Eigentlich war die Sendung „Eisenbahn-Romantik“ nur als Pausenfüller im dritten Programm des Süddeutschen Rundfunks gedacht. Doch seit 25 Jahren ist das Format ein Renner und Hagen von Ortloff der „Mister Eisenbahn-Romantik“.

Stuttgart - Seit 25 Jahren ist Hagen von Ortloff der „Mister Eisenbahn-Romantik“ im SWR Fernsehen. Das wird nun gefeiert.

 
Herr von Ortloff, seit einem Vierteljahrhundert sind Sie mit Ihrer Eisenbahn auf Sendung. Was ist die Erfolgsformel?
Es gibt bei Eisenbahn-Romantik eigentlich keine Erfolgsformel. Bei genauerem Nachdenken kommt man darauf, dass bereits der Titel die Erfolgsformel ist. Da kommt eine kleine Lok aus dem Wald ins Bild gezuckelt, mit vier schnuckeligen Wagen, über Gleise die eingewachsen sind und dazu eine Musik die einen zum Träumen bringen kann. Wir haben den Zuschauer immer als unseren Freund betrachtet und so wird er auch behandelt. Auch nach 25 Jahren. Das heißt, ein Thema wird informativ, aber vor allen Dingen unterhaltsam aufbereitet. Man darf nicht zu tief in die Materie eindringen, oder zu speziell werden, denn die Zuschauer sollen angesprochen, nicht vergrault werden. Einfache Sätze, schöne Bilder, liebevolle, wahlweise romantische Beschreibungen.
Wer ist der typische Zuschauer von Eisenbahn-Romantik?
Den typischen Zuschauer kennen wir nicht. Wir wissen nur, dass der Zuschauer mit unserer Sendung auch älter geworden ist. Das durchschnittliche Alter beträgt 65 Jahre. Zwei Drittel der Zuschauer sind männlichen Geschlechtes.
Was hat die Eisenbahn mit Romantik zu tun?
Die Eisenbahn ist zwar ein Verkehrsträger, aber ihre Faszination, speziell in der Vergangenheit, hervorgerufen natürlich durch die Dampflokomotive hat die Eisenbahn auch zu einem Objekt der Träume gemacht. Vor einem halben Jahrhundert wollte jeder zweite Junge in Deutschland Lokomotivführer werden. Das lag natürlich an der Faszination der Dampflokomotiven. Und die haben auch eine Menge Romantik verstreut. Früher durch die Vorstellung, dass man weit wegreisen konnte, heute dass die Dampflokomotiven ein lebendiges Stück Technikgeschichte sind.
Werden Sie bei Ihren Bahnreisen noch vom Personal kontrolliert?
Natürlich werde ich vom Schaffner kontrolliert, ich zahle meine Fahrkarten nach wie vor selber, habe natürlich eine BahnCard 50 und manchmal werde ich von den Schaffnern tatsächlich angesprochen.
Was war ihr aufregendster Dreh?
Aufregend waren die Dreharbeiten in Peru als wir von Cuzco zum Titicacasee gefahren sind und in der anderen Richtung nach Aquas Calientes um dann auf den Berg zur Inka Ruinenstadt Machu Piccu zu klettern. Mit den einfachen Booten der Urus am Ufer des Titicacasees abgeholt zu werden und dann auf die schwimmenden Inseln zu fahren, das war überaus eindrucksvoll. Wir befinden uns in 3800 Metern Höhe und in einer völlig anderen Welt. Die Fahrt in die andere Richtung nach Aquas Calientes verlief völlig normal, doch als wir aus dem Zug ausgestiegen sind, mussten wir erfahren, dass der Bus nicht hinauf zur Ruinenstadt Machu Piccu fahren konnte, weil in der Nacht zuvor ein Erdrutsch niedergegangen ist. So durfte ich tausend Höhenmeter mit dem Stativ auf dem Rücken überwinden.
Sie waren auf den Demos gegen Stuttgart 21 auf dem Podium. Wie beurteilen Sie den Stand der Dinge?

Stuttgart 21 ist ein Projekt, welches die Politik auf den Weg gebracht hat, nicht die Bahn. Ich würde mir wünschen, dass die entscheidenden Befürworter, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, unterdessen eingesehen haben, dass der Bau ein Irrtum ist und noch rechtzeitig die Reißleine ziehen.

