Nach monatelanger Suche nach einem neuen Standort für die Abtreibungsklinik Stapf hat sich doch keine Lösung gefunden. „Wir haben am Freitag aufgehört – Feierabend“, sagte der hörbar genervte Klinikgründer Friedrich Stapf.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Nach monatelanger Suche nach einem neuen Standort für die Abtreibungsklinik Stapf hat sich nun doch keine Lösung ergeben. „Wir haben am Freitag aufgehört – Feierabend“, sagte der hörbar verärgerte Klinikgründer Friedrich Stapf. Man habe auf dem freien Markt keine anderen Räume gefunden, erklärte der Arzt. „Und die Stadt Stuttgart hat sich nicht in der Lage gesehen, uns andere Räume zur Verfügung zu stellen“, fügte Stapf hinzu, was 24 Jahre lang der Fall gewesen sei. Mehr wolle er in der Sache nach den Erfahrungen der vergangenen Monate nicht mehr sagen, er werde sich nun auf seine Klinik in München konzentrieren.

 

Damit geht ein seit Mitte des vergangenen Jahres andauerndes Ringen um den Erhalt der größten Abtreibungsklinik im Land zu Ende, das schon bald nach dem Bekanntwerden im Oktober von einer Hetzkampagne radikaler Abtreibungsgegner begleitet war. Seit 2004 hatte Stapf in einer Jugendstilvilla an der Türlenstraße praktiziert, die auf Kosten der Stadt umgebaut und dem heute 68 Jahre alten Arzt zur Miete überlassen worden war. Zuvor hatte Stapf, in dessen Stuttgarter Klinik zuletzt pro Jahr etwa 2200 Abbrüche vorgenommen wurden, im Osten in Räumen der alten Frauenklinik gearbeitet.

Die Suche nach anderen Räumen erwies sich als schwierig

Für das Gebäude an der Türlenstraße hatte der bundesweit bekannte Mediziner, der sich auch politisch in mehrfacher Weise und mit Erfolg für eine liberale Fassung des Abtreibungsrechts eingesetzt hat, eine weitere Option zur Verlängerung des Vertrags mit der Stadt auf fünf Jahre. Er vergaß aber, diese wahrzunehmen. Die Suche nach anderen Räumen erwies sich bald als schwierig. Einmal erklärte Stapf, die Umbaukosten für eine in Frage kommende Immobilie von bis 300 000 Euro könnten von der Klinik GmbH, die seiner Frau gehört, nicht gestemmt werden. Aus einem möglichen Standort am Pragsattel wurde nichts, weil sich der potenzielle Vermieter nach Protesten von Abtreibungsgegnern im Internet schließlich doch zurückzog.

Wölfle bedauert Schließung der Klinik

„Ich bedauere die Schließung der Klinik sehr“, sagte der Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) auf Anfrage. „Die Klinik hat Frauen in existenzieller Not geholfen und sie menschlich wie auch medizinisch exzellent betreut.“ Um Friedrich Stapf bei der Suche nach einem neuen Standort zu unterstützen, habe man das Mietverhältnis „mehrfach verlängert“, sagte Wölfle. Die Stadt habe Stapf über Makler auch mehrere mögliche Immobilien vermittelt, die zuvor vom Baurechtsamt auf ihre Tauglichkeit für diese Nutzung geprüft worden seien. Man habe dem Arzt noch in Aussicht gestellt, ihm die Räume an der Türlenstraße, die schon im September 2013 gekündigt wurden, bis Anfang Juni zu überlassen, was Stapf aber mit dem Verweis ausgeschlagen habe, er brauche eine langfristige Lösung. „Mehr konnten wir nicht machen“, sagte Wölfle. „Ich kann ja nicht auf Kosten des Klinikums alle Pläne umschmeißen.“ An der Türlenstraße wird nach dem Umzug der Psychiatrie an den Standort Bad Cannstatt eine innerstädtische Dependance mit einer sozialpsychiatrischen Tagesklinik entstehen. Zu der Hetzkampagne der Abtreibungsgegner merkte der Krankenhausbürgermeister kritisch an: „Gewiss haben die Einschüchterungsversuche einiger weniger Aktivisten, die hart an der Grenze des Erträglichen waren, die Suche erheblich erschwert.“

Nun werde es darum gehen, zusammen mit der Beratungsstelle Pro Familia und anderen Praxiskliniken und Zentren in Stuttgart und der Region dafür zu sorgen, dass diese „ihre Kapazitäten ausweiten und im Interesse der betroffenen Frauen auf die Sicherstellung der bisherigen Qualität achten“, so Wölfle.

Bürgermeister will mit Frauenklinik sprechen

Wie berichtet, gibt es auch in Ludwigsburg eine Abtreibungsklinik, die pro Jahr etwa 1500 Abbrüche vornimmt. Deren Eigentümer hatte schon vor Monaten erklärt, dass er diese Zahl „ohne Probleme verdoppeln könnte“. Eine mittelgroße Praxisklinik in der Stuttgarter City, auf deren vielfältigem OP-Plan auch Schwangerschaftsabbrüche stehen, hatte angegeben, die jetzigen 400 Abtreibungen im Jahr wieder auf 800 anheben zu können.

Der Krankenhausbürgermeister Wölfle kündigte an, er werde mit der städtischen Frauenklinik sprechen, wie künftig mit den Spätabtreibungen umgegangen werde, die aus medizinischen Gründen bis zur 18. Schwangerschaftswoche möglich sind. Friedrich Stapf gab diese Zahl mit etwa 180 im Jahr an. „Hier entsteht die größte Versorgungslücke“, sagte Wölfle.

„Wir werden jetzt nach Notlösungen suchen“, sagte Marion Janke, die ärztliche Leiterin von Pro Familia, die das Aus für die Klinik Stapf „sehr bedauert“. Man müsse nun sehen, welche Frauenärzte mehr Abbrüche machen könnten und wollten. Die befürchtete „Versorgungslücke“ sei mit dem Aus von Stapf jedenfalls eingetreten. „Es geht nicht nur darum, dass ein Abbruch gemacht wird, die Frauen müssen auch gut betreut werden“, betonte Janke. Dies sei in der Klinik Stapf der Fall gewesen. Eine Dauerlösung könne nur wieder eine Einrichtung wie diese in Stuttgart selbst sein. Janke: „Bei einer Dauerlösung, wie wir sie uns vorstellen, wird es wohl wieder die Hilfe der Stadt brauchen.“