Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Einmal Stuttgarter, immer Stuttgarter? „So leicht wird man das nicht wieder los“, hatte OB Kuhn seine neuen Bürger gewarnt. Ehemalige Tänzer jedenfalls kommen gern zurück. Elisa Carrillo Cabrera und Mikhail Kaniskin vom Berliner Staatsballett zum Beispiel, die Nacho Duatos „Formen der Stille und Leere“ sowie eine Cello-Suite von Bach mithaben und den Körper als Instrument des Tänzers feiern. Auch John Neumeier, trotz erschwerter Anreise beim Schlussapplaus auf der Bühne, bleibt Stuttgarter und schickte aus Hamburg seine Stars Hélène Bouchet und Carsten Jung mit einer starken Szene aus „Liliom“.

 

Zwanzig Jahre beim selben Arbeitgeber? Im Schwabenland ist das Dienstjubiläum, das Reid Anderson feiert, keine besondere Leistung. Im Bereich der Bühnenkunst schon, denn oft stehen hier die Zeichen auf radikalem Neuanfang. Keiner weiß das besser an diesem Abend als Kevin O’Day, scheidender Ballettdirektor des Mannheimer Nationaltheaters. „Ouverture to a Prelude“ heißt seine Verbeugung vor Anderson, der ihm 1997 die Tür nach Europa öffnete: Myriam Simon und Ami Morita tanzen traumverloren in langen Kleidern, David Moore und Roman Novitzky kämpfen sich unermüdlich an der Schwerkraft ab.

Winfried Kretschmann lobt Andersons siebten Sinn

Den Hut vor Reid Andersons Leistung zogen bei dieser Gala alle. „Neues wuchs organisch aus der Substanz“, lobte Winfried Kretschmann den siebten Sinn Andersons. Und auch OB Kuhn zeigte sich „im Namen der ganzen Bürgerschaft“ dankbar für den Spagat, mit dem es Anderson gelingt „Tradition zu bewahren und Avantgarde zu ermöglichen und befördern“.

Vier Uraufführungen unterstrichen diesen Anspruch. Douglas Lee ist einer der Choreografen, für die das Stuttgarter Ballett zum Sprungbrett wurde. Nun bedankt sich der inzwischen in Berlin lebende Brite mit „Arcadia“, einem Duett für Alicia Amatriain und Constantine Allen, das mit kunstvollen verwundenen Körperskulpturen zeigt, warum Lee der Manierist unter den Stuttgarter Entdeckungen ist. Edward Clug dagegen ist ein Meister der Tempi. In „Daydreamers“ lässt er Hyo-Jung Kang und Pablo von Sternenfels Bewegungen mit automatenhaftem Wippen verlangsamen, um das Paar dann wieder in ein schnell fließendes Wunderwerk der Präzision zu verwandeln. „In Short“ nennt Itzik Galili seine virtuose Begegnung von Anna Osadcenko und Jason Reilly, die schon wie „Mono Lisa“ aus einer vertrauensvollen Partnerschaft tänzerische Höchstleistung gebiert.

Marco Goecke, den Anderson in kluger Weitsicht als Hauschoreografen ans Stuttgarter Ballett binden konnte, lässt Thomas Lempertz in seinem Solo aus der Theaterhaus-Produktion „Greyhounds“ mit schneidenden Gesten einen Tänzer sich selbst befragen. „Er hat die große Gabe, junge Talente aufzuspüren und zu fördern“, sagte Winfried Kretschmann über Reid Anderson. Neben den vielen Choreografen, denen er rund hundert Uraufführungen während seiner Intendanz anvertraute, gilt das auch für tänzerisches Talent, das in Stuttgart nie lange brach liegt. Wie jenes von Anna Osadcenko, die nun mit Semyon Chudin vom Bolschoi-Ballett vorführte, wie mühelos leicht ein schwerer Klassiker vom Kaliber eines „Dornröschen“ aussehen kann.

Familiengeist in der Kompanie

Mehr gab es an diesem Gala-Abend von allem. So reich war das Programm, dass mit James Tuggle und Wolfgang Heinz gleich zwei Dirigenten gefordert waren. Schön war da, dass die Grußworte der lokalen Politiker knapp und doch treffend ausfielen, die Lobrede von Bundestagspräsident Norbert Lammert launig und unterhaltsam war. Nur die Angewohnheit der Politiker, sich ausführlichst gegenseitig zu begrüßen, „sehr geehrte Frau Ministerin Bauer“, irritierte in der Stuttgarter Konstellation. Ballettfans hätten es anders gemacht: Verehrte Kammertänzerin Birgit Keil, werter Sir Peter Wright, lieber Egon Madsen, Robert Tewsley, Mark McClain... um nur einige der Angereisten zu nennen.

