Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft hätte ein Milliardengeschäft werden sollen. Aber es war ein Debakel, das mit 270 Milliarden DM Defizit endete.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Der Aufholprozess zwischen Elbe und Oder ist schon Ende der neunziger Jahre ins Stocken geraten – trotz aller Milliardentransfers. Aus eigener Kraft könnten die fünf neuen Länder den Lebensstandard ihrer Bürger bis heute nicht finanzieren. Dabei sollten doch blühende Landschaften durch die deutsche Einheit entstehen, die Lebensverhältnisse sich in wenigen Jahren angleichen – und das quasi zum Nulltarif. So hatte es Bundeskanzler Helmut Kohl den Wählern nach dem Mauerfall 1989 in Aussicht gestellt. Vor allem die schnelle Privatisierung der ostdeutschen Kombinate sollte hohe Erlöse, einen raschen Aufschwung und kräftige Steuereinnahmen bringen. Doch keine dieser Rechnungen ist aufgegangen.

 

Nirgendwo liegen Wunsch und Realität weiter auseinander als bei der Treuhandanstalt, die einst die größte Staatsholding der Welt war. Im Frühjahr 1990 noch von der DDR-Übergangsregierung gegründet, sollte die Anstalt eigentlich die 8500 übernommenen volkseigenen Betriebe mit 4,1 Millionen Beschäftigten verwalten und in Kapitalgesellschaften überführen. Nachdem die CDU jedoch die Wahlen in der DDR gewonnen hatte, wurde daraus mit dem Vertrag zur Währungsunion und dem am 17. Juni verabschiedeten Treuhandgesetz auf Druck des Westens ein knallharter Privatisierungsauftrag.

Auf 600 Milliarden D-Mark wurde das Vermögen taxiert

Es ging um ein riesiges Vermögen. In der DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 listete die monströse Staatsholding Grundstücke und Anlagen im Wert von 192 Milliarden DM auf. Der später ermordete Treuhand-Präsident Detlev Karsten Rohwedder taxierte den Treuhandbesitz im Herbst 1990 gar auf 600 Milliarden DM. Daran gemessen ist die spätere Abschlussbilanz der Privatisierer Ende 1994 ein einziges Debakel.

Statt hoher Gewinne blieb ein Defizit von 270 Milliarden DM zu Lasten der Steuerzahler. Zwar wurden von insgesamt 12 354 verwalteten und umstrukturierten Betrieben immerhin 53 Prozent verkauft und weitere 13 Prozent an Alteigentümer übergeben. Doch die Käufer der Ostfirmen zahlten gerade mal 37 Milliarden DM und damit nicht einmal ein Fünftel der zuvor bilanzierten Werte. Zwar gab es Zusagen der neuen Eigentümer für 211 Milliarden DM Investitionen und 1,5 Millionen Arbeitsplätze, aber der Staat musste für jede DM, die ein Privatinteressant bereit war, in ein Treuhandunternehmen zu investieren, drei DM zuschießen, um den Käufer zu überzeugen. Sozialpläne, Umweltlasten und Altschulden blieben am Steuerzahler hängen. Trotzdem standen nicht wenige Versprechen zunächst gefeierter Privatisierungen letztlich nur auf dem Papier.

Neoliberale sehen keine Alternative zur Treuhand-Politik

Bei der Auflösung der Treuhand Ende 1994 existierten gerade noch eine Million der zuvor vier Millionen Jobs. Drei Millionen Arbeitsplätze gingen verloren, auch weil die Treuhand vielen Ganoven blauäugig das einstige Volksvermögen anvertraute und zudem mehr als 3700 Firmen liquidierte. Kein Wunder, dass die Behörde und ihre Chefin Birgit Breuel zum Synonym wurden für den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft und den industriellen Kahlschlag in vielen Regionen. Manche Werksruinen sind noch heute zu sehen – Mahnmale sozialistischer Misswirtschaft und missratener Aufbaupolitik.

Die Bilanz der Treuhand ist bis heute politisch umstritten. Zur raschen Privatisierung der maroden sozialistischen Planwirtschaft unter Marktbedingungen habe es keine Alternative gegeben, meinen noch immer die neoliberalen Befürworter, die den Kurs der Regierung Kohl bestimmten. Für die Kritiker bleibt dieser Kurs verfehlt. Statt des Ausverkaufs um fast jeden Preis hätte die Treuhand mehr aussichtsreiche Unternehmen geduldig sanieren und eine gezielte Industrie- und Regionalpolitik sowie frühzeitig echte Wachstumskerne schaffen müssen, meinen sie.

Die Ergebnisse sprechen jedenfalls für sich. Fest steht, dass die Treuhand mit ihrem Schuldenberg und zahlreichen teuren Privatisierungspleiten die große Erblast noch vergrößert hat, die 40 Jahre Sozialismus zwischen der Ostsee und dem Erzgebirge hinterlassen haben. Viele ostdeutsche Regionen leiden daran bis heute.