Die USA und Russland haben beschlossen, die syrischen Chemiewaffen ohne Militärschlag zu vernichten. Doch hier lauern auch viele Gefahren, denn bei der praktischen Umsetzung des Plans könnte das Assad-Regime tricksen.

Genf - Kurz vor seinem weltweit übertragenen Auftritt saß Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Pool des Genfer Hotels Intercontinental. Ernst dreinblickend, diskutierte er mit Experten seiner Delegation. Als Lawrow später mit US-Außenminister John Kerry vor die Kameras trat, wirkten beide gelöst. Nach zähem Feilschen präsentierten sie ihren „ehrgeizigen“ Rahmenplan zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen. Es soll keine weiteren mörderischen Angriffe mit Giftgasen in Syriens Bürgerkrieg geben. Doch auf dem Fahrplan hin zu einer „kompletten Eliminierung“ aller chemischen Waffen und aller damit verbundenen Materialien und Ausrüstungen bis Mitte 2014 lauern viele Gefahren.

 

Bei der historisch einmaligen Operation in dem Bürgerkriegsland spielt die Organisation für das Verbot chemischer Waffen eine Schlüsselrolle. Die OPCW in Den Haag ist eine Abrüstungspolizei: Sie überwacht und kontrolliert weltweit die Vernichtung von Giftgasen, Munition und Produktionsstätten gemäß der Antichemiewaffenkonvention. Der Exekutivrat der OPCW soll jetzt einen detaillierten Plan für die Zerstörung des syrischen Arsenals erstellen. Später soll der UN-Sicherheitsrat den OPCW-Plan billigen.

Erste schwere Probleme für die OPCW könnten bald auftauchen: Der Kerry-Lawrow-Plan vom Samstag verlangt vom Assad-Regime „innerhalb einer Woche“ eine Liste des gesamten Arsenals an C-Waffen, aller Materialien, aller Lagerorte und aller Entwicklungs-, Forschungs- und Produktionsstätten. Doch Assad und sein Regime sind berüchtigt fürs Tricksen und Täuschen. So könnten die Syrer behaupten, Entwicklungs- und Produktionsstandorte für C-Waffen dienten anderen Zwecken. Zudem wechselt das Regime laut Medienberichten oft die Lagerorte. Eine genaue Lokalisierung der Arsenale dürfte für die Inspekteure schwierig sein.

Die „Hauptverantwortung“ liegt beim Assad-Regime

Überhaupt stehen die Inspekteure vor ungemütlichen Reisen durch das Konfliktland. Bis November sollen sie die ersten Kontrollen aller deklarierten Stätten abschließen. Zwar wollen Amerikaner und Russen beim Schutz der Experten mitwirke, aber die „Hauptverantwortung“ für die Sicherheit liegt laut dem Genfer Plan beim Assad-Regime. Dass Syrien auch für internationale Besucher brandgefährlich ist, erfuhren UN-Beobachter schon 2012. Die unbewaffnete UNSMIS-Truppe kam in Syrien immer wieder unter Beschuss. Auch das UN-Team, das den Chemiewaffenangriff vom 21. August untersuchte, wurde Ziel von Heckenschützen.

Kopfschmerzen dürfte den Inspekteuren ebenso der Abtransport der Waffen und der Materialien bereiten. Der Großteil des Arsenals soll laut dem Genfer Plan „außerhalb Syriens“ zerstört werden. „Man kann aber die Fässer mit Giftgasen, die Munition und das andere Material nicht einfach auf den Lkw laden und abfahren“, warnt der deutsche Chemiewaffenexperte Ralf Trapp. Die Konvois müssen extrem gesichert sein, die Routen müssen durch befriedete Korridore verlaufen und auch die Verladung auf Schiffe oder in Flugzeuge sollte unter bewaffnetem Schutz stattfinden.