„Stuttgart ist anders“, beschreibt Lammert den Familiengeist, der in der Kompanie herrscht. Seit fast 50 Jahren schätzt und schützt ihn auch Anderson, erst als Tänzer, dann als Chef. Ein Publikum, das den Intendanten in seiner kreativen Neugierde stärke und für Auslastungszahlen sorge, von denen, so Lammert, selbst Bundesliga-Kicker träumen könnten, eine lange Balletttradition und ein Wunder, das Stuttgart zum „Wallfahrtsort des Balletts“ gemacht habe: das alles stärke den Tanz, während er anderswo „beliebtes Sparschwein“ sei. „Was in Stuttgart passiert ist, wird sich nur an wenigen Plätzen der Welt wiederfinden“, vermutet Lammert.

Lob vom Landesvater und vier Uraufführungen

Einmal Stuttgarter, immer Stuttgarter? „So leicht wird man das nicht wieder los“, hatte OB Kuhn seine neuen Bürger gewarnt. Ehemalige Tänzer jedenfalls kommen gern zurück. Elisa Carrillo Cabrera und Mikhail Kaniskin vom Berliner Staatsballett zum Beispiel, die Nacho Duatos „Formen der Stille und Leere“ sowie eine Cello-Suite von Bach mithaben und den Körper als Instrument des Tänzers feiern. Auch John Neumeier, trotz erschwerter Anreise beim Schlussapplaus auf der Bühne, bleibt Stuttgarter und schickte aus Hamburg seine Stars Hélène Bouchet und Carsten Jung mit einer starken Szene aus „Liliom“.

Zwanzig Jahre beim selben Arbeitgeber? Im Schwabenland ist das Dienstjubiläum, das Reid Anderson feiert, keine besondere Leistung. Im Bereich der Bühnenkunst schon, denn oft stehen hier die Zeichen auf radikalem Neuanfang. Keiner weiß das besser an diesem Abend als Kevin O’Day, scheidender Ballettdirektor des Mannheimer Nationaltheaters. „Ouverture to a Prelude“ heißt seine Verbeugung vor Anderson, der ihm 1997 die Tür nach Europa öffnete: Myriam Simon und Ami Morita tanzen traumverloren in langen Kleidern, David Moore und Roman Novitzky kämpfen sich unermüdlich an der Schwerkraft ab.

Winfried Kretschmann lobt Andersons siebten Sinn

Den Hut vor Reid Andersons Leistung zogen bei dieser Gala alle. „Neues wuchs organisch aus der Substanz“, lobte Winfried Kretschmann den siebten Sinn Andersons. Und auch OB Kuhn zeigte sich „im Namen der ganzen Bürgerschaft“ dankbar für den Spagat, mit dem es Anderson gelingt „Tradition zu bewahren und Avantgarde zu ermöglichen und befördern“.

Vier Uraufführungen unterstrichen diesen Anspruch. Douglas Lee ist einer der Choreografen, für die das Stuttgarter Ballett zum Sprungbrett wurde. Nun bedankt sich der inzwischen in Berlin lebende Brite mit „Arcadia“, einem Duett für Alicia Amatriain und Constantine Allen, das mit kunstvollen verwundenen Körperskulpturen zeigt, warum Lee der Manierist unter den Stuttgarter Entdeckungen ist. Edward Clug dagegen ist ein Meister der Tempi. In „Daydreamers“ lässt er Hyo-Jung Kang und Pablo von Sternenfels Bewegungen mit automatenhaftem Wippen verlangsamen, um das Paar dann wieder in ein schnell fließendes Wunderwerk der Präzision zu verwandeln. „In Short“ nennt Itzik Galili seine virtuose Begegnung von Anna Osadcenko und Jason Reilly, die schon wie „Mono Lisa“ aus einer vertrauensvollen Partnerschaft tänzerische Höchstleistung gebiert.

Marco Goecke, den Anderson in kluger Weitsicht als Hauschoreografen ans Stuttgarter Ballett binden konnte, lässt Thomas Lempertz in seinem Solo aus der Theaterhaus-Produktion „Greyhounds“ mit schneidenden Gesten einen Tänzer sich selbst befragen. „Er hat die große Gabe, junge Talente aufzuspüren und zu fördern“, sagte Winfried Kretschmann über Reid Anderson. Neben den vielen Choreografen, denen er rund hundert Uraufführungen während seiner Intendanz anvertraute, gilt das auch für tänzerisches Talent, das in Stuttgart nie lange brach liegt. Wie jenes von Anna Osadcenko, die nun mit Semyon Chudin vom Bolschoi-Ballett vorführte, wie mühelos leicht ein schwerer Klassiker vom Kaliber eines „Dornröschen“ aussehen kann.

Applaus hätte das Publikum allen gerne mehr gegönnt, auch Julien Favreau und Kathleen Rae Thielhelm vom Béjart Ballet Lausanne, die mit Gil Romans „Couleur Blues“ ausdrucksstarke Akzente setzten. Doch das dichtgepackte Programm erforderte eine rigide Vorhangregie. Dahinter und draußen im Park, moderiert von Sonia Santiago, durfte das Fest ein wenig länger dauern. Schließlich gilt das Wort des Ministerpräsidenten. „Ihre zwanzig Jahre Herr Anderson“, so Kretschmann, „sind für viele außergewöhnlich.“