An der Hochschule Neu-Ulm erhebt ein Dekan Mobbingvorwürfe gegen die Präsidentin. Es geht um die Studierendenzahl, eine Nebentätigkeit als Steuerberater und die Heirat mit einer Doktorandin während einer Dienstreise nach Las Vegas. Das letzte Wort hat die Beamtenaufsicht.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Man duzt sich noch, trotz allem, was passiert ist. „Der Michael war immer forschungsstark“, sagt Uta Feser, die Präsidentin der Hochschule Neu-Ulm, über den Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Michael Grabinski. Sie finde es „gut, wenn man auch kritische Geister hat“. Fraglich, ob solche warmen Worte noch das Eis tauen können, das seit Monaten zwischen der Professorin und dem Professor gewachsen ist. Grabinski jedenfalls sagt über Feser, ihr Umgang mit ihm habe „einen Charakter von Mobbing“.

 

Die Wege der 57-jährigen Wirtschaftspädagogin und des 56 Jahre alten Physikers kreuzten sich nach der Jahrtausendwende an der Ingenieursschmiede in Neu-Ulm, die bis 2008 ganz profan Fachhochschule hieß und sich in Hochschule für angewandte Wissenschaften umtaufte. 2006 wurde Feser zur Präsidentin gewählt, ein Jahr später rückte Grabinski durch eine Wahl des Fakultätsrats zum Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften auf. 2009 trat Grabinski gegen Feser um das Präsidentenamt an – und unterlag knapp.

Schon früh waren sich die akademischen Aufsteiger nicht grün

Es gärte schon damals zwischen den akademischen Aufsteigern. Feser erzählt, sie habe eine Vergrößerung der Hochschule forciert. 2005 habe Neu-Ulm 1850 Studenten gezählt, „zum Sterben zu viel, zum Überleben zu wenig“. Der „Feldaufschwung“ sei zu Gunsten der Internationalität der Einrichtung und zum Nutzen der örtlichen Industrie eingeleitet worden. Für Unternehmen wie Evobus, die Wieland-Werke oder Voith sei Neu-Ulm eine Art Heimat-Hochschule.

Die Verdoppelung der Studentenzahlen auf zurzeit gut 3900 habe natürlich Folgen gehabt, sagt Feser. Eine davon: „Wenn man mehr Leute holt, hat man auch schlechtere Abiturnoten“. Ihr Widersacher Grabinski beurteilt das viel schärfer. Noch vor zehn Jahren seien die Studierenden in Neu-Ulm, gemessen am Abiturnotenschnitt, rechnerisch „die schlechtere Hälfte an der Uni“ gewesen – inzwischen hält er viele in seinen Seminaren für gar nicht mehr hochschultauglich. Bis zu 80 Prozent der Studenten hat er gelegentlich durch Prüfungen rasseln lassen. Durch die Aufblähung des Hochschulbetriebs werde die handwerkliche Lehre „ausgerottet“ – „und das mit Steuergeldern“, sagt Grabinski. Die Präsidentin entgegnet: „Wir sind keine Elite- oder Exzellenz-Universität“. Wer promovieren wolle, sei nun mal woanders besser aufgehoben.

Den internen Richtungsstreit benennt Grabinski als die Wurzel einer Angriffswelle gegen ihn. Im Dezember 2014 wurde er zur Anhörung vor die Hochschulleitung zitiert und mit einem ganzen Bündel an Vorwürfen konfrontiert: Die Frauenbeauftragte präsentierte einen Aktenvermerk, wonach Grabinski im Unterricht abfällig über Frauen und Schwarze geredet habe. Eine Dienstreise nach Las Vegas im Sommer 2013 soll in Wahrheit dazu gedient haben, eine von ihm betreute Doktorandin zu heiraten. Grabinski, der auch als Steuerberater mit einem Büro in Senden (Kreis Neu-Ulm) firmiert, soll Klienten über sein Büro in der Hochschule abgefertigt und auf Hochschulkosten eine Software für privatunternehmerische Zwecke gekauft haben. Die Präsidentin Feser beteuert, die Hinweise auf verdächtige Posteingänge und Rechnungen seien „aus der Verwaltung gekommen“. Die Hochschulleitung sei wegen der Schwere der Vorwürfe gezwungen gewesen, Anzeige zu erstatten.

Die bayerische Beamtenaufsicht ermittelt weiterhin

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Memmingen ermittelt, das Verfahren wurde jedoch im vergangenen Juni vom Amtsgericht in Neu-Ulm eingestellt. Vor der Hochzeit im Spielerparadies habe er am Vormittag einen Vortrag gehalten, verteidigte sich der Professor. Auch von einer ungenehmigten Nebentätigkeit als Steuerberater könne keine Rede sein. „Ich kann ja nichts dafür, wenn ich einen Brief bekomme.“

In diesem September hat sich Grabinski erneut zum Dekan wählen lassen wollen, er war der einzige Kandidat, doch die Hochschulleitung verweigerte die Zustimmung zum Wahlvorschlag. Der Grund: Die bayerische Landesanwaltschaft als Beamtenaufsicht ermittle weiterhin gegen Grabinski. Ein Münchner Sprecher bestätigte das am Donnerstag. Ein neuer Wahltermin wurde auf den 27. Oktober terminiert, verbunden mit der Hoffnung auf einen anderen Kandidaten. Nun ist auch diese Wahl abgesagt: Es fand sich kein Interessent.

„Ich schlafe extrem schlecht“, bekennt der Professor angesichts des Drohszenarios in München. Vom Kämpfen hat er derzeit genug, seinen Chefposten in der Fakultät will er in Kürze abgeben. Sie wünsche „dem Michael“ Glück bei seinem Verfahren, sagt Präsidentin Feser. Denn vor allem anderen sei es „der Mensch, den ich im Vordergrund sehe“.