Sämtliche Warnungen der Gegner sind eingetroffen, die Kosten explodieren und der Zeitplan ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Dabei sind bisher nur Bruchteile der knapp 60 Kilometer Tunnel gebaut worden. Man hat die Bürger bei der „Volksabstimmung“ mit falschen Informationen gefüttert, sonst hätte es niemals eine mehrheitliche Zustimmung gegeben. Seit Jahren lautet doch der Tenor: Es wurde schon so viel Geld ausgeben, jetzt kann man nicht mehr zurück.... Diesen Satz wird man noch lange hören. Aber noch ist es nicht zu spät, das Projekt zu stoppen. Auch wenn schon viel Geld ausgegeben wurde, lieber jetzt ein Ende, wo die Kosten noch beherrschbar sind, als später, wenn Stuttgart 21 für die Stadt Stuttgart und für Baden-Württemberg ein Milliardendesaster geworden ist.
Das Thema Eisenbahn birgt auch Tabus: „Räder müssen rollen für den Sieg“ oder Suizide. Können Sie mit diesem unterhaltenden Format auch solche Themen aufgreifen?
Wir wollen mit unseren Filmen unsere Zuschauer auf unterhaltsamer Art und Weise informieren und sie mit schönen Filmen erfreuen. In unseren Sendungen gibt es für Krieg oder Selbstmord eigentlich keinen Platz. Diese Themen sollen in anderen Sendungen behandelt werden. Bei uns steht die Eisenbahn und ihre Romantik im Mittelpunkt.
Welche Ratschläge würden Sie dem Bahnchef Grube geben?
Es steht mir nicht zu, Herrn Grube irgendwelche Ratschläge zu erteilen.
In den 70 Jahren war die Statusfrage wie bei Pelikan oder Geha, Märklin oder Fleischmann. Was ist Ihre Antwort?
Diese Frage hat sich mir nie gestellt, denn ich war froh, dass ich überhaupt eine Modelleisenbahn bekommen habe. Dass es eine von der Firma Märklin war, lag wohl daran, dass meine Familie näher an Göppingen wohnte, als an Nürnberg.
Welche Vorschläge erreichen Sie von Ihren Zuschauern?
Wir bekommen von unseren Zuschauern sehr viele Vorschläge. Sei es besonders schöne Bahnstrecken, Bahnjubiläen, Personen werden uns genannt, die sich in außergewöhnlicher Weise mit der kleinen oder mit der großen Eisenbahn auseinandersetzen. Wir bekommen häufig Prospekte zugeschickt und sehr viele Themenvorschläge aus dem Bereich der Modelleisenbahn. Kurz, die Zuschauer identifizieren sich mit unserer Sendung und sie wollen dazu beitragen, dass interessante Themen unsere Redaktion erreichen. Dass viele Vorschläge leider nicht bearbeitet werden können, weil wir nur ungefähr zwanzig neue Sendungen im Jahr produzieren, steht auf einem anderen Blatt.
Hand aufs Eisenbahner-Herz: würden Sie lieber erster Klasse mit dem Hokkaido Express durch Japan fahren, den Glacier Express besteigen oder doch zweiter Klasse mit der Sauschwänzle-Bahn fahren?
Die Frage würde ich wie folgt beantworten: ich halte es mit Kurt Tucholsky, der auch lieber einen Sitzplatz in der dritten Klasse hatte, als einen Stehplatz in der ersten. Was das Eisenbahnfahren angeht, so gibt es nur ein „sowohl als auch“. Ich bin mit dem Hokkaido-Express gefahren, mit dem Glacier Express und mit der Sauschwänzle-Bahn und kann nur sagen: Jede dieser Bahnen ist unbedingt eine Reise wert.
Im Juli führen Sie die öffentlich-rechtlichen Weichen auf das verdiente Alters-Abstellgleis, Sie gehen in Pension. Wie werden Ihre weiteren Aktivitäten aussehen aus dem Rentner Lokschuppen?
Die Wortwahl gefällt mir. Vor dem Alters-Abstellgleis gibt es bei mir noch die eine oder andere Weiche, so dass ich dem „Abgestelltwerden“ noch ein wenig entfliehen kann. Ich werde weiterhin der Eisenbahn-Romantiker bleiben, werde mit einem Verlag Eisenbahnfilme produzieren und moderieren, werde Artikel schreiben und mit meiner Spur-S-Anlage auf diversen Messen vertreten sein. Ich werde ganz sicher der Bahn im Großen wie im Kleinen treu bleiben. Der Rentnerlokschuppen muss leider noch ein wenig auf meine Ankunft warten.