Die Affäre um Rupert Murdoch offenbart ein dichtes Geflecht aus Medien und Politik. Für den Premierminister wird die Lage ungemütlicher.

London - Die Abhöraffäre in Großbritannien zieht immer weitere Kreise - und vor allem der britische Premierminister David Cameron kommt in Schwierigkeiten. Nachdem die beiden wichtigsten Polizeichefs im Vereinigten Königreich, Sir Paul Stephenson und John Yates, zurückgetreten sind, wird nun auch Cameron vorgehalten, seine eigene enge Beziehung zu zwei inzwischen verhafteten Ex-Chefredakteuren des Rupert-Murdoch-Blattes "News of the World", Rebekah Brooks und Andy Coulson, lasse "viele Fragen offen".

 

Diese Fragen beginnen Camerons persönliche Stellung zu erschüttern. Neu aufgerührt wurden sie von Paul Stephenson, dem bisherigen Londoner Polizeipräsidenten, der anlässlich seines Rücktritts erklärte, der Regierungschef laufe Gefahr, sich insbesondere durch seine Beziehung zu Andy Coulson zu "kompromittieren".

Cameron hatte Coulson als seinen Presse- und Regierungssprecher eingestellt, obwohl er wusste, dass dieser wegen illegaler Lauschaktionen in der "News of the World"-Redaktion 2007 hatte zurücktreten müssen. Auch hatte Cameron enge persönliche Beziehungen zu Coulsons Vorgängerin bei derselben Zeitung, Rebekah Brooks, unterhalten. Sowohl Coulson wie Brooks sind inzwischen wegen der Lauschaffäre festgenommen worden und stehen unter anderem unter Korruptionsverdacht.

Der Polizei wird vorgeworfen, nie richtig ermittelt zu haben

Der Oppositionsführer und Labour-Vorsitzende Ed Miliband warf Cameron vor, wegen der Beschäftigung Coulsons "handlungsunfähig" geworden zu sein. Stephenson, der Polizeipräsident, habe mit seinem Rücktritt wenigstens Verantwortungsbewusstsein gezeigt, sagte Miliband. Stephenson sah sich zum Rücktritt gezwungen, weil vor zwei Jahren ein ehemaliger Stellvertreter Coulsons einen Vertrag als Polizeiberater erhalten hatte - und weil die Polizei darüber Stillschweigen bewahrte. Der frühere "News of the World"-Mann Neil Wallis arbeitete so an zentraler Stelle für Stephensons Truppe, während diese gleichzeitig illegale Vorgänge bei "News of the World" "untersuchte".

Die Polizei steht mittlerweile generell im Verdacht, Bestechungsgelder entgegengenommen, ihre Beziehungen zum Hause Murdoch kaschiert und Ermittlungen nicht korrekt durchgeführt zu haben. Der abgetretene Stephenson muss sich dazu am Dienstag vor dem innenpolitischen Ausschuss des Unterhauses rechtfertigen. Zurückgetreten ist derweil auch Vizepolizeipräsident John Yates. Yates wird dafür verantwortlich gemacht, dass gegen Murdoch nie richtig ermittelt wurde.

Viele Londoner sprachen am Montag von einem "unglaublichen Klüngel" aus Murdoch-Getreuen, Politikern und Polizisten. Erst nach und nach beginnt das enge Geflecht sichtbar zu werden, das Murdoch und seinen Konzern bisher mit den Spitzen der britischen Politik und mit der Metropolitan Police verbunden hat. Während sich die Polizei zum Beispiel von einem Ex-Murdoch-Manager offiziell beraten ließ, warb umgekehrt Murdoch einen Ex-Polizeichef als festen Kolumnisten an. Die Fäden waren eng geknüpft und straff gespannt, was den Verdacht der vergangenen Tage in der Bevölkerung verstärkte, die Polizei habe Ermittlungen gegen Murdochs Empire bewusst niedergeschlagen.

Intensive Beziehungen zwischen Murdoch und Regierungsspitze

Als ganz besonders intensiv haben sich indes die Beziehungen zwischen dem Haus Murdoch und der Regierungsspitze erwiesen. Bereits die Labour-Regierungschefs Tony Blair und Gordon Brown bemühten sich verzweifelt und mit vielerlei Kontaktversuchen um das Wohlwollen des Medienzaren. Premierminister Cameron aber ist geradezu Teil des Murdoch-Sets. Coulson war lange Jahre sein Pressesprecher. Brooks war eine der engsten Bekannten der Camerons. Man feierte Weihnachten zusammen und ritt zusammen aus. Die Murdochs pflegten zu Festlichkeiten dazuzustoßen.

Seit Cameron im Mai vergangenen Jahres als Premier in Downing Street eingezogen ist, hat er sich laut Londoner Independent mit den Murdochs oder mit Murdoch-Managern 26-mal persönlich getroffen, und das schließt Telefongespräche nicht ein. Rebekah Brooks wurde sogar auf den regierungsamtlichen Landsitz Chequers eingeladen, wohin es sonst nicht mal ranghohe Minister schaffen.

Hat sich der Premierminister nach Afrika regelrecht „abgesetzt“?

In eben dieser Zeit wurde das Paket geschnürt, das den Murdochs die fehlenden 61 Prozent am Satellitensender BSkyB verschaffen sollte. Für diesen Deal war Camerons Regierung als neutrale Entscheidungsstelle zuständig. Inzwischen, da niemand mehr an solche Neutralität glaubt, muss Murdoch befürchten, sogar seine ursprünglichen 39 Prozent zu verlieren.

Dem Premierminister wird nun vorgeworfen, er weiche einer Antwort auf die an ihn gerichteten Fragen aus. Scharf wurde Cameron am Montag von der Labour Party dafür kritisiert, dass er sich zu einer Handelsreise nach Afrika "abgesetzt" habe, statt sich in Westminister an der Aufklärung der Murdoch-Affäre zu beteiligen. Cameron wehrte sich entschieden gegen diese Vorwürfe. Die Handelsbeziehungen zu Afrika seien von größter Wichtigkeit, erklärte er. Allerdings verkürzte er seine Reise von fünf Tagen auf zwei. Er stimmte außerdem dem Verlangen der Opposition nach einer Extradebatte zur Murdoch-Affäre am Mittwoch zu, an der er teilnimmt. Die Debatte soll den Parlamentariern die Möglichkeit geben, die am Dienstag stattfindenden Ausschussanhörungen zu besprechen. Während Sir Paul Stephenson vor dem innenpolitischen Ausschuss vernommen wird, treten Rebekah Brooks und Rupert und James Murdoch vor dem Kultur- und Medienausschuss des Unterhauses auf. Die Murdochs hatten sich diesen Auftritt eigentlich schenken wollen, wurden aber unter Strafandrohung offiziell einbestellt.

Turbulenzen auch in Australien

Kursverlust: Nach den Turbulenzen in Großbritannien bangen Anleger um Murdochs nächsten Deal: die Übernahme des australischen Bezahlfernsehkonzerns Austar. An der australischen Börse fielen die Aktien des Murdoch-Konzerns News Corp zeitweise um sieben Prozent auf den tiefsten Stand seit 2009.

Hintergrund: Der Pay-TV-Betreiber Foxtel, an dem Murdoch beteiligt ist, sicherte sich für zwei Milliarden australische Dollar den Zuschlag für Austar. Das Plazet der Behörden steht aber noch aus, und die australische Regierung erwägt, Medienunternehmen schärfer zu überwachen.