Dann kam der 24. Dezember 1945, Weihnachten! Mittags gab es in der Kantine einer Stuhlfabrik, die von den Engländern beschlagnahmt und uns zur Verköstigung der Fahrkolone zur Verfügung gestellt wurde, nach den sehr kargen Monaten ein, wie wir empfanden, opulentes Essen.

 

Anschließend gingen wir in unsere Unterkunft und jeder hing an diesem besonderen Tag seinen Gedanken nach. Diejenigen Kameraden, die schon länger im Ort waren, wurden von den Bewohnern am Weihnachtsabend eingeladen. Da wir jedoch erst vor Kurzem angekommen noch keinerlei Kontakte knüpfen konnten, waren wir nur drei Mann, die an diesem Abend allein zurück blieben.

Die Unterkunft war der Ortsgasthof mit einigen Fremdenzimmern und einem kleinen Saal, in welchem wir unsere Schlafpritschen für acht Mann aufgestellt hatten. Es war ein grauer, trister, dunkler Dezembertag, der nur durch die Tatsache, dass Weihnachten war, eine ganz besondere Bedeutung erfuhr. Die Dunkelheit setzte schon früh ein, und aus nicht bekannten Gründen hatten wir ausgerechnet an diesem Tag kein elektrisches Licht. In einer Ecke des Saales befand sich ein kleiner eiserner Kohleofen, der ein wenig Wärme spendete, und als einzige Lichtquelle hatten wir eine Kerze, die wir in Ermangelung eines Tisches auf eine alte Obstkiste gestellt hatten.

Da saßen wir also um den Ofen herum, ein Kamerad aus Ostpreußen, sehr schweigsam und bedrückt, weil er von seiner Familie keine Nachricht hatte und nicht wusste, ob seine Frau mit den Kindern noch rechtzeitig fliehen konnte, oder ob sie zu Hause irgendwo fest saßen und keine Züge mehr fuhren. Vor allem aber, ob sie die Zeit unversehrt überstanden hat, da bekannt war, dass russische Soldaten vor allem in der ersten Zeit nicht gerade zimperlich mit Frauen umgegangen sind. Solche quälenden Gedanken strapazierten besonders an so einem Tag die Nerven.

Der Zweite in unserer Runde, ein kluger intellektueller Mensch aus Erfurt, war zwar etwas gesprächiger und konnte sich gut ausdrücken, trotzdem verlief unsere Konversation an diesem Abend äußerst dürftig. Er hätte schon längst zu Hause sein können, wollte aber nicht, weil sein Vater bei der Stadt in verantwortlicher Position tätig war und von den Russen inhaftiert wurde. Sein Tenor war stets: solange die Russen da sind, gehe ich nicht nach Hause – und das, obwohl Mutter und Schwester schon sehnsüchtig auf ihn warteten.

Dann kam der 24. Dezember 1945, Weihnachten! Mittags gab es in der Kantine einer Stuhlfabrik, die von den Engländern beschlagnahmt und uns zur Verköstigung der Fahrkolone zur Verfügung gestellt wurde, nach den sehr kargen Monaten ein, wie wir empfanden, opulentes Essen.

Anschließend gingen wir in unsere Unterkunft und jeder hing an diesem besonderen Tag seinen Gedanken nach. Diejenigen Kameraden, die schon länger im Ort waren, wurden von den Bewohnern am Weihnachtsabend eingeladen. Da wir jedoch erst vor Kurzem angekommen noch keinerlei Kontakte knüpfen konnten, waren wir nur drei Mann, die an diesem Abend allein zurück blieben.

Die Unterkunft war der Ortsgasthof mit einigen Fremdenzimmern und einem kleinen Saal, in welchem wir unsere Schlafpritschen für acht Mann aufgestellt hatten. Es war ein grauer, trister, dunkler Dezembertag, der nur durch die Tatsache, dass Weihnachten war, eine ganz besondere Bedeutung erfuhr. Die Dunkelheit setzte schon früh ein, und aus nicht bekannten Gründen hatten wir ausgerechnet an diesem Tag kein elektrisches Licht. In einer Ecke des Saales befand sich ein kleiner eiserner Kohleofen, der ein wenig Wärme spendete, und als einzige Lichtquelle hatten wir eine Kerze, die wir in Ermangelung eines Tisches auf eine alte Obstkiste gestellt hatten.

