Viele haben Franz Lutz gar nicht erkannt. Dabei ist der neue Polizeipräsident extra zur 185. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 gekommen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Da wurde auch über das Verhältnis der S-21-Gegner zur Polizei gesprochen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Es hat zunächst bei der 185. Montagsdemo so geklungen, als hätten die Stuttgart-21-Gegner ein Problem mit der Polizei. Bereits im Vorfeld war angekündigt worden, es würde am Abend darüber berichtet werden, wie die Fahrraddemo in jüngster Zeit behindert werde. Die Radler treffen sich jeden Montag im Stuttgarter Westen, um mit den Zweirädern zur Demo vor dem Hauptbahnhof zu stoßen. Sie hätten bis vor Kurzem immer von Polizeimotorrädern begleitet über rote Ampeln fahren dürfen. Nun müssten sie immer anhalten. Der Vorwurf stimme zwar, doch sei nicht die Polizei schuld an der Änderung, sondern die Stadtverwaltung. Das Amt für öffentliche Ordnung habe verfügt, dass die Radler auf ihrem Weg vom Westen in die Stadtmitte anhalten müssen, stellte Peter Pipiorke klar, einer der  Organisatoren der Protest-Radfahrten.

 

Insofern ist es ein guter Einstieg für den neuen Polizeipräsidenten Franz Lutz gewesen – seine Polizei blieb von der anfangs angekündigten Kritik verschont. Seit dem vergangenen Donnerstag ist Lutz im Amt, an seinem dritten Arbeitstag nahm er seinen ersten Auswärtstermin wahr. Der Weg führte ihn vom Pragsattel zum Hauptbahnhof, zur 185. Montagsdemo. „Ich wollte einen Blick auf das Demonstrationsgeschehen werfen und mir einen ersten Eindruck verschaffen“, sagte er. Dieser sei sehr positiv: „Ich bin schwer beeindruckt von der Friedlichkeit des Protests und der Vielzahl unterschiedlicher Menschen, die sich hier zusammenfinden“, schilderte er seine Wahrnehmung.

„Kein Moos für Murks“

Der Hauptredner des Abends, Wolfgang Kuebart von den Ingenieuren 22, stellte seinen Beitrag unter den Titel „Kein Moos für Murks, Herr Finanzminister Schmid“. Er forderte, das Land solle Zahlungen zurückhalten, bis die Bahn die Mehrkosten für das Projekt Stuttgart 21 offenlege.

Ein wenig überrascht reagierten die Ehrenamtlichen in der Mahnwache, als Lutz ihnen am Rande der Demo einen Besuch abstattete. „Ich bin einfach mal um den Tresen rumgegangen, um mit den Bürgerinnen zu reden.“ Die hätten sich gewundert, wer sich so etwas einfach trauen würde. Und wieder ist der Polizeipräsident beeindruckt. Dieses Mal vom langen Atem der Mitarbeiter in der Mahnwache, die seit Jahren beim Hauptbahnhof im Einsatz sind. Das gilt in den Augen des Polizeipräsidenten Franz Lutz auch für die Demonstranten: „Seit mehr als vier Jahren stehen sie regelmäßig für ihre Überzeugung ein“, sagte er. Die Polizei sei dazu da, diesen friedlichen Protest zu ermöglichen. Störer oder unfriedliche Personen habe er im Demozug keine wahrgenommen.

Den neuen Polizeipräsidenten erkennen nur wenige

Von Franz Lutz’ Vorgänger im Amt, dem im Juni bei einem Motorradunfall ums Leben gekommenen Thomas Züfle, waren es die Stuttgart-21-Gegner gewohnt, dass er bei Demonstrationen auftauchte. Den neuen Polizeipräsidenten erkannte aber bei seinem ersten Besuch kaum jemand. Das wird sich wahrscheinlich bald ändern, denn Lutz hat sich vorgenommen, sich in der nächsten Zeit an vielen Stellen in der Stadt umzusehen.

Am Montag war er außer bei der Demonstration gegen Stuttgart  21 auch bei der Mahnwache der Asylbewerber aus dem Main-Tauber-Kreis, die seit Wochen vor dem Integrationsministerium ausharren. Der Kundgebung, um die Forderungen der Asylbewerber zu unterstützen, schlossen sich auch viele Teilnehmer der Montagsdemo an. Die Demonstrierenden wollten damit ein Zeichen setzen gegen „Abschiebungen, Lagerpflicht und die rassistische Asylpolitik Deutschlands“. Nach Auskunft der Polizei gab es dabei keine Zwischenfälle.