Sport: Dominik Ignée (doi)
Welche Tücken hat die Nachtfahrt?
Sie ist die größte Herausforderung. Man muss die Geschwindigkeit finden und es erst einmal üben. Die Strecke ist nicht beleuchtet, man kann den Bremspunkt nicht finden und muss sich an anderen Dingen orientieren. Außerdem sieht man den Verlauf der Kurve nicht mehr so richtig und fährt nach Gefühl. Aber generell ist es so, dass die Rundenzeiten am Tag und in der Nacht gleich gut sind – wenn sie in der Nacht nicht sogar etwas besser werden. Das liegt an den kühleren Temperaturen, bei vergleichsweise noch warmem Asphalt. Wenn es hell wird, aber die Sonne noch nicht da ist, sprechen wir dann von der Happy Hour. Da werden die schnellsten Runden gefahren. Die Luft ist kühl, und – wichtig – man kann wieder alles sehen.
Wann genau findet die Happy Hour statt?
Zwischen fünf und sieben Uhr am Sonntagmorgen.
Und wann ist die Müdigkeit am größten?
Es ist bei jedem unterschiedlich. Bei mir kommt die große Müdigkeit meistens am Sonntagmorgen. Wenn ich da um zehn Uhr ins Auto muss, wird es schwer, weil man weiß, dass man eigentlich durch ist – aber trotzdem noch einmal für drei Stunden ins Auto muss. Da könnte Le Mans eigentlich schon vorbei sein.
Im Auto können Sie es sich aber nicht leisten, müde zu sein.
Man ist im Wagen voller Adrenalin und so fokussiert, dass man es nicht spürt. Nur wenn man dann draußen steht, ist man doch sehr geschlaucht, auch die Muskeln tun weh. Am Sonntagabend nach dem Rennen und nach dem ersten Bier liegen dann die Köpfe auf dem Tisch.
Ist es wichtig fürs Ego, in der letzten Stunde zu fahren, um sich dann im Optimalfall als Sieger feiern zu lassen?
Für mich spielt das keine Rolle. Es ist ein Teamsport. Es gibt ja die Legende, dass Jacky Ickx nie der letzte Fahrer sein wollte, damit er frisch geduscht auf dem Podium stehen kann. Ich kann nur eines sagen: Wenn du um 13 Uhr am Sonntag austeigst und das Auto dem letzen Kollegen übergibst, beginnen für dich die längsten zwei Stunden deines Lebens.
Aus Angst, der Teamkollege könnte alles vermasseln?
Es kann ja auch ein Reifenschaden das Rennen zerstören. Es geht wirklich nur noch darum, dass die Kiste ins Ziel kommt.
Was ist die größte Herausforderung in Le Mans?
Es gibt da einige. Weil die Strecke zum Teil sehr schmal ist, kann man die langsamen Fahrzeuge nur schwer überholen. Es gibt auch viele schnelle Kurven, die wir im sechsten Gang fahren – da sind wir mit einer Kurvengeschwindigkeit von bis zu 245 Stundenkilometern unterwegs. Und ein kritischer Punkt sind die Schikanen, vor denen man von Tempo 340 auf 70 herunterbremsen muss. Da die Konzentration über so einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten ist schwierig. Einen Tick zu spät gebremst – und schon schießt du geradeaus ins Kiesbett, hast Steine im Kühler. Und so geht es dann wieder in die Box, und der nächste Zeitverlust ist perfekt.
Sie müssen unter anderem das Hybridsystem steuern, Sprit sparen oder die Temperatur regeln. Wird das Fahren nicht immer komplizierter? Und macht das noch Spaß?
Natürlich macht es noch Spaß, Rennen zu fahren. Wir haben aber immer mehr Knöpfe am Lenkrad, das stimmt. Wenn man da auf der Geraden zwei oder drei Autos überholen will, währenddessen auch noch drei Knöpfe drücken und in Funkkontakt mit dem Kommandostand bleiben muss, dann wird es schon mal hektisch. Aber man gewöhnt sich dran. Anfangs dachte ich: das geht nicht. Aber es geht doch.