Da saßen wir also um den Ofen herum, ein Kamerad aus Ostpreußen, sehr schweigsam und bedrückt, weil er von seiner Familie keine Nachricht hatte und nicht wusste, ob seine Frau mit den Kindern noch rechtzeitig fliehen konnte, oder ob sie zu Hause irgendwo fest saßen und keine Züge mehr fuhren. Vor allem aber, ob sie die Zeit unversehrt überstanden hat, da bekannt war, dass russische Soldaten vor allem in der ersten Zeit nicht gerade zimperlich mit Frauen umgegangen sind. Solche quälenden Gedanken strapazierten besonders an so einem Tag die Nerven.

Der Zweite in unserer Runde, ein kluger intellektueller Mensch aus Erfurt, war zwar etwas gesprächiger und konnte sich gut ausdrücken, trotzdem verlief unsere Konversation an diesem Abend äußerst dürftig. Er hätte schon längst zu Hause sein können, wollte aber nicht, weil sein Vater bei der Stadt in verantwortlicher Position tätig war und von den Russen inhaftiert wurde. Sein Tenor war stets: solange die Russen da sind, gehe ich nicht nach Hause – und das, obwohl Mutter und Schwester schon sehnsüchtig auf ihn warteten.

Der Dritte im Bunde war ich und natürlich gingen auch mir allerlei Gedanken durch den Kopf. Allerdings nicht ganz so schwerwiegende, weil mir bekannt war, dass in meiner Heimat gegen Ende des Krieges keine Kampfhandlungen statt gefunden hatten.

Das Fest der Liebe und Freude?

Eigentlich ist ja Weihnachten das Fest der Liebe und Freude. Gerade wir hätten doch allen Grund haben müssen, uns zu freuen. Der Krieg war aus, es wurde nicht mehr geschossen, wir haben überlebt und dürfen das erste Weihnachtsfest in Frieden begehen. Aber eine heitere weihnachtliche Stimmung oder gar Freude wollte beim besten Willen nicht aufkommen, dazu waren die besonderen Umstände, die uns direkt betrafen, viel zu schwerwiegend. Es stimmte zwar alles wie eben beschrieben, wir waren wieder daheim, aber zu Hause? Wo bitte ist unser zu Hause?

Für den Kameraden aus Ostpreußen gab es keine Antwort, mein Gegenüber aus Erfurt hätte nach Hause können, traute aber den neuen Machthabern nicht. Mir ging es nicht viel besser, weil Gerüchte aufgetaucht waren, dass alle Sudetendeutschen doch ausgewiesen werden sollten. Zu alledem kam noch der dunkle Gasthaussaal, der, nur von einer kleinen Kerze notdürftig beleuchtet, eher eine fast gespenstische Atmosphäre erzeugte und so zu einer gedrückten Stimmung beitrug.

Ich habe in Russland zweimal, nämlich 1942 und 1943, Weihnachten erlebt, das war für uns emotional etwas völlig anderes, trotz der stets angespannten Lage direkt an der Front. Da waren wir noch voller Euphorie und Zuversicht, saßen in gut ausgebauten Bunkern, die Angehörigen hatten Päckchen und Briefe geschickt, und man hatte Kameraden, mit denen man schon lange zusammen war und wusste, dass man sich auf sie verlassen konnte.

Wie wichtig und hilfreich zwischenmenschliche, freundschaftliche Beziehungen sein können, haben wir in Zeiten der Bedrängnis, der Angst oder Panik an der Front zigmal erlebt. Was aufmunternde Worte eines wohlgesinnten Menschen an positiven Energien freisetzen und bewirken können, ist durch nichts in der Welt aufzuwiegen.

Aber da saßen wir nun, einsame Gestrandete wie ein Häufchen Elend, die meiste Zeit schweigend, und starrten auf die inzwischen ausgewechselte Kerze. In diese beinahe bedrückende Stille hinein sagte plötzlich unser kluger Nachbar: naja, so schlimm wie es war, kann es nicht mehr werden, auch wenn es nur ein winziges Lichtchen ist, das uns hier leuchtet.

Auch das kleinste Licht ist ein Hoffnungsschimmer, und die Hoffnung zu überleben, hat uns die Kriegsjahre begleitet. Wir sollten gerade an diesem Tage dankbar sein, so viel Lebensbedrohliches unversehrt und heil überstanden zu haben und dieses erste friedliche Weihnachtsfest begehen zu dürfen in der Hoffnung, dass es auch für uns wieder bessere Tage geben wird. So waren seine Worte, die ich nie vergessen kann. Und er hatte recht, damals.