Ebenso wenig wie der neue Film des Regisseurs Denis Villeneuve, der mit „Prisoners“ einen neuen Zugang zu Gewaltdarstellungen suchte. In „Sicario“ nimmt der 1967 geborene Kanadier mit dem Überlebenden-Motiv eins der großen Themen dieses Festivals auf, inszeniert es aber als Thriller. Die junge US-Polizistin Kate (Emily Blunt) wird hier ins illegale Vorgehen staatlicher Behörden initiiert, als sie von der CIA für eine Aktion an der texanisch-mexikanischen Grenze rekrutiert wird. Um an den Boss eines Drogenkartells und dessen Vertrauten heranzukommen, wird nicht nur Folter eingesetzt, sondern auch getötet – auf nichtamerikanischem Territorium.

 

Solche Geschichten erzählt das Hollywood-Kino immer wieder, doch die besondere Qualität von Villeneuves Inszenierung liegt darin, wie er Bedrohung in totale Entfremdung einfasst. Während der Folter richtet sich die Kameraauge auf einen Abfluss, nicht auf das Opfer. Und Kate verfügt nur über marginale Informationen; sie bewegt sich in einem System, das sie nicht durchschaut und in dem sie als Köder benutzt wird. Infrarotaufnahmen und Bilder durch Nachtsichtgeräte zeigen die Spezialeinheit als entpersonalisierte Akteure einer Politik, die „im Land der Wölfe“, zwischen illegalen Einwanderern und Kartellen, ihre Ziele mit allen Mitteln verfolgt. Großartiges Unterhaltungskino gehört eben zu Cannes wie High Heels aus Schokolade mit rotem Pfeffer.