Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Einen Kardinalfehler der vergangenen 25 Jahre sieht der IWH-Präsident in dem Bestreben, Wachstumsfelder in der alten Industrie zu suchen. „Der überwältigende Teil der großen deutschen Konzerne ist älter als hundert Jahre“, erläutert er. Anders als in den USA, deren Vorzeigeunternehmen wie Facebook & Co. relativ jung seien, sei es in Deutschland „außerordentlich schwierig, als neue Firma groß zu werden“.

 

So ist in Ostdeutschland keine Neugründung gelungen, die einen furiosen Aufstieg zum Großunternehmen hingelegt hat. Vielmehr gilt es schon als Erfolg, wenn ein altbekanntes DDR-Produkt in die neue Zeit gerettet werden konnte – mit deutlich dezimierter Belegschaft. „Die mangelnde wirtschaftliche Dynamik ist ein Problem in Deutschland“, sagt Gropp. „Dem Osten hat dies besonders geschadet.“ Aus seiner Sicht sollte „die Reise der Industrie in Richtung Apple-Modell gehen“. Dies ist eine Anspielung auf den Apple-Standort südlich von San Francisco, wo 25 000 Mitarbeiter über neue Produkte nachdenken, ohne zu produzieren. „Dieses Modell ist bei uns schwer zu vermitteln“, sagt Gropp. „Wir sind stolz darauf, hier zu produzieren – dabei müssten wir mehr in Technologie und Hochschulen investieren, weniger in Fabriken.“

Seit der Wiedervereinigung sei unglaublich viel Geld darauf verwendet worden, alte Strukturen zu erhalten, anstatt es in schlaue Leute und Existenzgründungen zu stecken. Mit hohen Subventionen wurden „zu irrsinnigen Kosten“ industrielle Kerne erhalten – „damit hat Deutschland die Transformation von einer klassischen Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft ein Stück weit verschlafen“.

Sozialreport zum Automobilcluster Leipzig

Am Pranger steht vor allem die Treuhandanstalt, die nach der Wende die volkseigenen Betriebe privatisierte. Beim Ausverkauf der DDR-Wirtschaft bevorzugte sie meist westdeutsche Übernahmeinteressenten und warf ihnen letztendlich viel Geld hinterher – mit dem Ergebnis, dass diese ihre Konkurrenz beseitigen konnten. Lediglich in 15 Prozent der Fälle erhielten Ostdeutsche eine Chance. Die Folgen der Marktbereinigung sind bis heute spürbar.

Auch die Leuchttürme westlicher Prägung werfen Schatten: Vor wenigen Tagen hat die IG Metall einen „Sozialreport Automobilcluster Leipzig“ vorgelegt. 18 000 Arbeitsplätze sind an dem Standort entstanden, doch nur 8300 zählen zur Stammbelegschaft – der Rest arbeitet für Zulieferer, Werkvertrags- oder Leiharbeitsfirmen. Von Beginn an wurde die Produktion fragmentiert, Kernaufgaben wurden an industrielle Dienstleister vergeben. Diese liefern sich einen harten Wettbewerb zum Vorteil der Autohersteller. Die Branche habe den Standort Leipzig zu einem Labor für die weltweit modernsten Produktions- und Arbeitszeitkonzepte gemacht, resümiert die IG Metall – mit gemischten Gefühlen. Denn nun verdienen 29 Prozent der von ihr Befragten inklusive aller Zuschläge weniger als 1750 Euro brutto im Monat.

Die deutschen Unternehmen sind veraltet

Einen Kardinalfehler der vergangenen 25 Jahre sieht der IWH-Präsident in dem Bestreben, Wachstumsfelder in der alten Industrie zu suchen. „Der überwältigende Teil der großen deutschen Konzerne ist älter als hundert Jahre“, erläutert er. Anders als in den USA, deren Vorzeigeunternehmen wie Facebook & Co. relativ jung seien, sei es in Deutschland „außerordentlich schwierig, als neue Firma groß zu werden“.

