Die Unionsspitze versucht vor der Abstimmung über das dritte Hilfspaket, Skeptiker in ihren Reihen zu überzeugen. Es ist ungewiss, ob das gelingen wird, schreibt StZ-Korrespondent Armin Käfer vor Beginn der Fraktionssitzung am Dienstagabend.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Volker Kauder hat allen Grund, einem vorwitzigen Genossen dankbar zu sein. Es geht um Carsten Schneider, Finanzexperte und einer der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion. Schneider hatte in einem Fernsehinterview vor weiteren Griechenland-Dissidenten aus der Union gewarnt. Falls eine Mehrheit der Fraktion den Regierungskurs nicht mittragen würde, so argumentierte er, dann wäre dies ein regelrechtes Misstrauensvotum gegen die Kanzlerin. Eindrücklicher hätte auch Fraktionschef Kauder selbst nicht vor einem abweichenden Stimmverhalten am Mittwoch beim Bundestagsvotum zum dritten Hilfspaket für die Griechen warnen können.

 

So drastisch, wie der SPD-Mann Schneider es an die Wand malt, sind die Aussichten für die Union aber nicht. Bei einer Probeabstimmung in der Fraktion kündigten 56 Abgeordnete am Dienstag ein Nein zur Griechenland-Hilfe an. Bei der letzten einschlägigen Abstimmung Mitte Juli hatten 60 der 311 Unionisten der Regierung ihre Stimme versagt. Fünf enthielten sich, vier waren gar nicht erschienen. Am Dienstag wurden vier Enthaltungen gezählt. Für die Bundestagssitzung am Mittwoch haben sich 15 Unionsparlamentarier abgemeldet.

Angela Merkel warb um Unterstützung

Merkel, Kauder und Finanzminister Wolfgang Schäuble hatten ihre unsicheren Kantonisten in verschiedenen Fraktionsgremien stundenlang ins Gebet genommen. Die eigentliche Fraktionssitzung dauerte aber gerade 60 Minuten. Vor vier Wochen waren noch viereinhalb Stunden Aussprache nötig. Laut Sitzungsteilnehmern appellierte Schäuble an die Abgeordneten, dem Hilfspaket ihr Plazet zu geben. Er selbst werde „mit völliger Überzeugung zustimmen“. Es wäre unverantwortlich, den Griechen diese Chance zu verweigern.

Merkel erinnerte daran, dass die aktuelle griechische Regierung zu Jahresbeginn angetreten sei, die Grundprinzipien der europäischen Rettungspolitik in Frage zu stellen. Das sei ihr letzten Endes nicht gelungen. Es sei wichtig gewesen, hart zu bleiben. Merkel versicherte, sie habe „keinen Zweifel“, dass der Internationale Währungsfonds das dritte Hilfspaket mittragen werde. Sie warb um Unterstützung. Alles andere, so Merkel, würde Deutschland in Europa schwächen.

Überproportional viele Neinsager aus Baden-Württemberg

Fraktionschef Kauder sprach dem Vernehmen nach nur einige Begrüßungsworte. Nach dem internen Unmut über seinen Disziplinierungsversuch vergangene Woche war spekuliert worden, dass die Abstimmung jetzt auch Gradmesser für Kauders Rückhalt in der Fraktion werden könnte. Das heikle Thema kam am Dienstagabend aber nicht zur Sprache. Es meldete sich überhaupt nur ein einziger Abgeordneter zu Wort: Klaus-Peter Willsch, einer der Neinsager. Er hat Kauder geschont.

Unter den schwarzen Neinsagern waren bei der Abstimmung im Juli überproportional viele aus Baden-Württemberg: insgesamt elf. Das ist schon deshalb interessant, weil sie der gleichen Landesgruppe wie Kauder und Schäuble angehören. Auch in der baden-württembergischen Landesgruppe wird das Lager der Rebellen wohl nicht weiter zunehmen. Das zeichnete sich in einer Besprechung am Nachmittag ab. Allenfalls einer der Abgeordneten, der bisher die Griechenland-Hilfe mitgetragen hatte, sei noch unentschlossen, ob er das weiterhin tun wolle, berichteten Teilnehmer. Unterm Strich könnten es etwas mehr als 60 Neinsager werden. Einige von ihnen haben die Fraktionssitzung und die Probeabstimmung geschwänzt. Insgesamt herrsche aber große Disziplin – das sagt selbst einer der Rädelsführer, die gegen die Griechenland-Hilfe Stimmung machen, hinter den Kulissen. Er hat dafür nur eine Erklärung; Loyalität mit Merkel und Schäuble.