Hunde, Ziegen, Hängebauchschweine: Im Tierheim Stuttgart leben ständig 600 bis 800 Tiere. Der Tierschutzverein feiert am Sonntag sein 175-jähriges Jubiläum – und wünscht sich zum Geburtstag einen Ausweg aus seiner finanziellen Misere.

Stuttgart – Der Stuttgarter Tierschutzverein ist mit 175 Jahren der älteste Tierschutzverein Deutschlands und der zweitälteste Europas. Seit 2008 ist die 57-jährige Esslingerin Angelika Schmidt-Straube die 1. Vorsitzende des Vereins. Zum Jubiläum, das am Sonntag, 17. Juni, gefeiert wird, zieht die Tierschützerin Bilanz.
Frau Schmidt-Straube, 1837 wurde Ihr Verein von dem Stuttgarter Albert Knapp gegründet – einem Pfarrer. Wie kam es dazu ?
Albert Knapp war Pfarrer in Stuttgart, und er hatte einen väterlichen Freund, Christian Adam Dann. Er war Pfarrer in Mössingen, und dort sah er, ein Tier eines Storchenpaares erschossen wurde. Das hat ihn zutiefst berührt, so dass er Schriften verfasst und sich gegen die Tierquälerei eingesetzt hat. Damit war er im Grunde der Wegbereiter dieses Tierschutzvereins. Leider verstarb er aber vor der Gründung, so dass sein jüngerer Freund Albert Knapp seine Arbeit übernahm und den Tierschutzverein gegründet hat.

Sie haben zurzeit rund 2000 Mitglieder. Können Sie damit zufrieden sein in einer Stadt mit rund 600 000 Einwohnern?
2000 Mitglieder – das ist für eine Stadt in der Größe Stuttgarts nicht sehr viel. Ich denke, dass die Leute sich einfach nicht an einen Verein binden wollen. Dabei gibt es bei uns keine Anwesenheitspflicht, keine Arbeitsstunden, und die Mitglieder zahlen nur einen geringen Beitrag. Es ist also eher eine ideelle Geschichte. Daher finde ich auch, dass jeder, der ein Tier hat, Mitglied im Tierschutzverein sein sollte.

Tierschutz ist vielfältig. Welche Aufgaben sehen Sie speziell für Ihren Verein?
Wir machen vor allem karitativen Tierschutz, das heißt, wir machen Vor-Ort-Besuche, wenn wir zum Beispiel von misshandelten Tieren erfahren. Wir betreiben Aufklärungsarbeit, veranstalten Aktionen gemeinsam mit der Polizei und so weiter. Und die Tiere, die zu uns kommen, versuchen wir in gute Hände zu vermitteln. Es gibt also Vorbesuche bei den Familien und viele Gespräche. Denn viele Menschen wissen gar nicht, was auf sie zukommt, wenn sie sich ein Tier zulegen. Ein Hund kann zum Beispiel 18 oder 20 Jahre alt werden und so lange sollte sich der Mensch eben auch ein bisschen nach dem Tier richten. Den politischen Tierschutz betreiben dann eher unser Bundes- und der Landesverband, denen wir angeschlossen sind. Aber zu politischen Fragestellungen tragen wir natürlich auch mit Unterschriftenaktionen und Aufklärungsarbeit bei.

Wie viele Tiere leben bei Ihnen im Tierheim, und warum werden sie hergebracht?
Wir haben immer zwischen 600 und 800 Tiere hier, darunter Hunde, Katzen, Kleintiere, Pferde, Ziegen, Vögel, Hängebauchschweine und auch ein paar Exoten. Immer wieder geben Privatpersonen ihre Tiere hier ab, aus welchen Gründen auch immer – Allergie, Krankheit, keine Zeit, Scheidungswaisen, solche Dinge. Dann gibt es Fundtiere, die irgendwo gefunden und hier abgegeben werden. Und wir haben sogenannte Verwahrtiere, die dem Besitzer wegen schlechter Tierhaltung weggenommen wurden. Manchmal kommen die Tiere aber auch, weil der Besitzer ins Krankenhaus muss oder – wenn er sich etwas hat zuschulden kommen lassen – weil er hinter schwedischen Gardinen sitzt.

Wenn Sie einen Geburtstagswunsch frei hätten – wie fiele der aus?
Zum einen wünsche ich mir die finanziellen Mittel, die nötig sind, um dieses Heim ständig betreuen zu können und in dieser Form weiterzuführen. Denn manchmal habe ich wirklich schlaflose Nächte, weil ich nicht weiß, woher ich das Geld nehmen soll. Und ich wünsche mir ein besseres Tierschutzgesetz, denn Tiere werden immer noch als Ware und Speise behandelt. Und ich wünsche mir mehr Bewusstsein bei den Menschen – damit sie sehen, dass ein Tier ein fühlendes Geschöpf ist, das Freude, Schmerz und Leid empfindet wie wir auch.