Die Mitglieder des Bürgervereins sorgen sich, dass ihr Stadtteil seinen Charakter verliert.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Schönberg - Das Ärgernis ist gleich nebenan. Um zu erklären, was ihr sauer aufstößt, muss Helma Hardenberg nur vor die Tür treten. Die Vorsitzende des Bürgervereins Schönberg wohnt am Bofistweg. Schräg gegenüber klafft eine riesige Grube. Eine Immobilienfirma hat das Einfamilienhaus, das dort bis vor Kurzem stand, gekauft und abgerissen. Weil sie ein dreigeschossiges Reihenhaus für drei Parteien auf das Grundstück am Wald bauen will.

 

Helma Hardenberg und die anderen vom Bürgerverein sagen, dass Schönberg zusehends von Bauträgern heimgesucht werde, Firmen, die im Stadtteil das große Geld wittern. Deshalb nennen sie die Unternehmer auch „Immobilienhaie“. Sie, das sind neben Helma Hardenberg Professor Joachim Sorsche, Strella Schölkopf und Falk Eberle. Sie alle fürchten, dass ihr Stadtteil seinen Charakter verliert – wenn kleine Häuser gegen große ausgetauscht werden. Das Beispiel am Bofistweg sei nur eines von vielen.

Helma Hardenberg berichtet von einer Schönbergerin, die das abgebrochene Haus am Bofistweg kaufen wollte. „Ihre Kinder haben hier Wurzeln“, sagt sie. Bis 700 000 Euro hätte die Interessentin angeblich fürs Eigenheim bezahlt, doch sie sei überboten worden. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, das Grundstück sei für 800 000 Euro verkauft worden: an eine Stuttgarter Immobilienfirma. Im Internet bietet diese zwei der drei Wohneinheiten an. Das Reiheneckhaus ist für 769 000 Euro zu haben, das Reihenmittelhaus für 699 000 Euro.

„Die Stadt ist der Preistreiber Nummer eins“

Dass dies die Folge der freien Immobilienwirtschaft ist, wissen auch die Leute vom Bürgerverein. Sie wollen es trotzdem nicht klaglos hinnehmen. Bauträger hätten die Mittel, um andere Interessenten auszustechen. Erbengemeinschaften bringe dies in die Bredouille, sagt Hardenberg. „Der Preis wird hoch getrieben, und wenn einer der Geschwister das Haus übernehmen will, kann er die anderen nicht auszahlen.“

Doch was die Bürger am allermeisten erzürnt: Die Stadt Stuttgart unterstütze diese Entwicklung. „Die Stadt ist der Preistreiber Nummer eins“, sagt Helma Hardenberg. Wäre sie bei Bauanträgen strenger, wären die Grundstücke für Bauträger nicht mehr interessant, mutmaßt sie. „Wir wollen, dass man sich an die Rechtsvorschriften hält“, sagt sie. Und die besagen für Schönberg, dass Neubauten zu den Häusern in der Nachbarschaft passen müssen.

Diese Regelung bestätigt auch Matthias Hahn, ansonsten kann der Baubürgermeister mit der Kritik der Bürger wenig anfangen. Das am Bofistweg geplante Haus sei zwar höher als die direkt benachbarten, „aber nicht erheblich“. Zudem müsse ein Neubau nicht allein zum Nachbarhaus passen, sondern zur Umgebung, erklärt Hahn. Sprich zu den nächsten 20 Häusern. Vom Unmut in Schönberg hat er bereits gehört. Helma Hardenberg hatte dem Oberbürgermeister einen Brief geschrieben. Mit haltlosen Unterstellungen, wie Hahn sagt. „Dagegen hat der OB sich verwahrt.“

„Bauplätze sind Mangelware.“

Dass Bauträger kleine Häuser kaufen und Größeres im Sinn haben, sei überall in der Stadt zu beobachten. „Man kann sich darüber streiten, ob man das gut findet“, sagt Hahn. „Ich finde es okay.“ So geht es auch Ulrich Wecker, dem Geschäftsführer des Haus- und Grundbesitzervereins Stuttgart. „Aber eben in Maßen“, sagt er. „Bauplätze sind Mangelware.“ Und Schönberg sei eine beliebte Wohnlage, entsprechend seien die Kaufpreise. Schönberg ist mit 760 bis 810 Euro pro Quadratmeter tatsächlich ein teures Pflaster, aber lange nicht das teuerste. So kostet der Quadratmeter auf dem Haigst zum Beispiel 980 Euro und in Sillenbuch teils über 1000 Euro.

Falk Eberle zeigt, wie es auch anders geht. Er wohnt gleich neben der Baugrube am Bofistweg, in einem Haus, das dem abgerissenen optisch gleicht. Eberle hat das Elternhaus übernommen und die Brüder ausbezahlt. „Ein Abriss wäre für uns nicht in Frage gekommen“, sagt er. Das hat er auch der Maklerin gesagt, die er nach dem Tod des Vaters beauftragt hatte. Sie sollte den Wert des Anwesens ermitteln. Da ein Abriss tabu war, „hat sich keine einzige Immobilienfirma gemeldet“, sagt Eberle. So blieb das Haus für ihn bezahlbar.

Übrigens, gegen die Pläne der Immobilienfirma hat Eberle Einspruch erhoben. Doch den hat die Stadt abgelehnt. Daraufhin hat Eberle Widerspruch beim Regierungspräsidium eingelegt. Die Behörde hat laut dem Sprecher noch nicht entschieden.