Nach und nach werden die Gelben Säcke und die Gelben Tonnen verschwinden, in denen seit 20 Jahren der Müll aus Verkaufsverpackungen gesammelt wird.

Stuttgart - Für die Unternehmen der Abfallwirtschaft sind die Wertstoffe aus dem Müll ein Geschäft, das sie sich nicht entgehen lassen wollen. Sie streiten sich deshalb mit den Kommunen darüber, wer der Herr über diese Abfälle ist. Die Bürger interessieren sich vor allem dafür, wie viel sie für die Sammlung und Verwertung bezahlen müssen. Billiger wird es für sie voraussichtlich nicht werden.

 

Um Bonn herum, im Rhein-Sieg-Kreis, werden die Haushalte seit Jahresbeginn mit den neuen Wertstofftonnen ausgestattet. Außer leeren Shampooflaschen, Fischdosen und Käsefolien dürfen die Bürger auch altes Plastikspielzeug und ausgediente Kochtöpfe hineinwerfen, die bisher im Restmüll landeten und verbrannt statt verwertet wurden. Rund sieben Kilogramm wertvolle Reststoffe pro Jahr und Einwohner könnten mit so einer Wertstofftonne zusätzlich wiederverwertet werden, schätzen Umweltexperten. Flächendeckend werden die Tonnen noch nicht eingesetzt, auch deshalb weil es für sie noch keine einheitliche rechtliche Regelung gibt. Einige Städte experimentieren aber bereits damit. Leipzig, Berlin, Hamburg, Hannover, Dortmund und Bochum gehören dazu. Stuttgart noch nicht.

Für Verpackungen sind die Dualen Systeme zuständig

In jeder Stadt gelten bis jetzt andere Regeln. Was darf rein in die Tonne? Wer organisiert die Sammlung und Verwertung? Sollen auch Textilien und Elektrogeräte so erfasst werden oder lieber wie bisher in getrennten Sammlungen? Wer bezahlt das alles? Im Rhein-Sieg-Kreis bleiben Textilien und Elektrogeräte draußen. Gesammelt werden Verpackungen und andere Sachen aus Plastik und Metall. Die heißen in der Fachsprache stoffgleiche Nichtverpackungen. Dass sie zusammen mit Blechdosen und Plastikverpackungen gesammelt und verwertet werden sollen, leuchtet zwar ein, ist aber gar nicht so einfach.

Für Verpackungen sind nämlich die Dualen Systeme zuständig. Sie finanzieren die Sammlung und Verwertung über Lizenzgebühren, die sie von Handelskonzernen erheben. Letztlich zahlen die Kunden dafür, denn der Obolus für den Grünen Punkt oder andere Systeme ist im Verkaufspreis der Shampooflaschen und aller anderen gekauften Waren schon einkalkuliert. Das summiert sich auf rund elf Euro pro Einwohner im Jahr, nur für Verpackungen, mit Glas und Papier sind es rund 13 Euro. Insgesamt setzten die Dualen Systeme rund eine Milliarde Euro im Jahr um. Für den restlichen Müll aus Plastik und Metall sind dagegen die Städte und Gemeinden mit ihrer kommunalen Abfuhr zuständig, für die sie Müllgebühren für jeden Haushalt berechnen. Landet alles in einer Tonne, müssen sich die Entsorgungspartner einigen.

Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis sich die kommunale Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft mit den neun Dualen Systemen abgestimmt hatte, die flächendeckend in Deutschland um den Verpackungsmüll konkurrieren. Ein zehntes wird gerade aufgebaut.

Duales System ist immer noch Marktführer

Vor 20 Jahren gab es nur eins, das Duale System Deutschland (DSD), mit dem Grünen Punkt als Lizenzzeichen. Es ist mit einem Anteil von rund 65 Prozent an den Mengen noch immer Marktführer, muss sich inzwischen aber gegen Wettbewerber behaupten. Im Anteil von 70 zu 30 teilen sich die Partner im Rhein-Sieg-Kreis das Geschäft, weil sie annehmen, dass 70 Prozent Verpackungen in den neuen Tonnen landen und 30 Prozent sonstiges Weggeworfenes. Die kommunale Abfallgesellschaft verspricht sich davon eine bessere Qualität der Müllabfuhr, dass keine Gelben Säcke mehr stehen bleiben oder vom Wind durch die Straßen geweht oder von Katzen und Igeln aufgerissen werden und ihr Inhalt auf den Bürgersteigen verstreut wird. Beschwerden nimmt nun die kommunale Gesellschaft entgegen und sie bezahlt auch die neuen Tonnen. Eigentlich müsste sie deshalb die Müllgebühren anheben, wenn sie keine Rückstellungen dafür auflösen könnte. Kostengünstiger als das bisherige Verfahren wird die Wertstofftonne also nicht.

Auch mit den Erlösen aus dem Recycling von Kunststoffen und Metall rechne sich das neue Verfahren allenfalls langfristig, räumt die Geschäftsführerin Ludgera Decking ein. Es trage aber schon jetzt zum Umweltschutz bei, weil mehr Rohstoffe wiederverwertet würden, meint sie. Für jedes Kilogramm Kunststoff, das wiederverwertet wird, können 1,3 Kilogramm Kohlendioxid vermieden werden, die bei der Herstellung frischen Materials freigesetzt werden.

Kommunen drängen wieder ins Entsorgungsgeschäft

Die Stuttgarter Abfallwirtschaft (AWS) will auch Wertstofftonnen einführen. "Hundertprozentig", sagt Geschäftsführer Thomas Heß, aber er weiß noch nicht, wann. Zunächst will er die gesetzliche Regelung abwarten. Außerdem gibt es einen Vertrag mit dem Entsorgungsunternehmen Sita, das die Gelben Säcke in der Landeshauptstadt einsammelt, der noch gut ein Jahr läuft.

Vor Jahren haben sich viele Kommunen aus dem Entsorgungsgeschäft zurückgezogen, nun drängen sie wieder hinein. Unter anderem wollen sie gewerbliche Sammlungen von Papier, Glas, Textilien und anderen Wertstoffen untersagen können. Nur wenn das Angebot eines Unternehmens wesentlich leistungsfähiger ist als das kommunale, soll es zum Zuge kommen. Der Bundesverband der Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), der vor allem die großen Unternehmen der Branche vertritt, sieht darin die Gefahr der Monopolisierung durch die Kommunen mit höheren Gebühren für die Bürger. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wird derzeit noch um diese Regelung gerungen.

Gedämpfte Erwartungen

Unternehmen: In der deutschen Abfallwirtschaft sind neben den Städten und Gemeinden rund 5000 private Unternehmen tätig. Sie setzen im Jahr zwischen 35 und 50 Milliarden Euro mit Sammeln, Sortieren, Verwerten und Beseitigen um. Die Zahl der Beschäftigten liegt zwischen 175.000 und 200.000.

Prognose: Die Aussichten für 2012 sind gedämpft. Im Vergleich zu 2011 wird mit rückläufigen Mengen gerechnet. Die Preise für Altpapier, Schrott und andere Sekundärrohstoffe bewegen sich noch auf mittlerem Niveau, könnten aber mit einer geringeren Produktion sinken.

Abfallmengen: Auf die Abfälle aus Haushalten entfällt nur gut ein Achtel des gesamten Aufkommens. Nach den neuesten Zahlen waren das 2007 rund 351 Millionen Tonnen, mehr als die Hälfe davon Bauschutt. Rund sechs Millionen Tonnen Verkaufsverpackungen wurden eingesammelt und verwertet.