So ist in Ostdeutschland keine Neugründung gelungen, die einen furiosen Aufstieg zum Großunternehmen hingelegt hat. Vielmehr gilt es schon als Erfolg, wenn ein altbekanntes DDR-Produkt in die neue Zeit gerettet werden konnte – mit deutlich dezimierter Belegschaft. „Die mangelnde wirtschaftliche Dynamik ist ein Problem in Deutschland“, sagt Gropp. „Dem Osten hat dies besonders geschadet.“ Aus seiner Sicht sollte „die Reise der Industrie in Richtung Apple-Modell gehen“. Dies ist eine Anspielung auf den Apple-Standort südlich von San Francisco, wo 25 000 Mitarbeiter über neue Produkte nachdenken, ohne zu produzieren. „Dieses Modell ist bei uns schwer zu vermitteln“, sagt Gropp. „Wir sind stolz darauf, hier zu produzieren – dabei müssten wir mehr in Technologie und Hochschulen investieren, weniger in Fabriken.“

Seit der Wiedervereinigung sei unglaublich viel Geld darauf verwendet worden, alte Strukturen zu erhalten, anstatt es in schlaue Leute und Existenzgründungen zu stecken. Mit hohen Subventionen wurden „zu irrsinnigen Kosten“ industrielle Kerne erhalten – „damit hat Deutschland die Transformation von einer klassischen Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft ein Stück weit verschlafen“.

Sozialreport zum Automobilcluster Leipzig

Am Pranger steht vor allem die Treuhandanstalt, die nach der Wende die volkseigenen Betriebe privatisierte. Beim Ausverkauf der DDR-Wirtschaft bevorzugte sie meist westdeutsche Übernahmeinteressenten und warf ihnen letztendlich viel Geld hinterher – mit dem Ergebnis, dass diese ihre Konkurrenz beseitigen konnten. Lediglich in 15 Prozent der Fälle erhielten Ostdeutsche eine Chance. Die Folgen der Marktbereinigung sind bis heute spürbar.

Auch die Leuchttürme westlicher Prägung werfen Schatten: Vor wenigen Tagen hat die IG Metall einen „Sozialreport Automobilcluster Leipzig“ vorgelegt. 18 000 Arbeitsplätze sind an dem Standort entstanden, doch nur 8300 zählen zur Stammbelegschaft – der Rest arbeitet für Zulieferer, Werkvertrags- oder Leiharbeitsfirmen. Von Beginn an wurde die Produktion fragmentiert, Kernaufgaben wurden an industrielle Dienstleister vergeben. Diese liefern sich einen harten Wettbewerb zum Vorteil der Autohersteller. Die Branche habe den Standort Leipzig zu einem Labor für die weltweit modernsten Produktions- und Arbeitszeitkonzepte gemacht, resümiert die IG Metall – mit gemischten Gefühlen. Denn nun verdienen 29 Prozent der von ihr Befragten inklusive aller Zuschläge weniger als 1750 Euro brutto im Monat.

Der Osten bleibt als Niedriglohnland attraktiv: Zwar betrage die Ost-West-Differenz bei den tariflichen Grundvergütungen nur noch drei Prozent, schildert IG-Metall-Vorstandsmitglied Lemb. Doch seien lediglich 20 Prozent der Betriebe und 46 Prozent der Beschäftigten in der Tarifbindung.

Der hohe Anteil an prekärer Beschäftigung im Osten betoniert auch die seit Mitte der neunziger Jahre fast unveränderten Lohnunterschiede: Laut dem Statistischen Bundesamt ist der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst vollzeitbeschäftigter Männer im Osten um 27 Prozent niedriger als im Westen – die Frauen verdienen 16 Prozent weniger. Selbst unter Einrechnung der niedrigeren Lebenshaltungskosten kommt der Osten nur auf 83,5 Prozent des westlichen Einkommensniveaus. Wenn die Entwicklung in diesem Tempo weitergeht, so eine Berechnung des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ), wird die Angleichung erst 2081 erreicht. Solange wird aber kein Ostdeutscher warten wollen.