Die neu formierte Gaechinger Cantorey zelebriert Händels Oratorium „L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato“ – und beendet eine sehr erfolgreiche Bachakademie in Stuttgart.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - H

 

ändels Harmonie bewege die Seele, „by sweetness and by force controul“, süß sedierend also oder durch ihre reine Kraft, stand im Londoner „Gentleman’s Magazine“ im Mai des Jahres 1740. Ein bisschen holprig gereimt, aber immerhin. Und Publicity war bitter nötig, denn der nicht subventionierte Musikunternehmer Georg Friedrich Händel hatte einen wirklich üblen, kalten Winter hinter sich, in dem die Leute auf der zugefrorenen Themse grillten, und in den Gängen des angemieteten Theaters in Lincoln’s Inn Fields lungerte der Mob.

Händel brauchte Erfolg, und obwohl er sich bewusst war, dass für ein englisches Publikum „die Verbindung von Dichtung und Musik keine Abendunterhaltung“ darstelle, ließ er sich ein auf ein vergleichsweise undramatisches, wiewohl farbiges Stück: Musikmusik (nach leicht verfremdetem John Milton). Mit Erfolg. Fünfzig ausverkaufte Vorstellungen.

Hans-Christoph Rademann (und seine Dramaturgie) hat „L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato“, HWV 55, den in der Synthese endenden Lobgesang auf die Mäßigkeit (von der freilich weder der Komponist noch die höhere englische Gesellschaft viel hielt) inklusive zweier Concerti Grossi und auch noch eines integrierten Orgelkonzerts jetzt zum Abschluss des Musikfests, wenn man so will, in den Showroom des 21. Jahrhunderts gestellt: Teils staunend darf man verfolgen, wie luxuriös sich Originalklangmusik ausnimmt, die durch Formenvielfalt glänzen kann und will. Sinn der Übung: Wir (Chor, Orchester, Solisten, herauszuheben: Gillian Webster und der Bassist Andreas Wolf) zeigen euch, was in uns steckt. Das ist allerhand. Und dann gibt es zentral ja auch noch die Silbermann-Schmuckschatulle. Rademann hat in kürzester Zeit Erstaunliches erreicht.

Vom ersten Einsatz im „A Tempo giusto“ in der G-Dur-Einleitung vernimmt man eine Gaechinger Cantorey, die sich, innig angetrieben von Koryphäen wie der Konzertmeisterin Nadja Zwiener und dem Cellisten Joseph Crouch, Händels Vielzungenidiome mit Selbstverständlichkeit aneignet. Freilich täuscht selbst das intensivste Spiel manchmal nicht hinweg über die ornamentalen Übertreibungen der Vorlage und deren Selbstreferenzialität und Redseligkeit im Zitat.

Bezwingend, ja teilweise erhaben gar dann wieder die finalen Anspielungen auf Shakespeares „Tempest“ in „As Steals The Morn“. Großer Beifall eines fast ununterbrochen in artistischen Bann geschlagenen Publikums in der Stuttgarter Liederhalle.