Die Regierung will zunächst keine mehr Flüchtlinge nach Afghanistan abschieben. Ein überfälliger Schritt, meint StZ-Politikredakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Kabul - Es ist der Gipfel der Perversion, wenn bei einer Kundgebung von 1000 Afghanen für mehr Sicherheit in Kabul erneut Menschen sterben müssen. Immer schneller dreht sich die Gewaltspirale. Ein Symbol der Misere ist die beschädigte deutsche Botschaft. Der schwere Terrorakt von Mittwoch hat den Komplex unbenutzbar gemacht – das Blutbad war ein Signal an die Welt, dass sich die internationalen Organisationen selbst im abgeriegelten Diplomatenviertel nicht mehr sicher fühlen dürfen. Möglicherweise war das Haqqani-Netzwerk, das von Pakistan aus agiert, dafür verantwortlich – in jedem Fall befeuern viele Akteure den Konflikt: Taliban, Islamischer Staat, regionale Feldherrn und fremde Regierungen. Sie alle werden das Land nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.

 

Es war deshalb höchste Zeit, dass Kanzlerin Angela Merkel umgeschwenkt ist, um eine Neubewertung der Sicherheitslage zu ermöglichen. Bis diese vorliegt, sieht die Regierung von Abschiebungen an den Hindukusch ab. Mit dem Kurswechsel versucht Merkel zunächst, sich ein heißes Eisen im Wahlkampf vom Hals zu halten – und sie lässt alle Unionspolitiker schlecht aussehen, die von sicheren Gebieten sprechen, in die eine Abschiebung möglich sei. De facto gibt es diese Regionen nicht. Vielleicht kehrt nun mehr Ehrlichkeit in die Debatte ein – sicher ist aber auch das nicht.