Württemberg. Deren Interessen werden von dem Fachverband MST BW vertreten, in dem sowohl Unternehmen als auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen organisiert sind. Ganz oben steht dabei der Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zudem hat das Land den Verband mit dem Management des Clusters Microtec Südwest beauftragt, der, wie bei der Veranstaltung mehrfach betont wurde, einer der bundesweit erfolgreichsten Spitzencluster ist. Er setzte sich 2010 bei einem entsprechenden Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit Bravour durch.

Die EU lädt zu Bewerbungen ein

Mit seinen mehr als 360 Partnern zählt Microtec Südwest nach eigenen Angaben zu den größten Technologie-Netzwerken in Europa – mit dem Ziel, bis 2020 europaweit das führende Cluster zu werden. Daher durfte ein EU-Vertreter bei der Jubiläumsfeier nicht fehlen. Khalil Rouhana, der im EU-Generaldirektorat Connect das Fachgebiet „Komponenten und Systeme“ leitet, pries die verschiedenen Projekte an, bei denen die EU viele Millionen Euro an Fördermitteln zu vergeben gedenkt. Und er forderte die in Stuttgart versammelten Mikrosystemtechniker auf, sich über diese Möglichkeiten näher zu informieren: „Wir wünschen uns, dass Sie daran teilnehmen.“

Die technischen Voraussetzungen dazu sind gut, schließlich mischen viele Mitglieder des Netzwerks auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik weltweit vorne mit. So gilt beispielsweise Bosch Sonsortec als Weltmarktführer bei der Mikrosensortechnik. Vor 20 Jahren hatte Bosch in Reutlingen mit der Produktion kleiner Sensoren – Micro-Electro-Mechanical Systems (MEMS) genannt – fürs Autos begonnen. Vor zehn Jahren kam dann ein tiefgreifender Wandel, weil Minisensoren in Spielekonsolen und dann vor allem in Smartphones Einzug hielten. Inzwischen hat das Unternehmen mehr als fünf Milliarden dieser MEMS hergestellt. Sie messen zum Beispiel Beschleunigung, Druck, Durchfluss oder dienen als Mikrofon. Viele dieser Aufgaben erledigen sie gleichzeitig und arbeiten im Auto als elektronisches Sicherheitssystem oder ermöglichen im Smartphone, dass sich der Bildschirm zusammen mit dem Gerät in die Horizontale oder Vertikale dreht. Und ein soeben vorgestellter Umweltsensor misst gleichzeitig Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Luftqualität in Form flüchtiger organischer Substanzen (VOC).

Immer mehr Funktionen, immer kleiner, immer leistungsfähiger und immer sparsamer beim Energie- und Ressourcenverbrauch: was für Sensoren im Auto, im Smartphone und demnächst auch im intelligenten Haus gilt, trifft auch auf die Mikroanalyse bei der Diagnose krankheitsrelevanter Parametern zu. So gibt es bereits gerade einmal blumentopfgroße Systeme, die eine ganze Laborausstattung ersetzen – und die dabei noch schneller sind als die großen Geräte, etwa bei der Diagnose der Influenza, die nun innerhalb von 20 Minuten möglich ist. Roche Diagnostics, ebenfalls Mitglied bei MST BW, fühlt sich auf diesem Gebiet gut gerüstet – einem in Zukunft dank alternder Gesellschaft und zunehmend personalisierter Medizin weltweit wachsenden Industriezweig.

Zehn Jahre Förderung der Mikrosystemtechnik im Land

Jubiläum
Vor zehn Jahren wurde der Fachverband Mikrosystemtechnik Baden-Württemberg (MST BW) in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium des Landes gegründet. Der Verein mit Sitz in Freiburg und einer Geschäftsstelle in Stuttgart ist der zentrale Ansprechpartner für Mikrosystemtechnik im Land.

Mitglieder
Unter den 16 Gründungsmitgliedern waren Unternehmen wie Bosch, Festo und Roche sowie Hochschulen wie die Uni Stuttgart und andere Forschungseinrichtungen. Heute hat der Verband 108 Mitglieder.